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Mehr Theater im Klassenzimmer

Mit Dramapädagogik wird Literatur im Fremdsprachenunterricht lebendig - und das Lernen leichter

Märchen anders erzählt: Lehramtsstudierende lernen praktisch, wie sich Texte in Szene setzen lassen.

Märchen anders erzählt: Lehramtsstudierende lernen praktisch, wie sich Texte in Szene setzen lassen.
Bildquelle: Annika Middeldorf

Mit fragendem Blick schreitet Annika Rühlmann durch das Publikum. Auf dem Kopf trägt sie eine Krone aus Aluminiumfolie, in der Hand hält sie einen weißen Schuh.

Die 22-Jährige spielt den Prinzen auf der Suche nach Aschenputtel. „Is this yours?“, fragt sie die Umstehenden und erntet Kopfschütteln. „Have you lost this shoe?“ Vergeblich. Es findet sich kein passender Fuß zum Schuh.

Die Suche nach Aschenputtel spielt nicht im Theater, Annika Rühlmann und das Publikum sind Lehramtsstudierende an der Freien Universität Berlin. Beim Seminar zu dramapädagogischem Englischunterricht unter der Leitung von Dozentin Michaela Sambanis wird der Seminarraum zur Bühne.

Dramapädagogik nennt sich dieser ganzheitliche Ansatz, bei dem literarische Texte szenisch umgesetzt werden. „Der Grundgedanke ist, dass wir nicht nur mit Augen und Ohren lernen.

Vielmehr ist der ganze Körper am Lernprozess beteiligt“, sagt Michaela Sambanis, Professorin für Didaktik des Englischen an der Freien Universität. Seit elf Jahren setzt die Wissenschaftlerin, deren Interesse besonders der Schnittstelle zwischen Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften gilt, auf darstellende Arbeitsweisen in der Lehrerausbildung und im Fremdsprachenunterricht.

„Bei der Dramapädagogik werden Theatertechniken wie dem Rollenspiel, mit Standbildern oder durch Improvisation zum Leben erweckt. Das bringt nicht nur viel Spaß und Bewegung ins Klassenzimmer, sondern fördert die Schüler auch auf ganz unterschiedliche Weise“, sagt Michaela Sambanis.

Die Didaktikerin hat in ihren Studien eine enge Verknüpfung zwischen Bewegungslernen und Lernerfolgen belegen können: Werden Sprache und Bewegung miteinander gekoppelt, fällt es dem Gehirn leichter, sich an diese Kombination zu erinnern. So bleiben etwa Vokabeln länger im Gedächtnis und können besser abgerufen werden.

Der ganze Körper ist beim Lernen beteiligt

Der Spaß, den Schüler bei den improvisierten Theaterübungen haben, verstärkt den Effekt noch. „Wenn wir uns in einer Lernsituation wohlfühlen und gut gelaunt sind, verbindet unser Gehirn den Lerninhalt mit etwas Positivem. Daran erinnert es sich dann gern wieder“, erklärt Sambanis. Nach ihrer Habilitation im Jahr 2006 und mehr als zehn Jahren im Schuldienst übernahm sie die Projektleitung am Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm, bevor sie 2011 an die Freie Universität wechselte.

Dort vermittelt sie nun angehenden Lehrerinnen und Lehrern, auf welche Weise die Erkenntnisse der Hirnforschung das Lernen erleichtern können: „Es ist wichtig, dass die Studierenden wissen, was da eigentlich beim Lernen in unserem Kopf passiert.“ Neben den neurowissenschaftlich belegbaren Gründen, die für dramapädagogische Übungen im Klassenzimmer sprechen, werden mit der Technik auch soziale Kompetenzen vermittelt.

Gerade für Lehramtsstudierende zahle sich das Experimentieren mit Theatertechniken aus, sagt Michaela Sambanis: „Als Lehrer sind sie später in einem ausgesprochen performativen Beruf tätig.“ Nicht nur vor der Schulklasse, auch im Gespräch mit Eltern und Kollegen müssten Lehrer kommunikationsstark sein. Wer in seiner Studienzeit ein gestärktes Vertrauen in die eigene Person erwerbe und ein Gefühl für Wirkung sowie den Einsatz von Körperhaltung, Stimme und Bewegung, dem falle der Schulalltag mitunter leichter.

