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Schreiben wie vor 400 Jahren

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN Unterwegs auf dem Campus Dahlem

Von Florian Michaelis

Wenig hat sich verändert im Verhältnis von Lehrer und Schüler während der letzten 4000 Jahre. Schon im alten Babylonien, dort wo heute der Irak liegt, klagten Lehrer über ihre Schützlinge: zu faul und zu dumm. Und sie schrieben ihre Klagen nieder – in Keilschrift. „Es gibt geradezu amüsante Texte aus der damaligen Schule, die überliefert sind“, sagt Jörg Klinger, Professor am Institut für Altorientalistik der Freien Universität Berlin.

Kundige Schreiber lehrten im alten Babylonien die Keilschrift in besonderen Schulen, denTafelhäusern. Für den Alltagsgebrauch eines Händlers genügten 90 Zeichen. Foto: FU Berlin

Keilschrift ist eine der langlebigsten Schriften der Geschichte, nur aufgrund ihrer Existenz weiß die Forschung heute so viel über das Leben in Vorderasien vor mehreren 1000 Jahren. Sumerisch, das in Mesopotamien gesprochen wurde, gilt als die älteste schriftlich überlieferte Sprache. Mit einem Griffel wurden Schriftzeichen in Ton gedrückt und überdauerten so die Jahrhunderte. Anders als beim Alphabet stand jedes Schriftzeichen für eine Silbe, mehrere hundert Zeichen gab es. „Für den Alltagsgebrauch eines Händlers genügten aber rund 90 Zeichen“, sagt Klinger. Kundige Schreiber lehrten die Ritz- Zeichen an eigens dafür eingerichteten Schulen – dem Tafelhaus.

Die Mesopotamier waren damit den Nord- und Mitteleuropäern um Jahrtausende voraus. Vor 4000 Jahren konnten in Vorderasien im Schnitt mehr Menschen lesen und schreiben als in Europa im Mittelalter. Vom Privatbrief über den Staatsvertrag bis zur Geschichte von König Gilgamesch, dem ältesten erhaltenen Epos der Menschheit – alles wurde in Tontafeln geritzt. Jörg Klinger plant für dieses Jahr den Start einer eigenen Ausgrabung in der Türkei, die neue Textfunde bringen soll.

Bei der „Langen Nacht“ können Besucher ihren Namen in Tontafeln schreiben. Die Forscher haben dafür authentische Holzgriffel geschnitzt, kundige Schreiber vermitteln das nötige Wissen. Und: Das ist keine einmalige Veranstaltung. Das Institut versucht schon länger den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Schule – mit einer „Schreibschule für Schulkassen“.

Keilschriftschule, 17 bis 1 Uhr, Ort: Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Gebäudenr. 10; www.geschkult.fu-berlin.de/e/altorient