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Nutzt Eure Chancen!

Leser fragen, Forscher antworten

„Zweitausend Studienplätze ungenutzt“ – so hören wir aus der Politik, und für Sie, liebe Schülerinnen und Schüler, und für Ihre Eltern entsteht der Eindruck, als ob die Universitäten begabten jungen Physikerinnen, brillanten Chemikern, Biologen und Informatikerinnen den berechtigten Zugang zu einem Studium verwehren.

Noch vor wenigen Semestern schrieben sich in die naturwissenschaftlichen Studiengänge zahlreiche Studierende ein, die zum größten Teil die Universität nicht als erfolgreiche Naturwissenschaftler verließen, sondern auf der Strecke blieben. Sie studierten unerkannt in dem Fach ihres eigentlichen Interesses, in das sie wegen eines hohen externen Numerus Clausus nicht gelangten. Die Folgen für die regulär Zugelassenen liegen auf der Hand: überfüllte Seminare in beliebten Fächern, obgleich es nur begrenzte Zulassungszahlen gab, und das Gegenteil in Fächern, die als schwierig gelten. Statistisch erscheinen die „No Shows“ als „Drop Outs“.

Was tun? Theoretisch denkbar wäre die Schließung naturwissenschaftlicher Fächer mangels Nachfrage, der Umbau der Labors in Fast-Food-Küchen und die Verschiffung unserer Spitzenwissenschaftler in die USA oder nach China. Das ist die Vision von Finanzpolitikern. Immerhin würden die Hochschulen dann ausreichend Personal zur psychosozialen Betreuung der weiter steigenden Zahlen erwerbsloser Akademiker bereitstellen. Denn das ist klar: Wenn in Deutschland und insbesondere in Berlin nicht genügend Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieure ausgebildet werden, verlegt die Industrie ihre Entwicklungseinheiten ins Ausland und sicher nicht in unsere geliebte Heimatstadt Berlin. Deshalb werden wir selbstverständlich unsere Labors aus- und nicht abbauen und die besten Köpfe in diesen Fächern an die Freie Universität holen. Die besten Köpfe: Professoren und Studierende. Das sind Sie!

„Was ich – mit meiner ausgeprägten Sprachbegabung und dem Wunsch anderen Menschen zu helfen?“ – Ja, Sie: Denn Sie haben ein Vorurteil gegenüber Naturwissenschaftlern: Das sind keine autistischen Tüftler mit sozialer Inkompetenz, sondern klar denkende Menschen, die verantwortungsvoll für die materiellen Grundlagen unserer Gesellschaft wirken. Sie haben die besten Beschäftigungschancen und keineswegs alle einen Notendurchschnitt von 1,0 im Abitur. Sie arbeiten an der Freien Universität als Biologen, Chemikerinnen oder Physiker an der Untersuchung der Moleküle, die unsere Welt zusammenhalten, als Geowissenschaftler an der Entdeckung und Beseitigung von Giftstoffen in unserer Umwelt oder als Veterinärmedizinerinnen daran, unsere tägliche Nahrung, Eier, Milch und Fleisch vor Krankheitserregern zu schützen. Das sind Beispiele von vielen Tätigkeiten, die übrigens während der „Langen Nacht der Wissenschaften“ in Dahlem (11. Juni 2005, 17 bis 1 Uhr) gezeigt werden.

Kommen Sie deshalb zu uns und lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien kein Einstein und deshalb ungeeignet. Denn Sie wissen ja: Er war in der Schule kein Einser-Kandidat. Aber Achtung: Umkehrschlüsse sind nicht erlaubt! Sie haben die Logik verstanden? Dann steht einem Studium der Mathematik nichts mehr im Wege. Ich freue mich auf Sie!

Von Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin.