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Humorvoll präsentieren

Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen

Was Dozenten von Komikern lernen können. Eine Nachhilfestunde

Die Freie Universität Berlin hat am 9. Juni 2006 zum ersten Mal die „Silberne Promotion“ gefeiert und über 250 Promovenden des Jahrgangs 1981 geehrt. Als Festredner trat der Arzt, Kabarettist und Humortrainer Dr. med. Eckart von Hirschhausen auf, der selbst ein Ehemaliger der Freien Universität ist. Er erteilte den Gästen mit Augenzwinkern eine Nachhilfestunde in „Humor als treibende Kraft in Forschung, Lehre und Leben“.

Was wissen Sie noch von einem Vortrag, den Sie vor einem Jahr gehört haben? Was von einem Hochschullehrer und seiner Vorlesung? Was von Ihrem liebsten Lehrer in der Grundschule? Was bleibt? Wenig Fakten, aber viel Stimmung und Motivation. Herrn Rieks habe ich nie vergessen. Mein erster Mathelehrer. Das ist 30 Jahre her, aber warum erinnere ich mich an ihn? Er war witzig, hat kleine Cartoons an die Tafel gemalt. Und die ganze Stunde habe ich aufgepasst, ich wollte diesen Moment nicht verpassen, an dem es wieder was zu lachen gab. Stimmungen bleiben haften, und noch heute schmunzel ich, wenn ich an Herrn Rieks denke. Er kannte das Ein-mal-Eins der Vortragskunst: „Du darfst alles, nur nicht langweilen!“

Im Medizinstudium gab es wenig zu lachen, obwohl doch angeblich Lachen die beste Medizin ist. Deshalb wurde ich Arzt und Kabarettist, um die Vermittlung von Medizin, Wissenschaft und Forschung mit Humor zu verbinden. Langzeitwirkung mit Witz statt Fakten mit Langeweile. Seit über 20 Jahren stehe ich als Komiker oder als Moderator auf der Bühne. Seit fünf Jahren gebe ich mein Wissen aus dieser Zeit in Seminaren und als Coach weiter: „Präsentieren mit Humor“.

Wenn Sie das nächste Mal vor anderen Menschen auftreten, könnten Sie vielleicht noch einen Tick besser werden: Mit einer Idee aus diesem Artikel sind Sie Ihrem Kollegen schon weit voraus. Wenn Sie gar drei Ideen anwenden, sind Sie bestimmt besser als ihr Chef. Und wenn Sie gar keinen Chef haben, weil Sie Universitätsprofessor auf Lebenszeit sind, dann bitte setzen Sie alle Ideen um – aus Liebe und Verpflichtung für die Studierenden!

„Ja, nimmt man mich denn dann noch ernst, wenn ich Humor in meine Präsentation einbaue?“ Das ist die größte Sorge meiner Seminarteilnehmer. Dabei besteht ja keine Gefahr, über Nacht aus jemandem einen Harald Schmidt zu machen. Der hat auch lange geübt. Und er wird ernst genommen. Zitiert, weitererzählt, erinnert. Was wollen Sie mehr?

Emotionen sind der Schlüssel zum Verständnis und zum Gedächtnis gleichermaßen. Dummerweise ist bis heute speziell an der Universität, aber auch bei Kongressen, Tagungen und Feierlichkeiten ein Stil üblich, dessen oberstes Gebot zu sein scheint: keine Emotionen, nur „objektive“ Information. Das wirke kompetent. Wirklich? Allen Dozierenden hat Georg Lichtenberg schon hinter die Ohren geschrieben: „Nicht alles, was man mit einem ernsten Gesicht sagt, ist deshalb schon vernünftig!“

Es gibt genau 7,5 Schritte zu Vorträgen mit Unterhaltungswert:

1. Sei wach: Präsentieren beginnt mit präsent sein. Der Vortragende sollte immer etwas wacher sein, als das Publikum! Vorsicht Falle: Ganz schlimm ist es, wenn man bei Tagungen mit allen anderen Referenten in der ersten Reihe sitzt, bereits drei Stunden körperlich anwesend sein musste und plötzlich aus dem Dösen gerissen wird, um selber zu sprechen. Der Komiker rät: Wenn Sie die Möglichkeit haben, machen Sie sich „warm“. Kein Fußballer läuft direkt von der Bank aufs Feld. Um den Geist warmzulaufen, hilft jede körperliche Bewegung: gehen, hüpfen, Arme kreisen. Und: Schneiden Sie Grimassen, lachen Sie laut. Die Vorbereitung muss ja niemand sehen. Aber alle werden spüren, dass da jemand frisch aufs Podium springt. Warmlaufen ist übrigens auch hervorragend gegen Lampenfieber.

