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Auf Proteine spezialisiert

Gestresste Pflanzen, zerknüllte Proteine und bestechliche Zellwächter – das sind die jeweiligen Gebiete der drei neu berufenen Professorinnen Tina Romeis, Petra Knaus und Beate Koksch

Starke Sonneneinstrahlung, plötzlicher Frost, Nährstoffmangel, Pilzbefall, gefräßige Insekten oder verseuchte Böden – all das macht Pflanzen arg zu schaffen. Um sich zu retten, leitet das Grünzeug beherzt den hypersensitiven Zelltod betroffener Blattflächen ein. Doch bevor es soweit kommt, läuft das pflanzliche Immunsystem auf Hochtouren, um Stressauslöser zu identifizieren, geeignete Abwehrmechanismen anzuknipsen und ein biochemisches Feuerwerk zu entzünden.

An der Stressverarbeitung in Pflanzen sind CDPK's (englische Abkürzung für Calmodulin-unabhängige Protein-Kinasen) beteiligt, eine Familie von über 30 Calcium abhängigen Enzymen, die weder bei Mensch noch Tier ihr Pendant finden. Die Signalwege sind noch weitgehend unbekannt. Kennt man erst die Mechanismen – etwa von Hitze- oder Kälteresistenz – lassen sie sich auf empfindliche Pflanzenarten übertragen. So gedeihen diese dann auch in unwirtlichen Gegenden der Erde. „Leider hinkt die Signaltransduktions-Forschung bei Pflanzen der bei Mensch und Tier um rund zehn Jahre hinterher,“ sagt Tina Romeis. Das will die 39-jährige C4-Professorin ändern.

Schon mit 18 züchtete sie Hafer und beobachtete, wie er auf das Begießen mit Schwermetallen reagiert. Um „Grüne Biochemie“ zu studieren, ging die Fränkin nach Tübingen. Am dortigen Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie bot ihr Prof. Höltje Diplom- und Doktorarbeit an. Mit dem Bakterium E. coli. fing sie buchstäblich „ganz klein“ an, promovierte dann über dessen Penicillin bindende Proteine. Als Postdoc widmete sie sich an der Universität München einem Pilz, der Pflanzen piesackt.

1997 fand sie endlich einen Weg zurück zur Pflanze. Am renommierten Sainsbury Laboratorium im englischen Norwich untersuchte sie die Aktivierung der Pathogen-Resistenz in Tabakpflanzen. Ein Leben, umgeben von gepflegten Gartenlandschaften, blieb nicht ohne Folgen. Bei der sonst eher forschen Wissenschaftlerin, die sich privat seit ihrer Jugend der Klaviermusik und dem Military-Reiten verschrieben hatte – sie brachte es bis zur bayerischen Vizemeisterin – schlich sich eine Leidenschaft für üppige Kamelien ein.

2001, ausgezeichnet mit dem Sofja Kovalevskaja Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung, kam sie an das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln. Sie gründete ihre eigene Gruppe (Arbeitsgebiet: Stressantwort der Pflanze) und habilitierte sich nebenbei extern in München. Seit Oktober vertritt Romeis an der FU die Biochemie der Pflanzen. Von der Hochleistungsforschung an die Universität – das wirkt auf sie, als würde ein Fahrstuhl abrupt abgebremst. Die Labore sind Baustellen, und ihre Mitarbeiter noch in Köln. Doch sie brennt darauf, bald wieder volle Fahrt aufzunehmen, um den Pflanzen weitere Antistress-Rezepte zu entlocken. Schließlich sollen auch ihre Kamelien einmal dem Berliner Winter trotzen können.

Nur wenige Kilometer entfernt, im Otto Hahn Bau, kämpft sich Petra Knaus durch Bauschutt und Plastikplanen. Das Gebiet der 43-jährigen Biochemikerin sind ebenfalls Signalwege – allerdings die beim Menschen. Sie erforscht Botenstoffe des Typs TGF- (englisch: TGF-beta für Transforming growth factor-beta), die an Rezeptoren auf der Zelloberfläche andocken und dadurch Signalkaskaden im Zellinneren auslösen. Die Proteinfamilie mit über 30 Mitgliedern, erfüllt viele Aufgaben bei der Zellbildung, Differenzierung, Wanderung und auch beim programmierten Zelltod, der Apoptose. Bestimmte Vertreter, die BMP's, mischen bei der Regeneration von Knochen, Knorpeln oder Nerven mit. Diese Prozesse sind Grundlagen für den derzeitigen Forschungsschwerpunkt von Knaus Arbeitsgruppe.

