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Ein Wunschzettel aus der Freien Universität Berlin

EINE INVESTITION FÜR DIE ZUKUNFT: Reform der Bildungssysteme

1. Deregulierung: Seitdem der Bund in den 70er Jahren eine Rahmenkompetenz für die Hochschulen beansprucht und wahrnimmt, ist die Regulierungsdichte gestiegen: Ein im Umfang gewachsenes Hochschulrahmengesetz, daran orientierte Landeshochschulgesetze, Besoldungsgesetze, Hochschulzulassungsgesetze, Lehrerausbildungsgesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, Richtlinien usw. usw. Wir wünschen uns Politiker, die nicht alles im Griff des Staates sehen wollen, sondern darauf vertrauen, dass rationale Wissenschaft sich selbst den richtigen Weg zum Erfolg in Forschung und Lehre sucht. Es genügt, wenn Hochschulen mit dem Staat Zielvereinbarungen über die erwarteten Leistungen wissenschaftlicher Arbeit treffen: Absolventen, Drittmitteleinwerbung, Gleichstellung etc.

2. Internationalität: Die deutschen Universitäten sind nicht mehr maßgeblich in der internationalen Spitzenwissenschaft. Aber sie könnten es wieder werden. Dazu ist eine konsequente offensive Politik erforderlich. Auf der einen Seite Anpassung an internationale Entwicklungen wie BA – MA bei der Ausbildung oder die erfolgreiche Verwertung von Patenten für das Budget der Universität. Auf der anderen Seite aber auch der Wille zur Selbstbehauptung, wenn es zum Beispiel um die Wissenschaftssprache Deutsch geht oder um die offensive Werbung im Ausland für ein Studium an deutschen Universitäten. Internationale Absolventen deutscher Universitäten sind die besten Botschafter deutscher Wissenschaft und akademischer Freiheit, die noch längst nicht überall auf der Welt herrscht.

3. Leistung: Die deutschen Universitäten haben in den letzten Jahren einen beispiellosen Leistungsschub nach vorn erlebt. Dieses mit spärlichen Mitteln und teilweise unter dem Eindruck respektloser Kommentare über vermeintlich faule Professoren. Anerkennung, geschweige denn finanzielle Anreize, hat es für die Leistungen nicht gegeben. Anstelle dessen existiert eine neue Besoldungsordnung für Professorinnen und Professoren, deren Leistungen in beispiellosen bürokratischen Prozessen bewertet und dauerhaft oder vorübergehend honoriert werden sollen. Und das Ganze, ohne dass ein Cent mehr ausgegeben werden darf als vorher – international chancenlos.

4. Finanzierung: Im deutschen Hochschulsystem fehlen jährlich rund 10 Milliarden Euro. Mit dieser Summe könnte die deutsche Hochschule aus dem letzten Finanzierungsdrittel im OECD-Vergleich in das erste aufsteigen. Das Geld wäre allerdings vergeudet, wenn es in das bestehende, staatlich überregulierte Hochschulwesen investiert würde. Insofern ist der Exzellenzwettbewerb ein Schritt in die richtige Richtung. Es wäre allerdings fatal, wenn dabei außer einer Handvoll „Spitzenuniversitäten“ die restlichen 90 auf der Strecke blieben. Deutschland braucht künftig nicht weniger, sondern mehr Hochschulabsolventen und nicht zweitrangige, sondern möglichst viele erstrangige.

Univ.-Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin