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Erster Berliner Queer History Month

20.02.2014

Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte unterstützt Bildungsangebot zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt und Antidiskriminierung

Mobbing aufgrund bestimmter sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität ist unter jungen Menschen zum präsenten Thema geworden. An deutschen Schulen und Freizeiteinrichtungen findet dieses Problem allerdings bisher noch wenig Beachtung. Anders als an englischen Schulen: Dort gibt es seit 2004 mit stetig wachsendem Erfolg jährlich einen Monat der „queeren“ Geschichte.

Der Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte der Freien Universität hat unter der Leitung von Professor Martin Lücke ein vergleichbares Projekt erarbeitet: Im Laufe des vergangenen Jahres wurde ein Internetportal entwickelt, auf dem Unterrichtsmaterialien, Handreichungen, ein Begriffsglossar und vieles mehr zur Verfügung gestellt werden. In diesem Februar ist der Queer History Month zum ersten Mal an Berliner Schulen gestartet.

Das Projekt setzt Martin Lücke gemeinsam mit der Bildungsinitiative QUEERFORMAT und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin um. Das Angebot gilt für Schulen und für Jugendfreizeiteinrichtungen und fordert dazu auf, sich in kleinen Projekten mit Aspekten von „queerer“ Geschichte, den Lebensweisen von Homo- und Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen, Menschenrechten, Vielfalt und Antidiskriminierung zu beschäftigen.

Wie das Thema jeweils behandelt wird, entscheiden die Teilnehmer selbst. So können sie beispielsweise Collagen erstellen, kleine Theaterstücke spielen, Texte schreiben oder auch einen Stadtrundgang zum homosexuellen Leben im Berlin der 1920er und 1930er Jahre unternehmen.

Für die Projektarbeit hat Martin Lücke gemeinsam mit Masterstudierenden des Lehramtsstudiengangs Geschichte Lernmaterialien zur Historie sexueller Vielfalt entwickelt und zum Download bereitgestellt. „Wir haben zuletzt, neben einigen anderen Themen, Unterrichtsmaterial zur Geschichte der Empfängnisverhütung im 20. Jahrhundert und zum Thema ,Der Harem im Osmanischen Reich‘ erstellt“, sagt Lücke. „Viele haben sehr klischeehafte Vorstellungen von Harems. Die erarbeitete Unterrichtsreihe soll diese falschen Vorstellungen aufklären und das einzigartige Verhältnis von Herrschaft und Geschlecht im osmanischen Harem zeigen.“

Auch außerhalb der Informations- und Kommunikationsplattform beteiligen sich Martin Lücke und seine Studierenden am Queer History Month: Sie unterrichten an verschiedenen Projekttagen zur Geschichte sexueller Vielfalt.

„Zum Beispiel nennen wir den Schülern historische Ereignisse zum Thema und lassen sie diese chronologisch einordnen. Beispielsweise, zu welchem Zeitpunkt Vergewaltigung in der Ehe verboten wurde, wann in Deutschland zum ersten Mal eine transgeschlechtliche Operation stattfand oder wann sich die erste Homosexuellenbewegung gegründet hatte.“

Die meisten Schüler seien überrascht, dass Vergewaltigung in der Ehe erst 1994 in Deutschland verboten wurde, erzählt Lücke. „Vieles hören die Schüler zum ersten Mal. Wir haben viel erreicht, wenn sie am Ende der Stunde sagen: Wir wollen uns weiter mit dem Thema beschäftigen.“

Noch ist der Queer History Month ein Pilotprojekt. Doch er soll in der Berliner Schul- und Bildungslandschaft verankert und jährlich veranstaltet werden. „Wir hoffen, zahlreiche Rückmeldungen und Berichte über die einzelnen Projekte in Schulen und Jugendeinrichtungen zu bekommen“, sagt Lücke. „Nach Berlin soll das Geschichtsprojekt möglichst auch in anderen Bundesländern weitergeführt werden.“