2. Blickkontakt: der erste Eindruck. Der Start in einen Vortrag ist der entscheidende Moment. „Du bekommst keine zweite Chance für einen ersten Eindruck!“ Viele Vortragende drehen dem Publikum als erstes den Rücken zu, beschäftigen sich mit ihrem Laptop, der Funkmaus und den Tücken von Windows. Wenn Sie ein Publikum in Ihren Bann ziehen wollen, nehmen Sie Blickkontakt auf. Denn der Volksmund irrt: Der Schalk sitzt nicht im Nacken sondern im Gesicht! Ein Lächeln wird über 70 Meter weit wahrgenommen und als aggressionsmindernd empfunden. Wer lächelt, darf dem anderen näher kommen. Riskieren Sie es!

Vorsicht Falle: Oft werden Räume abgedunkelt, um die ach so entscheidenden Folien besser sehen zu können. Der Redner selber steht dann an einem Pult mit einer kleinen Leselampe. Die Folge: Ihr Gesicht wird von unten beleuchtet und Sie sehen aus wie Graf Dracula persönlich. Wenn Sie auf einem Bestatterkongress sprechen, sorgen sie für genau diese Beleuchtung. Für alle anderen gilt: Ihr Gesicht muss hell sein! Ein Spotscheinwerfer neben der Projektionsfläche wirkt Wunder! Der Komiker rät: Sie wollen das Kostbarste von Ihrem Publikum: Aufmerksamkeit! Stellen Sie sich Ihren Vortrag wie einen kleinen Flirt vor, ein platonisch-erotisches Aufeinandertreffen. Am besten, Sie suchen sich einzelne Augenpaare, die halbwegs wach und freundlich zurückschauen. Damit der Funke überspringt, tun Sie genau das, was Sie auch bei einem einzelnen Menschen tun würden, um einen sympathischen Eindruck zu machen: anschauen und lächeln. Und dann erst den Mund aufmachen.

3. Gemeinsamkeiten schaffen Sympathie, Small Talk bringt hohe Rendite. Warum beginnen so viel englischsprachige Vortragende mit einer kleinen Anekdote über den Weg vom Flughafen? Es ist charmant. Die Botschaft: Ich bin zwar Experte für XY, aber auch ein Mensch, mir passieren wie euch komische und manchmal dumme Geschichten. Vor dem inhaltlichen Einstieg eine kleine Begrüßung, ein Auftauen, ein Scherz auch auf eigene Kosten ist Gold wert. Je spezifischer dieser Einstieg zu Ihnen, dem Publikum und der Situation passt, desto besser. Zur Vorbereitung kurz überlegen: Was verbindet die Menschen hier, was haben Sie gemeinsam erlebt, welche Themen beschäftigen Sie. Eine nette Bemerkung über die Stadt, die Taxifahrt, die Kaffeepause, den bisherigen Höhepunkt des Kongresses etc. zahlt sich aus.

Vorsicht Falle: „Das erste Dia bitte“ – wer so anfängt, hat schon verloren. Der Komiker rät: nicht mit der Tür ins Haus fallen, erst anklopfen und Hallo sagen. Sinngemäß sollten die ersten Worte nicht viel mehr sagen als: „Schön haben Sie es hier. Ich bin ein Mensch. Ich hab Ihnen etwas mitgebracht, was Sie interessieren könnte.“ Nur anders.

4. Gib mir den Krimi, nicht den Mörder. Warum lesen wir Kriminalromane? Um zu erfahren, wer es war? Nein, dann würden wir gleich hinten lesen. Wir lieben die Geschichte, die Reise, die Spannung. Ein guter Redner berücksichtigt das. Und wenn das Thema selber keine Geschichte her gibt, ist es lohnend, zu erklären, was einen selber zu dem Thema geführt hat, welcher Zufall, welche Person, welche Frage. Der sicherste Weg andere zu begeistern, ist selber von seiner Sache begeistert zu sein. Erzählen Sie, was sie wirklich antreibt, sich mit XY zu beschäftigen.

Vorsicht Falle: Wer ausstrahlt „Ich bin der Experte, Ihr dürft froh sein, dass ich heute mein herrschaftliches Wissen mit Euch teile“, ist schnell isoliert. Der Komiker rät: Die Haltung des Komikers ist, sich über Dinge zu wundern, zu fragen, warum das so sein muss, was dahinter steckt. Diese kindliche Neugier treibt im Kern auch die Wissenschaft. Es ist keine Schande, zu seiner Neugier zu stehen, im Gegenteil. Fragen sind interessanter als Antworten.