TGF- selbst kontrolliert das Zellwachstum, gibt als Inhibitor das Signal „teile dich nicht!“ Leider spielt er auch eine fatale Rolle bei der Tumorentstehung. Denn Krebszellen bringen den „Guten“ dazu, ihr Zerstörungswerk zu unterstützen. Aus dem Inhibitor wird ein Promoter. Wie ist noch unklar. Aber sobald die Zelle TGF- resistent wird, teilt sie sich immer schneller und produziert vermehrt TGF-, wodurch das Wachstum gesunder Nachbarzellen gehemmt wird. Damit schafft sich der Tumor Platz, um sich auszubreiten. Auch wenn der Krebs „mobil macht“, zu metastasieren beginnt, sind diese Proteine beteiligt. Knaus sucht nach den Ursachen für diese Fehlschaltungen.

Erste TGF-Rezeptormutationen fand sie bereits am Whitehead Institute des MIT (Cambrigde), wo sie – nach Studium und Promotion in Heidelberg – vier Jahre bei dem Zellbiologen Harvey Lodish arbeitete. Dort merkte Knaus bald, dass Spitzenforschung nicht nur auf harter Arbeit basiert. „Ein stimulierendes wissenschaftliches Umfeld, gutes Equipment, Computerspezialisten in Reichweite sowie eine Cafeteria mit langen Öffnungszeiten erleichterten das Arbeiten bis in die Nacht.“ 1996 baute sie ihre eigene Gruppe am Biozentrum Würzburg auf, und habilitierte sich dort 2002.

Petra Knaus, die sich als „aktive Person“ bezeichnet und mit ihrer Familie gern ferne Länder bereist (Favoriten sind Neuseeland, Cuba und Israel), begeistert sich für Kunst und Kultur. Ihre 13- und 17-jährigen Töchter stöhnen bereits über die „gute Kondition“ der Eltern, die mit ihnen an den Wochenenden unermüdlich durch Berlins Ausstellungen und Museen (am liebsten Kunst, Geschichte und Technik) streifen. „Bei aller Faszination für Forschung“, sagt Knaus lächelnd, „einen gesunden Menschen macht doch auch das Drumherum aus.“ Da kam der Ruf an die FU gerade recht.

Proteine sind auch das Thema von Beate Koksch, die nun am Institut für Chemie die C3-Professur für Naturstoffchemie inne hat. Sie interessiert sich für Strukturänderungen, die Eiweißstoffe regelrecht „zerknüllen“ und dadurch funktionsuntüchtig machen. Denn Umfaltungsprozesse in diesen großen Biomolekülen – speziell die Umwandlung helikaler Strukturen in Faltblätter – sind die Ursachen verschiedener neuro-degenerativer Erkrankungen, wie beispielsweise von Alzheimer oder BSE. Änderungen in der dreidimensionalen Struktur führen zu Plaquebildung, also zur Ablagerung Gewebe schädigender Proteinaggregate.

Die 36-Jährige untersucht an einem Modellpeptid den Einfluss der Anordnung der Protein-Bausteine auf diese Strukturumwandlungen. Ihr Ziel ist es, so genannte „Peptidschalter“ zu entwickeln, die in der Lage sind zwischen Helix und Faltblatt umschalten können. Die Aufklärung dieser Mechanismen ist die Basis für die Entwicklung von Therapeutika zur Rückfaltung pathogener Plaques in intaktes Protein.

Beate Koksch studierte und promovierte in Leipzig. Dorthin kehrte sie auch nach einem Forschungsaufenthalt in Kalifornien zurück, um an der Universität ihre eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Bei der Teamleitung und der Motivation ihrer Mitarbeiter helfen ihr auch Erfahrungen aus der Zeit am renommierten Scripps Institute (La Jolla). „Forscher sollen brennen für ihr Fach und Spaß haben an der Arbeit“.

An Berlin reizen sie Kunst und Kultur. Aber dafür sowie für Sport, Tanz und Aquarellmalerei bleiben im Moment kaum Zeit. Die Forschung hat Priorität. Mit der Schering AG verbindet sie bereits ein anderes Projekt: nicht-natürliche Aminosäuren. Diese können einerseits therapeutischen Proteinen zu mehr Stabilität gegenüber abbauenden Enzymen (Proteasen) verhelfen, andererseits die Stabilisierung bestimmter räumlicher Strukturen vermitteln. Das könnte sehr nützlich sein, um die Verschmelzung des HI-Virus mit humanen Zellen zu verhindern. Denn kann das Virushüllprotein gp41 beim Zellkontakt nicht die „Idealform“ (induced fit) einnehmen, vermasselt ihm das die eigentliche Infektion. Beate Koksch arbeitet an den Grundlagen für die Inhibition der HIV-1-Infektion.