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Goldgräberstimmung

Studierende der Freien Universität gründen neues Literaturmagazin für Berlin


„Am Mute hängt der Erfolg“ wusste schon Fontane. Mut, der ist nicht weit entfernt von Wagemut, und der wiederum ist ein enger Freund des Risikos. Ein Schattenwesen, dem man sich nicht gern anvertraut. Oder etwa doch? Studierende der Literaturwissenschaft der FU haben es dennoch getan: Sie haben ein Literaturmagazin gegründet. Noch dazu eines, das Aufsehen erregt: weil es jung ist, weil es unabhängig ist und Besitzstände angreifen könnte, weil niemand dafür bezahlen muss und weil es die Farbe trägt, nach der es heißt – Gold.

Den Namen des Edelmetalls in den Titel zu heben, wirkt wie eine Provokation in einer Stadt, die ihr Tafelsilber verkauft, um sich zu erhalten. Dass diese Stadt zwar finanziell arm, aber kulturell und intellektuell gesehen sehr reich ist, war einer der Beweggründe „Gold“ zu gründen. Die Macher haben sich viel vorgenommen und nicht zufällig haben sie ihre im November erschienene Nullnummer mit „Risiko“ betitelt. „Gold machen ist Risiko“, geben die Redakteure im Vorwort zu: „Es geht um das kreative und existenzielle Risiko der Autoren, das ökonomische Risiko der Klein- und Kleinstverlage, das Risiko, literarischen Experimenten Raum zu geben.“ Das klingt viel versprechend.

Die Testausgabe ist eine Augenweide. Vom handlichen Format über ein wunderschönes Layout, außergewöhnliche, natürlich goldfarbene Illustrationen, und eine Papiersorte, die jedem Bibliophilen wohl tut. Auch inhaltlich sieht man dem Erstling den Sinn für Qualität an. Der Leser erlebt die Autoren beim Gespräch mit Detlef Bluhm über die verlegerische Wetterlage in Berlin, er erfährt etwas über die Gelegenheitsprosa des Schriftstellers Jurek Becker und wird Zeuge dessen, was sich auf einer Berliner Lesebühne jenseits der Textvorlage abspielt.

„Wir haben Lust zu schreiben. Können wir nicht etwas zusammen machen?“ Kurz nach dieser Frage – gestellt von Studierenden der Literaturwissenschaft der FU – wurde die Gold-Idee im Seminar von Privatdozent Hans-Joachim Neubauer geboren. Und sie konnten. Mit Neubauer stand ihnen nämlich nicht nur ein Hochschullehrer, sondern auch ein gestandener Journalist und geübter Blattmacher zur Seite.

Aus der Idee vom vergangenen Sommer wurde ein Konzept. Und aus dem Konzept wurde ein erstes Blatt. Beteiligt sind Graphikdesignerinnen und Illustratoren der Potsdamer Fachhochschule für Gestaltung; Sie sorgen für das professionelle Design.

„Gold“ ist nicht das einzige Magazin, das sich an die Literaturfreunde in Berlin und Umgebung wendet. „Wir haben festgestellt, dass es unter den Umsonst-Zeitungen keine gibt, die unseren Ansprüchen genügt", sagt Neubauer. Mit „Gold“ wollen die 26 Redakteure und zwei Gestalterinnen beweisen – es geht auch anders. Dafür legen sie sich mächtig ins Zeug, porträtieren mit viel Enthusiasmus und fast ohne Geld Menschen und Orte, durch die Literatur in Berlin lebendig wird. Den Monatskalender literarischer Veranstaltungen in der Heftmitte sieht der Dozent als Service, den die Konkurrenz in dieser Form vermissen lässt.

Ein Magazin wie „Gold“ zu machen, sei „extrem harte Arbeit“, so Neubauer. Für seine Autorinnen und Autoren hat der Wissenschaftler und Journalist viel Anerkennung: Seinen eigenen Beitrag betrachtet der Mittvierziger bescheiden. „Ich bin nicht Big Brother, der über allem wacht. ,Gold‘ ist vor allem das Werk der Studenten."

Da sich alle Beteiligten viel zutrauen, verlagert das Redaktionsteam seine Arbeit aus Seminarräumen und Kneipen nun in ein eigenes Ladenbüro im Weddinger Kiez. Von hier aus berichten die studentischen Literaturagenten nun monatlich von den Off-Orten der Szene mit ihren Newcomern als auch aus etablierten Institutionen und über deren Prominenz. Man wünscht dem Projekt viele Leser und nicht zuletzt das Geld von Unterstützern und Anzeigenkunden. „Gold“-Fans gibt es schon, die Gründung eines Freundeskreises steht bevor. Wer Mitglied wird, bekommt gegen eine geringe Gebühr „Gold“ frei Haus.

Das Literaturmagazin erscheint monatlich in einer Auflage von 10 000 Exemplaren. Es liegt in Kulturinstitutionen, Universitäten, Cafès, Bibliotheken und Buchhandlungen aus. Die nächste Ausgabe erscheint Ende Februar. Ihr Thema: „Infektion“.

Weiteres im Internet: www.goldmag.de, Email: redaktion@goldmag.de

Von Anke Assig