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Der Technik nicht blind vertrauen

17.02.2017

Forscher mahnen einen kritischen Umgang mit technischen Systemen an und empfehlen klare Führungsstrukturen im Cockpit.

Forscher mahnen einen kritischen Umgang mit technischen Systemen an und empfehlen klare Führungsstrukturen im Cockpit.
Bildquelle: unsplash.com / CC0 1.0

Als die Air France-Maschine 447 im Juni 2009 in den Atlantik stürzte, kamen 228 Menschen ums Leben; vermeintlich wegen eines technischen Fehlers. Ursache war jedoch das Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine, wie eine aktuelle Studie von Professor Gordon Müller-Seitz von der Technischen Universität Kaiserslautern und Olivier Berthod von der Freien Universität Berlin ergab.

Sie gingen der Frage nach, wie die komplexe Technik an Bord, die eigentlich die Sicherheit des Fluges gewährleisten soll, dazu führen kann, dass Piloten sich bei einer Fehlermeldung derart unter Stress setzen lassen und falsch handeln.

Während des Flugs von Brasilien nach Frankreich hätten sich die Piloten der Dunkelheit wegen nur auf den Autopiloten und die Bordautomatik verlassen können, sodass sie nicht sehen konnten, in welcher Lage sich das Flugzeug tatsächlich befand, sagt Professor Müller-Seitz, der zu Strategie, Innovation und Kooperation forscht.

Als die Messinstrumente plötzlich falsche Daten zur Geschwindigkeit anzeigten, leitete der Copilot umgehend einen Steigflug ein: „Zur Fehlermeldung kam es, weil die Messsensoren eingefroren waren“, erläutert Professor Müller-Seitz. In Folge des Steigflugs erreichte das Flugzeug einen extremen Winkel, der zu einem Strömungsabriss führte. „Mittlerweile waren die Sensoren wieder aufgetaut und haben richtige Angaben geliefert, die die Piloten nicht mehr einordnen konnten“, sagt Olivier Berthod, der zur Organisationstheorie forscht.

Die Wissenschaftler beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit der sogenannten Soziomaterialität, dem Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Sie analysierten die Auswertungen des Flugschreibers, die Aufzeichnung der Gespräche im Cockpit und weitere Unterlagen.

„Solche Beispiele zeigen, welche Folgen es haben kann, wenn der Mensch sich zu sehr auf automatisierte Systeme verlässt und ihre Zusammenhänge aus dem Blick verliert“, sagt Berthod. „Die Copiloten waren mit der Situation überfordert und einer emotionalen Belastung ausgesetzt. Ihnen fehlte die Erfahrung, sie verfielen in Stress und Panik, anstatt Ruhe zu bewahren und als Team nach einer Lösung zu suchen“, sagt Müller-Seitz.

In ihrer Studie, die in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Management Inquiry“ erschienen ist, mahnen die Wissenschaftler im Umgang mit technischen Systemen zu reflektierter Wachsamkeit. Dies betreffe nicht nur Piloten, sondern auch andere Berufsgruppen, etwa Börsenmakler, deren Computerprogramme mit Millionen von Werten zugleich handeln.