Springe direkt zu Inhalt

Männchenduft lockt Weibchen an – aber nur vor der Paarung

Forscher identifizieren Sexuallockstoff von parasitischenWespen

Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin ist es in Kooperation mit Forschern der Technischen Universität Berlin und der Universität Hohenheim erstmals gelungen, einen von Männchen produzierten Sexuallockstoff bei einer sogenannten parasitischen Wespe (Nasonia vitripennis) zu identifizieren. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Experimental Biology“ publiziert.

Als parasitische Wespen bezeichnet man eine sehr artenreiche Gruppe von Insekten, die sich in oder auf anderen Insektenarten entwickeln. Wie die meisten Insekten verwenden auch parasitische Wespen chemische Botenstoffe (Pheromone) bei der Partnerfindung. Diese werden meistens von Weibchen abgegeben, um Männchen anzulocken. Dass auch Männchen mit Duftstoffen nach Weibchen „rufen“, war bei parasitischen Wespen bislang kaum bekannt, erläutert der Biologe Joachim Ruther vom Institut für Biologie der Freien Universität Berlin.

Die etwa zwei Millimeter großen Insekten parasitieren Kokons verschiedener Fliegenarten. Nach dem Schlupf aus dem befallenen Fliegenkokon geben die Wespenmännchen den Sexuallockstoff 5-Hydroxy-4-decanolid über eine Pheromondrüse im Hinterleib ab und locken so unverpaarte Weibchen an. Die Weibchen werden danach durch Balz zur Paarung bewegt. Verpaarte Weibchen sind an dem Männchenduft allerdings nicht mehr interessiert. Im Gegenteil: Nur wenige Minuten nach der Paarung meiden Weibchen den Duft, der ihnen anzeigt, dass Männchen in der Nähe sind. So bestimmt also der Paarungszustand der Weibchen, wie diese auf den Duft des anderen Geschlechts reagieren. Die Weibchen reagieren deshalb so variabel, weil sie sich nur einmal im Leben paaren und dann auf die Suche nach Ablageplätzen für ihre Eier begeben. Balzende Männchen würden bei dieser entscheidenden Tätigkeit nur stören, erläutert Biologe Joachim Ruther: „Sie können sich den Energieverbrauch bei ihren Werbeversuchen sparen, weil sich die Weibchen ohnehin nicht auf sie einließen.“

Weiterforschen heißt es nun für die Wissenschaftler, denn die erstmalige Identifizierung eines männlichen Sexuallockstoffs bei parasitischen Wespen öffnet die Tür, auch anderen Vertretern dieser Gruppe auf die Schliche zu kommen. Schätzungen gehen davon aus, dass es rund eine Million Arten sind, von denen nur etwa 50 000 überhaupt in der Literatur beschrieben sind. „Der Lockstoff besteht aus zwei Komponenten, die sich nur in ihrer räumlichen Anordnung unterscheiden. Wahrscheinlich verwenden andere Arten ähnliche Verbindungen“, glaubt Ruther.

So klein diese Insekten auch sind: Es handelt sich um natürliche Gegenspieler, die für das ökologische Gleichgewicht sehr wichtig sind. Die Erkenntnisse über parasitische Wespen könnten somit auch zur biologischen Schädlingsbekämpfung genutzt werden. Mit Hilfe künstlich produzierter Lockstoffe ließe sich beispielsweise die Dichte der Nützlinge erhöhen, welche die Kokons lästiger Fliegen auch an schlecht zugänglichen Stellen aufspüren und parasitieren. Somit ließe sich verhindern, dass die Fliegen überhaupt erst schlüpfen.

Die parasitischen Wespen selbst seien harmlos, betont der Biologe: „Sie ärgern keine Nutztiere, setzen sich auf keine Erdbeertorte und leben nur eine Woche.“ FU