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Eine Blutprobe als Beweis für Arthritis

Die neuartige Analyse der Veterinäre ist kostengünstig und zuverlässig<br>Foto: FU

Die neuartige Analyse der Veterinäre ist kostengünstig und zuverlässig Foto: FU

Veterinärmediziner der Freien Universität erforschen neue Diagnostik

von Matthias Thiele

Der Schwarzbraune macht einen Schritt nach vorne. Die Hufeisen klappern, die Stute schnaubt, in der kalten Herbstluft kondensiert ihr Atem. „Ganz ruhig“, sagt die Pflegerin: „Dir passiert ja nichts.“ Arthur Grabner zieht mit einer Spritze Gelenkflüssigkeit aus dem Gelenk oberhalb des Hinterhufes. Sein Verdacht: Das Pferd hat Arthritis. „So jetzt hast du's geschafft“, sagt er und gibt dem Tier einen Klaps.

Grabner ist Professor an der Pferdeklinik der Freien Universität in Berlin-Düppel. Die Prozedur ist Routine, wenn ein Pferd mit Gelenkschmerzen zu ihm kommt. „Wir schauen nach, ob das Tier lahmt oder ob Blut in der Gelenkflüssigkeit ist.“ Um präzise Diagnosen stellen zu können, müsste das Pferd in einen Magnetresonanz-Tomographen. „Aber das wäre für die Tierhalter kaum bezahlbar“, sagt er. Eine eindeutige Diagnose zu stellen, ist bei Tieren noch immer schwierig – zumindest bei Gelenkkrankheiten. Die Tierärzte müssen sich auf ihre subjektive Beobachtung und ihre Erfahrung verlassen.

Ein Team des Instituts für Veterinär- Biochemie forscht deshalb an einer anderen Methode: Die Berliner wollen künftig zuverlässig Gelenkschäden bei Säugetieren über eine Blutprobe nachweisen – durch sogenannte Markerproteine. Das sind Eiweißstoffe oder Enzyme, die bei einem spezifischen Krankheitsbild in ungewöhnlich hoher Konzentration auftauchen.
„Die Diagnostik in der Tiermedizin ist noch nicht optimal“, sagt Ralf Einspanier, der Direktor des Instituts fürBiochemie: „Wir wollen deshalb die biochemischen Vorgänge bei einer Arthritis erforschen und daraus einen Schnelltest für die praktische Arbeit der Tierärzte entwickeln.“
Sein Institut erforscht die Grundlagen, die praktische Erfahrung bringen die Ärzte in den Tierkliniken ein: In Kooperation mit der Pferdeklinik und der Kleintierklinik werden die Proben untersucht.

Leo Brunnberg, Dekan des Fachbereiches Veterinärmedizin, nimmt in der Kleintierklinik gerade einem Labrador Blut ab. Die Proteine im Blut sind empfindlich: Eine Assistentin bringt das Röhrchen mit der Probe sofort ins Labor. „Die Wege auf dem Campus sind kurz, das ist optimal. Bei Problemen kann das Labor die Ärzte in den Kliniken persönlich konsultieren“, sagt Brunnberg.
Und Nachfragen sind nötig, denn immer wieder kommen die Forscher bei ihren Analysen zu unerwarteten Ergebnissen. „Kürzlich hatten wir zum Beispiel einen Entzündungsmarker in der Probe eines Pferdes, das eigentlich gesunde Gelenke hat“, sagt Angelika Bondzio, die das Forschungsprojekt leitet. Nach einigem Rätseln stellte sich im Gespräch mit dem behandelnden Tierarzt heraus, dass das Pferd am Kiefer eine Entzündung hatte: „Es gibt eben auch Biomarker, die bei jeglichen Entzündungen im Körper anschlagen. Als spezifischer Nachweis für den Arthritis-Test scheidet ein solcher Eiweißstoff natürlich aus.“

Seit 2004 forschen die Mitarbeiter des Instituts schon am Test für gelenkkranke Tiere - hunderte von Gelenkflüssigkeiten und Blutproben haben sie bereits analysiert. In der Gelenkflüssigkeit konnten mehrere Markerproteine gefunden werden. Mit ihnen kann eine zuverlässige Diagnose gestellt werden. Jetzt müssen die Marker auch im Blut entdeckt werden. Ein halbes Dutzend Doktoranden sind an diesem Forschungsprojekt beteiligt.
Eine weitere Grundlage für diese tiermedizinische Feldarbeit sind Messverfahren, die derzeit in den pharmazeutischen Laboren entwickelt werden und dort für die Humanmedizin zur Marktreife gebracht werden sollen. „Diese Schnelltests sind zurzeit noch sehr teuer und in der klinischen Erprobungsphase“, sagt Einspanier. Die Unternehmen erhoffen sich aus der Grundlagenforschung der Tiermediziner auch Erkenntnisse für ihre eigenen Entwicklungen.
Wenn die Wissenschaftler der Freien Universität ihr ehrgeiziges Ziel erreichen, genügt in der Zukunft die Blutprobe eines kranken Tieres,umeinen Gelenkschaden zuverlässig diagnostizieren zu können. Und nicht nur das: „Im Labor versuchen wir über Blutanalysen den Schweregrad solcher Krankheiten messbar zu machen“, sagt Institutsleiter Einspanier. Das hilft auch während der Therapie: „So kann der Tierarzt direkt beobachten, ob Medikamente anschlagen.“