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Erneuerbare Energien für Europa

Seine Zukunft in freier Wildbahn soll sicherer werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Klimaerwärmung mittelfristig gestoppt werden kann.

Seine Zukunft in freier Wildbahn soll sicherer werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Klimaerwärmung mittelfristig gestoppt werden kann.
Bildquelle: Jan Will

Die Forschungsstelle für Umweltpolitik weist mit einer Machbarkeitsstudie Wege in die Zukunft

Von Matthias Thiele

Knut wird es freuen: Wenn sich im Dezember in Posen die Vereinten Nationen zur Klimakonferenz treffen, soll die Zukunft seiner Eisbär-Verwandten in freier Wildbahn ein Stück sicherer werden. Das Ziel: Die Emission der Treibhausgase soll so stark reduziert werden, dass die Klimaerwärmung mittelfristig gestoppt werden kann.

Lutz Mez von der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität hat einen zukunftsweisenden Vorschlag entwickelt, um einen der größten Posten in der CO2-Bilanz der Industriestaaten zu verkleinern. Seine Kernaussage: „Der europäische Strombedarf lässt sich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie decken – ohne Atomstrom."

Im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung hat der Geschäftsführer der Forschungsstelle zusammen mit der ehemaligen EU-Kommissarin Michaele Schreyer eine Machbarkeitsstudie für die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Erneuerbare Energien (ERENE) vorgelegt.

„Es geht um nicht weniger als die Energiebasis einer neuen industriellen Revolution", fasst Mez das Ergebnis der Studie zusammen. „Wind, Sonne, Erdwärme, Wasserkraft und Biomasse - die Grundlagen für einen sauberen Energiemix sind europaweit reichlich vorhanden, wenn sie auch regional sehr unterschiedlich verteilt sind. Was fehlt, ist der politische Wille, dieses Potenzial zu erschließen und innerhalb der Europäischen Union grenzüberschreitend und in großem Maßstab voranzutreiben.“

Um die umweltgerechte Energieversorgung Europas in Zukunft zu gewährleisten, schlägt die Studie einen Vertrag vor, um die Rahmenbedingungen zu schaffen. „Nach der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM ist es jetzt an der Zeit, die Zukunftsenergien auf einem gemeinschaftlichen Fundament aufzubauen“, sagt Mez.

Unter dem Schirm der neuen Gemeinschaft soll in Zukunft gemeinsam geforscht, entwickelt und ausgebildet werden. „ERENE könnte Forschungsinstitute und Demonstrationsanlagen errichten sowie die Forschung durch Austauschprogramme und Förderung von Lehrstühlen unterstützen“, sagt der Politologe.

Besonders Windenergie, Wasserkraft, Solarthermie und Photovoltaik können so für die Stromerzeugung stärker genutzt werden, denn laut Studie wird ihr Potenzial derzeit nur zu einem Zehntel genutzt.

Die Infrastruktur der Stromversorger ist derzeit noch das größte Hindernis für einen gezielten Ausbau der erneuerbaren Energien. „Die Netze der Betreiber sind auf wenige, leistungsstarke Einspeisungspunkte ausgelegt“, sagt Mez. Auch hier sei Europa gefragt: „Die Netze müssen ausgebaut werden, damit sie verstärkt dezentrale Einspeisungen mit niedrigerer Leistung aufnehmen können.“

Einen Finanzierungsvorschlag hat Mez auch parat: „Die Mitgliedsstaaten könnten einen Teil der Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandelssystem verwenden, um mit ERENE die Umstellung der Stromversorgung auf regenerative Energieträger zu fördern.“

Dass sich die Investitionen in den Klimaschutz nicht nur für die Umwelt lohnen, zeigt eine weitere Studie der Forschungsstelle Umweltpolitik der Freien Universität: Bis zum Jahr 2020 kann sich die Zahl der Arbeitsplätze in der regenerativen Energiebranche in der Bundesrepublik von heute zirka 250 000 auf mehr als 400 000 entwickeln. Das prognostizieren Mez und sein Team in der Untersuchung „Erneuerbare Energien“ in den Bundesländern. „Auch den Bundesländern kann die Ausbaudynamik der erneuerbaren Energien durch die Politik wirksam verstärkt werden“, sagt Mez. „Dafür müssen bestehende Gestaltungsspielräume besser wahrgenommen werden und Netzwerke koordiniert werden.“

Als Beispiel nennt er die 100-Prozent-Kommunen; Gemeinden, die ihren Strombedarf schon heute ausschließlich aus regenerativen Energiequellen decken: „Die meisten dieser Initiativen wurden von Bürgern initiiert. Hier könnten Landespolitiker neue Impulse setzen.“

Doch auch international wartet auf die Staatengemeinschaft noch viel Arbeit: „Jenseits der Europäischen Union muss Klimapolitik eine größere Rolle spielen“, sagt Mez. „Sonst lässt sich der Klimawandel nicht abfedern.“ Einen Fortschritt soll IRENA bringen: eine Internationale Agentur für Erneuerbare Energie. In enger Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Adelphi Consult hat die Forschungsstelle Umweltpolitik für die Bundesregierung wichtige Grundlagenarbeit geleistet. Im Januar 2009 sollen die Statuten der neuen Institution in Bonn unterzeichnet werden. Für das Weltklima ist es höchste Zeit.