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Komik als Karrierekick

Wissenschaftliche Untersuchung zeigt, wie Humor im Büroalltag Konflikte verursachen und lösen helfen kann

27.07.2009

Lachen ist gesund – das ist mittlerweile wissenschaftlich bewiesen. Doch kleine Scherze und Witze können viel mehr bewirken, als nur Stress zu reduzieren und die Laune zu heben. „Wer in den richtigen Momenten ein Gespür für Komik hat, kann beruflich erfolgreicher sein“, sagt der Diplom-Kaufmann Rainer Zeichhardt. Der 32-Jährige hat an der Freien Universität Berlin seine Dissertation zum Thema „Komik und Konflikt in Organisationen“ geschrieben. Dabei stellte er fest, dass Komik häufig als produktive Konfliktstrategie verwendet werden kann. Doch Zeichhardt warnt auch: „Wird Komik falsch eingesetzt, kann sie nicht nur dem Einzelnen schaden, sondern sogar dem ganzen Unternehmen.“

Für die meisten Menschen gehören Komik und Konflikt nicht zusammen, schließlich scheinen sie völlig verschiedene Dinge zu beschreiben. „Tatsächlich aber haben die beiden Phänomene viel miteinander zu tun“, sagt Zeichhardt, der hin und wieder auch selbst gerne einen Scherz macht. So können beispielsweise Konfliktsituationen durchaus eine gewisse Komik in sich bergen – und Komik wiederum kann Konflikte entschärfen. Diese Beobachtung faszinierte Zeichhardt schon während seines Studiums am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin und im Rahmen von Praktika. Doch der Student bemerkte schnell, dass Komik und Konflikt zwar im Alltag und im Arbeitsleben häufig vorkommen, aber noch nie deren Kombination tiefergehend erforscht worden waren. „In der Betriebswirtschaftslehre ist dieses Thema bisher nicht diskutiert worden“, berichtet er. „Ich fand es daher spannend, dieses Alltagsphänomen wissenschaftlich zu untersuchen.“

Während Zeichhardt in den vergangenen fünf Jahren am Institut für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und am Institut für Management bei den Professoren Michael Stitzel und Jörg Sydow wissenschaftlicher Mitarbeiter war und für seine Dissertation forschte, entdeckte er zahlreiche Zusammenhänge zwischen Komik und Konflikt in Organisationen: Amüsiert sich ein Mitarbeiter zum Beispiel aufrichtig über die Witze und Lockerheit seines Chefs, kann das durchaus motivierend wirken. Bekanntestes Beispiel ist Apple-Mitbegründer Steve Jobs, der in dem erfolgreichen Unternehmen angeblich auch durch Selbstironie und Humor eine entspannte und kreative Atmosphäre schafft. Außerdem kann Komik die Beziehungen einzelner Mitarbeiter untereinander festigen. So kann durch gemeinsames Scherzen das Gefühl von Dazugehörigkeit und Loyalität gestärkt werden. Doch auch bei Ärger kann Humor helfen. Erkennt ein Mitarbeiter nämlich die absurde Komik in der starren Bürokratie innerhalb der Firma oder dem verzweifelt-ruppigen Ton des Vorgesetzten, dann kann das schwierige Situationen in ein neues Licht rücken. „Mit Galgenhumor wirken die Dinge plötzlich nicht mehr so schlimm, und man kann sich von dem Konflikt distanzieren“, erklärt Zeichhardt. Wer über etwas lacht, nimmt es nicht mehr so ernst.

Vor allem aber können Angestellte Komik als Strategie im Job einsetzen. „Im Scherz dürfen Dinge gesagt werden, die man sich sonst nicht trauen würde“, sagt Zeichhardt, der mittlerweile geschäftsführender Gesellschafter der Netzwerkberatung NRC ist, die er zusammen mit zwei Kollegen aus der Freien Universität heraus gegründet hat. Wer in einer lockeren Unterhaltung mit dem Chef charmant scherze, könne die Hierarchie subtil reduzieren und eigene Interessen leichter durchsetzen.

Die Sache hat jedoch einen entscheidenden Haken: „Komik ist sehr zweischneidig, sie birgt Chancen und Risiken zugleich“, warnt Zeichhardt. Denn Komik kann Situationen nicht nur erleichtern und entschärfen, sondern auch das Gegenteil bewirken. „Komik hat Konfliktpotenzial, sie kann Konflikte auslösen oder verschärfen.“ Wer also im falschen Moment etwas vermeintlich Witziges sagt, macht sein Gegenüber möglicherweise erst richtig wütend und bringt ihn gegen sich auf. Komik kann für einzelne Menschen auch extrem gefährlich sein und ihnen schaden. „Beim Mobbing hacken ein oder mehrere Personen auf einem Kollegen herum, machen Scherze auf seine Kosten und degradieren ihn zum Sündenbock.“

Nicht nur für Individuen, auch für das Unternehmen insgesamt kann Komik negative Folgen haben. „Komik hebelt organisatorische Strukturen und Hierarchien aus“, erklärt Zeichhardt. Das leuchtet ein: Witze über den Chef schaden seiner Autorität und lassen ihn in den Augen der Mitarbeiter weniger mächtig erscheinen. Tun sich darüber hinaus Mitarbeiter zusammen und machen sich über das Unternehmen insgesamt lustig, kann das das Engagement und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter verringern. Denn wer will schon in einer Firma vollen Einsatz zeigen, deren Produkte und Ziele man selber zum Lachen findet? Ein derartiges Konfliktverhalten kann die Produktivität des gesamten Unternehmens mindern.

Deswegen ist es für Organisationen und ihre einzelnen Mitarbeiter wichtig, das richtige Maß zwischen Komik und Konflikt zu finden. „Jeder kann herumalbern und Witze machen“, sagt Zeichhardt, dessen Dissertation mittlerweile publiziert worden ist. „Schlagfertigkeit und die Fähigkeit, im richtigen Moment konstruktiv unter dem Deckmantel der Komik das Richtige zu sagen, müssen aber erlernt werden, das ist ein lebenslanger Prozess.“ Dazu gehöre auch, sich in der Firma langsam vorzutasten und herauszufinden, was Kollegen und Vorgesetzte unter Komik verstehen. Schließlich ist ein Witz nur hilfreich, wenn ihn die andere Person auch als komisch empfindet und die Pointe versteht. Sonst kann der Schuss schnell nach hinten losgehen. „Diesen schmalen Grat muss jeder selbst ausloten“, sagt Zeichhardt. Mit ein bisschen Erfahrung und Sensibilität könnte dann aber schon bald ein Scherz nicht nur die eigene Stimmung heben – sondern auch bei einer Gehaltsverhandlung gegenüber dem Chef strategisch als Eisbrecher eingesetzt werden.