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Weshalb haben wir Urlaub?

Leser fragen, Forscher antworten

Martina Seifert aus Wilmersdorf möchte wissen, warum Erwerbstätige eine von der Arbeit befreite Zeit genießen können, die wir „Urlaub“ nennen. Vom Willy Scharnow-Institut für Tourismus antwortet Dr. Hasso Spode.

Urlaub meinte einst die Erlaubnis, sich von der Truppe oder vom Fürstenhof für einige Zeit zu entfernen. Goethe reiste noch unerlaubt durch Italien, in steter Furcht, nach Weimar zurückbeordert zu werden. Als bezahlte Freistellung von der Arbeit wurde der Urlaub erstmals für Staatsdiener im Kaiserreich eingeführt; Spitzenbeamte erhielten volle sechs Wochen. Bald folgten die (leitenden) Angestellten, doch nur zehn Prozent der Arbeiterschaft zählten zu den Glücklichen, denen der Fabrikherr einige Tage im Jahr frei gab. Mit der Anerkennung der Gewerkschaften in der Weimarer Republik 1918 erhielt erstmals die Mehrheit der abhängig Beschäftigten Urlaub, allerdings meist weniger als eine Woche. Um das „Herz der Arbeiter“ zu gewinnen, verbesserten die Nazis den Urlaubsanspruch. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Urlaubsdauer in Ost- und Westdeutschland auf drei beziehungsweise vier Wochen. Derzeit stehen diese tariflichen Leistungen, zumal das Urlaubsgeld, freilich „auf dem Prüfstand“.

Von Anbeginn wurde der bezahlte Jahresurlaub dazu genutzt, zur Erholung oder zum Vergnügen zu verreisen – ohne Urlaub kein Massentourismus. Um 1900 dominierte dabei die privat organisierte, klassisch-bürgerliche Inlandreise. Tourist zu sein, war das Privileg der besser Gestellten. In der Weimarer Republik wurde zwar versucht, preiswerte „Volksreisen“ mit Sonderzügen zu organisieren, doch erst die nationalsozialistische Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) setzte diese Idee in großem Stil um. 1934 bis 1939 fuhren acht Millionen „Volksgenossen“ mit KdF in die Ferien, davon fast ein Zehntel mit der „KdF-Flotte“ an Traumziele wie Madeira – ein enormer Propagandaerfolg. Die DDR setzte dann weiterhin auf subventionierten Staatstourismus, der über den FDGB-Feriendienst organisiert wurde; Hauptziel war die Ostsee, später kamen die „Bruderländer“ hinzu. In Westdeutschland überwog zunächst die Individualreise. Doch mit den billigen Flugpausschalreisen setzte auch hier um 1970 der organisierte Massentourismus ein. Heute wird zwischen „Urlaub haben“ und „Urlaub machen“ kaum noch unterschieden. Drei Viertel der Deutschen verreisen jedes Jahr. Das Historische Archiv zum Tourismus (HAT) des Willy Scharnow-Instituts bietet reiches Material zu diesen Themen.