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Krieg in den Sternen

10.04.2014

Science-Fiction-Darstellung eines sogenannten Anti-Satelliten, der als Waffe im Weltraum eingesetzt wird.

Science-Fiction-Darstellung eines sogenannten Anti-Satelliten, der als Waffe im Weltraum eingesetzt wird.
Bildquelle: Foto:Wikipedia / Federal Government of the United States

Wie Konflikte auf der Erde unsere Vorstellungen vom Weltraum prägten

Der Wunsch, die Erde zu verlassen, zum Mond, zum Mars, in ferne Galaxien aufzubrechen, den Weltraum zu erkunden und zu besiedeln, reicht lange zurück. Seit der Erkenntnis, dass die Erde nicht das Zentrum unseres Universums ist, sondern um die Sonne kreist, wurde der Weltraum literarisch und später auch filmisch immer wieder abenteuerhaft in Szene gesetzt.

Besonders friedlich ging es in der Science- Fiction-Literatur und auf der Leinwand allerdings selten zu. Jules Verne schickte schon 1865 im Roman „Von der Erde zum Mond“ mit einer Kanone ein Geschoss zum 384 000 Kilometer entfernten Erdtrabanten, weil ein Kanonen-Klub nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs ein neues kriegerisches Betätigungsfeld suchte. Und in H. G. Wells' 1898 veröffentlichtem Roman „Krieg der Welten“ greifen Marsbewohner in dreibeinigen Kampfmaschinen England an, um von dort aus die mit Rohstoffen und Wasserwohlausgestattete Erde in Gänze zu erobern.

Nicht nur in der Fiktion, sondern auch in Politik, Wissenschaft und Technik war die kriegerische Konfrontation im Weltraum – ob zwischen irdischen Staaten oder im Kampf gegen außerirdische Mächte – ein wiederkehrendes Motiv. Vom10. bis12. April widmete sich eine internationale Tagung an der Freien Universität Berlin der Militarisierung des Weltraums.

Die erste Rakete war mit einer Ladung Sprengstoff ausgestattet

„Bisher haben wir Astrokultur eher im optimistisch-visionären Sinne untersucht und nach Wechselwirkungen zwischen utopischen Wissenschaftsfiktionen und westeuropäischer Kultur gefragt“, sagt Alexander C. T. Geppert, der seit 2010 die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschergruppe„ Die Zukunft in den Sternen“ am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin leitet. „Jetzt schauen wir auf die andere, die dunkle Seite des Weltraums.“ Auf Gewalt, Krieg, Geld und die politischen und militärischen Interessen dahinter.

„Ohne ein militärisches Bedrohungsszenario auf der Erde wäre nicht so viel Geld in die Entwicklung von weltraumtauglichen Raketen investiert worden“, sagt Geppert. Kein Wunder, könnte man sagen, dass die erste Rakete, die von der Erde abhob und die Grenze zum Weltraum überquerte, mit einer Ladung Sprengstoff ausgestattet war. Die vom Chefingenieur der Nationalsozialisten Wernher von Braun entwickelte Rakete wurde unter dem Namen „V2“ – für „Vernichtungswaffe“ – während des Zweiten Weltkriegs mehr als 3000-mal auf England, Frankreich, Belgien und die Niederlande gefeuert.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine militärische Entwarnung – weder auf der Erde noch im Weltraum. Die beiden Bündnissysteme NATO und Warschauer Pakt lieferten sich einen Weltraumeroberungs- und Rüstungswettlauf, der mit der Erdumrundung Juri Gagarins 1961 und der Mondlandung Neil Armstrongs 1969 immer neue Etappensieger hervorbrachte.

„Wir wollten unterschiedliche Wissenschaftsfelder wie die Militärgeschichte oder die Forschung zum Kalten Krieg mit dem Thema Weltraum verknüpfen“, sagt Tilmann Siebeneichner, der seit 2013 im Rahmen der Forschergruppe die Rolle Europas in der Weltraumaufrüstung in den 1970er Jahren untersucht. Dass in jenem Jahrzehnt keine neuen Meilensteine im Weltraum zurückgelegt wurden, und das Wochenmagazin Spiegel im Februar 1971 sogar „Raumfahrt in Not“ titelte, bedeutete nicht, dass das Thema Aufrüstung im Weltraum ad acta gelegt war.

Zunehmend wurde eine dritte Kraft im Weltraum präsent. „Westeuropa brach die bisher bipolare Ordnung auf, und das ist insofern erstaunlich, als dass sie es in Gestalt der Weltraumorganisation ESA unter rein zivilen Vorzeichen tat“, sagt Siebeneichner. Das Verhältnis von ziviler und militärischer Raumfahrt – der sogenannte Dual Use oder doppelte Gebrauch – wurde auch während der Konferenz immer wieder thematisiert.

„Trotz der im Großen und Ganzen zivilen Rolle, die Europa und die ESA in der Weltraumrüstung spielten und angesichts ihrer vielen unterschiedlichen Mitgliedstaaten und Interessen, hat sich das technikgeprägte westliche Weltraumdenken seit mehr als 100 Jahren als dominant erwiesen“, sagt Jana Bruggmann, Mitglied der Forschergruppe.

Und so wurde in mehreren Vorträgen der Konferenz darauf eingegangen, wie Filme und Videospiele militärische Zukunftsvorstellungen beeinflussten. Ein besonderes, vielleicht aber unbeabsichtigtes Beispiel liefert dafür eine Persönlichkeit des frühen amerikanischen Kinos.

Der Schauspieler Ronald Reagan spielte 1940 in dem B-Movie „Murder in the Air“ einen Geheimagenten, der einem feindlichen Agentenring ein Überwachungssystem abzujagen versucht. Rund 40 Jahre später war Reagan Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und griff in dieser Funktion seine damalige Filmrolle wieder auf, sagen manche Kritiker. 1983 rief Reagan den Aufbau eines Abwehrschirms gegen sowjetische Interkontinentalraketen aus.

„Das SDI-Programm zeigt, wie Weltraum-Imagination in die Tat umgesetzt wurde – ironischerweise von ein und derselben Person“, sagt Siebeneichner. Dass Reagans SDI-Programm von Kritikern verunglimpfend als „Star Wars“ bezeichnet wurde und damit auf den von George Lucas 1977 inszenierten Science-Fiction-Meilenstein anspielte, störte Reagan anscheinend wenig. Er übernahm sogar den griffigen Filmtitel in sein politisches Programm.

Weitere Informationen

www.geschkult.fu-berlin.de/astrofuturismus