Überfachliche Schlüsselqualifikationen wie Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz würden durch die Dramapädagogik gefördert, sagt die Wissenschaftlerin. Dabei gehe es nicht darum, ein perfektes Stück auf die Bühne zu bringen. Wichtiger sei es, sich mit dem inszenierten Stück auseinanderzusetzen, in der Gruppe zu diskutieren und kreative Wege der Umsetzung zu finden: „Bei der Dramapädagogik ist der Entstehungsprozess wichtiger als das Ergebnis.“

Der spielerische Perspektivwechsel und das Auseinandersetzen mit den Rollen fördere außerdem die interkulturelle Kompetenz: Wie spielt man einen amerikanischen Teenager? Wie eine afrikanische Familie? Unterschiedlichste Themen können durch die Inszenierung erforscht und durch das Spiel beleuchtet werden.

Für ihre Seminar-Inszenierung an der Freien Universität wählte die Gruppe von Annika Rühlmann das Märchen-Genre. Die fünf Kommilitonen verbanden verschiedene Märchen der Gebrüder Grimm miteinander und erzählten so eine ganz neue Geschichte. Alle Gruppenmitglieder besetzten mehrere Rollen, einschließlich Kostümwechsel zwischen den Szenen.

„Wir hatten bei der Arbeit an unserem Stück viel Spaß, auch wenn es zeitaufwendig war“, sagt Jule Jürgens, alias Aschenputtel. Dass sich der Aufwand lohnt, erfuhr die Studentin im vergangenen Sommer während eines Schulpraktikums an der Leibniz-Schule in Kreuzberg. Dort inszenierten zwei ehemalige Teilnehmerinnen des Dramapädagogik- Seminars, die derzeit ihr Masterstudium abschließen, mit ihren Klassen Teile eines Shakespeare-Sonnets.

„Es war total beeindruckend zu sehen, wie viel Energie und Arbeit die Schüler dort investiert hatten“, schwärmt Jule Jürgens. Wie viele ihrer Kommilitonen möchte sie den dramapädagogischen Ansatz später für ihren eigenen Unterricht nutzen – damit auch ihre Schüler spielend besser lernen.

In ihrem Märchen hat sich für den weißen Schuh dann übrigens doch noch der dazugehörige Fuß gefunden – und Prinz und Aschenputtel wurden ein Paar. Allerdings riss es die beiden schon bald wieder auseinander: Der Prinz verliebte sich in Rotkäppchens Wolf und führte diesen vor den Traualtar. Aber das ist wieder eine ganz neue Geschichte…

Humor im Unterricht: Lächelnd lernen

Studientag der Englischdidaktik: Workshops zum Thema „Humor im Englischunterricht“

Mit Humor fällt vieles leichter, auch das Lernen. Zum Thema „Humor im Englischunterricht“ findet am 14. November 2014 der Studientag der Englischdidaktik der Freien Universität Berlin statt. In acht Workshops können Englischlehrerinnen und -lehrer fast aller Schularten und -stufen praxisorientierte Anregungen für einen fröhlicheren Englischunterricht bekommen.

In seinem Eröffnungsvortrag spricht der Münchner Didaktiker Werner Kieweg über dramapädagogische Inszenierungen sowie humorvolle Memotechniken und Übungsweisen. Auch in einigen Workshops geht es um die Verbindung von Dramapädagogik und Humor im Englischunterricht, etwa durch interkulturelle Rollenspiele, szenische Darstellung und Comedy.

Auf dem Programm stehen aber auch Angebote zu Spielen, witzigen Übungen für Aussprache und Grammatik, zum Einsatz animierter Kurzfilme oder sogenanntem „storytelling“. In Michaela Sambanis' Workshop wird es um das Thema Musik gehen: „Insbesondere Musik mit humorvollen Texten kann positive Emotionen ansprechen und den Lernprozess günstig beeinflussen“, sagt sie.

Die Teilnahme an dem Workshop ist kostenlos, eine Anmeldung ist – je nach Verfügbarkeit der Plätze – bis Mitte Oktober möglich.

Der diesjährige Studientag „Humor im Englischunterricht“ findet von 9 bis 16 Uhr im Seminarzentrum Freie Universität, Habelschwerdter Alle 45 in 14195 Berlin statt.

Weitere Informationen und Anmeldung

www.kurzlink.de/studientag_2014