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Gewürze aus aller Welt auf einen Bissen

Die Aachener Printe ist ein echtes Multikulti-Produkt

Ohne sie wäre der bunte Teller nicht rund: Die Aachener Printe ist ein Inbegriff der deutschen Weihnachtsbäckerei. Ob hart oder weich, mit Mandeln, Kirschen, Schokolade oder Zuckerglasur verziert – der süß-würzige Duft dieses Lebkuchens gehört einfach zur Weihnachtszeit dazu. Doch wie begann die Karriere dieses dunklen Aachener Gebäcks? Die Ursprünge sind im belgischen Örtchen Dinant an der Maas zu suchen, von dem im 15. Jahrhundert eine Lebkuchen-Rezeptur übernommen und abgewandelt wurde.

Heute darf nur Aachener Printen herstellen, wer auch tatsächlich in Aachen ansässig ist. Die EU schützt die Bezeichnung Aachener Printe – aber nicht die genaue Rezeptur. Was in ihr verbacken wird, ist ein wohlgehütetes Geheimnis der Printenbäckereien und begründet die feinen Geschmacksunterschiede der süßen Nascherei. Beim Blick auf die Deklarationsangabe der Inhaltsstoffe, entpuppt sich die typisch deutsche Weihnachtsleckerei als Multikulti-Produkt. In ihr verschmelzen Zutaten aus nahezu allen Teilen der Erde.

Neben Mehl und Zuckerrübensirup sind es vor allem die exotischen Gewürze, die der Printe ihre spezielle Note geben. Aachen, die Stadt mit den warmen Quellen, kam schon frühzeitig in deren Genuss und verwendete sie großzügig: Zimt, Nelken, Piment, Kardamom, Anis, Koriander, aber auch Orangeat und Ingwer. Insbesondere ihr hoher Gehalt an ätherischen Ölen verleiht diesen Gewürzen ihren Geschmack. In der Nutzpflanzenabteilung im Botanischen Museum des Botanischen Gartens der Freien Universität können Besucher entdecken, welche vielfältigen Pflanzenteile in unsere Küche Einzug hielten und aus welchen Erdteilen sie stammen.

Zimt gehört zu einem der ältesten Gewürze, die vom Menschen verwendet werden. Das feine, edle Aroma entströmt der Rinde einer Lorbeerverwandten, dem Zimtbaum (Cinnamomum verum) aus Sri Lanka. Die hauchdünn abgeschabten Rindenschichten rollen sich beim Trocknen ein und werden wie kleine Zigarren ineinander gesteckt. Wer stärkeres Aroma wünscht, nimmt die dicke Rindenschicht einer anderen Baumart: der in China und Hinterindien heimischen Cinnamomum aromaticum.

Im östlichen Mittelmeergebiet ist der Anis beheimatet (Pimpinella anisum), ein Verwandter des Kümmels. Seine länglichen Früchte sind würzig- süßlich und entfalten ihr volles Aroma erst beim Lagern. Kugelig sind dagegen die Früchte seines nahen Verwandten, des im Vorderen Orient beheimateten Korianders (Coriandrum sativum). Eine Verwandte der Myrte von den Molukken liefert für die Aachener Printe die scharf schmeckenden Nelken. Es sind die noch geschlossenen Blütenknospen des Gewürznelkenbaumes (Syzygium aromaticum), die in getrockneter Form einem kleinen Nagel ähneln. Werden sie durchgeschnitten oder nach längerem Kochen vorsichtig geöffnet, kommen die einzelnen Kronblätter und Staubfäden der Nelkenblüte zum Vorschein. Mit der Nelke verwandt ist der Pimentbaum (Pimenta dioica) aus der Neuen Welt. Seine braunroten Beeren werden noch vor der Reife geerntet und getrocknet.

Nicht etwa von der Apfelsine stammt das Orangeat, sondern von der in Nordindien heimischen Pomeranze oder Bitterorange (Citrus aurantium). Die runden, dunkelorangenen Früchte weisen eine sehr dicke und warzige Schale auf. Diese Früchte möchte keiner direkt probieren, denn das Fleisch schmeckt bitter und ist kaum genießbar. In Zuckerlösung kandiert finden die Fruchtschalen jedoch Liebhaber. Ohne die vor Jahrtausenden begonnenen Wanderungsbewegungen der Menschen, die viele pflanzliche Mitbringsel im Gepäck hatten, würde unsere Welt heute ganz anders aussehen. Zu Weihnachten säßen wir dann vielleicht mit einer Mohrrübe in der Hand vor dem Tannenbaum, würden Rote Beete essen und Haferschleim trinken. Denn so „arm“ ist unsere Region an bedeutenden und hier heimischen Nutzpflanzen.

Gesche Hohlstein

Die Autorin ist Diplom-Biologin am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem. Das Museum ist täglich von 10 – 18 Uhr, auch montags, geöffnet. Adresse: Königin-Luise-Str. 6-8 (Bus 101, ExpressBus X83), 14195 Berlin. Im Internet: www.bgbm.org.