5. Sandwiches heißen nach dem Belag, nicht nach dem Brot. Humorvoll präsentieren heißt nicht: ein Witz am Anfang, aber „jetzt zum eigentlichen Thema“. Statt Witzen empfehle ich Einsteigern daher Bonmots, Zitate, Anekdoten, ein lustiges Foto, ein Cartoon, sprich, alles was die Sprachebene wechselt und überrascht. Ihre Aufgabe ist es, etwas zu finden, was als „Belag“ zu Ihrem „Brot“, Ihrer Botschaft passt. Ein Beispiel: Erste Scheibe Brot: „Heute ist mein Thema Qualitätsmanagement. Wie wichtig das ist, wurde mir neulich klar als ich las: (Belag) Nur weil sich niemand beschweren kommt, heißt das nicht, dass alle Fallschirme gut funktionieren! (Rückführung zum Brot) Was heißt das für uns – wie bekommen wir eigentlich mit, was mit unseren Produkten passiert, welche Fehler auftauchen und wie zufrieden unsere Kunden sind?“

Vorsicht Falle: Zusammenhangslose Gags verstören eher, als dass sie erheitern. Der Komiker rät: Wann immer Sie etwas selber lustig finden, sofort sammeln! Sprüche notieren, Cartoons ausschneiden, Fotos machen. Packen Sie sich eine Humorschatzkiste. Vor Ihrem Vortrag systematisch sortieren: Was passt zu meinen Botschaften? Damit das Publikum Ihre Botschaften „schluckt“, braucht es mehr als Knäckebrot!

6. Humor ist machbar. Sie haben einen unschätzbaren Vorteil gegenüber jedem Komiker: Von Ihnen erwartet niemand etwas Lustiges! Umso leichter übertreffen Sie alle Erwartungen, wenn Sie einen originellen Einstieg ins Thema finden, zwischendrin ein verdauungsförderndes „Sandwich“ anbieten und mit einem schönen Dreh enden. Das ist zu schaffen!

Vorsicht Falle: Auch den größten Redner unterläuft manchmal mehr Komik als geplant. John F. Kennedy sagte: Ich bin ein Berliner, anstatt nur zu sagen: Ich bin Berliner. Was ihm später erst ein Übersetzer steckte. „Mr President – you just said: I am a jelly doughnut.“ Der Komiker rät: Wenn etwas unvorhergesehen lustig ist – genieße es!

7. In der Kürze… Comedy is timing. Vorsicht Falle: Kurt Tucholskys Ratschläge für einen schlechten Redner gelten bis heute. „Kündige den Schluss an, und dann beginne Deine Rede von vorne. Dies kann man mehrere Male wiederholen.“ Der Komiker rät: Aufhören lässt aufhorchen. Und aufatmen. Jedem Redner ist man irgendwann dankbar. Spätestens nach dem Ende! Besser schon vorher.

7,5. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, wohl aber auf die Schnauze. Üben, üben, üben! Vorsicht Falle: Ohne Proben ganz nach oben? Der Komiker rät: Übe da, wo es weniger weh tut, wenn du scheiterst. Im Gespräch, am Telefon, im kleinen Kreis. Und richtig locker bist du vor Publikum erst, wenn du mit Freude auch mal scheitern kannst. Das Publikum liebt dich genau für diesen Mut – ein Lächeln zu riskieren. Viel Spaß!

Von Eckart von Hirschhausen

ZUR PERSON

„Zauberhafter“ Mediziner
Eckart von Hirschhausen, Jahrgang 1967, studierte Medizin an der Freien Universität Berlin, in Heidelberg und in London. Er arbeitete als Arzt bis 1994 in der Kinderneurologie und promovierte magna cum laude. 1996/97 studierte er Wissenschaftsjournalismus an der Freien Universität Berlin und moderierte von 1998 bis 2003 die wöchentliche Ratgebersendung service: gesundheit im hr-fernsehen. Seit Januar 2004 verfasst Eckart von Hirschhausen „die etwas andere Medizinkolumne“ für das Magazin „stern“.
Bereits seit Mitte der 90er-Jahre steht der Stand-up-Comedian, Moderator und medizinische Kabarettist auf der Bühne. Hirschhausen ist Deutscher Meister der Zauberei und Gewinner zahlreicher Kabarettpreise. Er ist regelmäßig zu sehen in den renommierten Kabarett- und Comedy-sendungen wie „Ottis Schlachthof“, „Quatsch Comedy Club“ und „Mitternachtsspitzen“ und ist beliebter Talkshow-Gast u.a. der „NDR-Talkshow“, „3 nach 9“, „Menschen der Woche“, „Riverboat“.
Eckart von Hirschhausen ist inzwischen einer der gefragtesten Humortrainer in Deutschland. Als Keynote-Speaker und als Coach berät er große Unternehmen und trainiert Führungskräfte in Sachen Lachen, Kreativität und Stressmanagement.
Mit seinem aktuellen Programm „Glücksbringer“ tourt Eckart von Hirschhausen erfolgreich durch Deutschland.
In Berlin ist er zu sehen in den Berliner Wühlmäusen. Die nächsten Kabarettabende: 26. Juni, 4. September und 25. September 2006, um 20 Uhr.
Karten: Die Wühlmäuse, Pommernallee 2-4, 14052 Berlin, Telefon: 030 / 30 67 30 11, E-Mail: info@wuehlmaeuse.de
TV-Hinweis: Am 27. Juli um 23 Uhr ist Dr. Eckart von Hirschhausen mit „Glücksbringer“ im ZDF zu sehen. FU