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Zu Gast: Suleiman Ali Mourad

26.09.2013

„Es hört doch jeder nur, was er versteht.“ Das sagte schon Goethe. Und Professor Suleiman Ali Mourad argumentiert entsprechend: Um mit anderen Kulturen erfolgreich kommunizieren zu können, müsse man ihren Glauben, ihre Bräuche und deren Ursprünge verstehen. Der renommierte Religionswissenschaftler stammt aus dem Libanon und lehrt am Smith College in den USA Islamische Geschichte und Religion. Als Alexander- von-Humboldt-Stipendiat forscht er an der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der dortigen Research Unit Intellectual History of the Islamicate World, die von der Islamwissenschaftlerin Professorin Sabine Schmidtke geleitet wird. Das Forschungszentrum untersucht die Geistesgeschichte in der Welt des Islam aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen.

„Religion spielt besonders in Islamischen Ländern eine große Rolle“, erklärt Suleiman Ali Mourad. Es sei deshalb wichtig, die Glaubensrichtungen zu studieren, um deren Rolle bei „persönlichen Entscheidungen von Menschen und im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zu verstehen“. Anders könne man beispielsweise die Vorgänge in den Ländern des sogenannten Arabischen Frühlings nicht begreifen und deren politische und ökonomische Probleme nicht lösen.

Religionen zu studieren, heißt für Suleiman Ali Mourad auch immer, Kulturen Respekt zu zollen: Eine Person, die wirklich versuche, religiöse Bräuche sowie die Geschichte und Kultur einer Gesellschaft zu begreifen, könne mit der positiven und anerkennenden Reaktion ihrer Mitglieder rechnen. Andersherum gingen Annäherungsversuche oft schief. Das sei nicht beschränkt auf die Islamische Welt, betont der Wissenschaftler: „Ein falscher Handschlag in China und du kannst dein Geschäftsabkommen vergessen, egal, wie viel Geld du an den Verhandlungstisch mitbringst.“

Nach Ansicht des Islamwissenschaftlers ist es auch für Muslime selbst von Nutzen, sich mit ihrem kulturellen Erbe und den verschiedenen Schulen des Islams auseinanderzusetzen. Das neue Projekt des Religionswissenschaftlers, in dessen Rahmen er in Berlin gemeinsam mit Wissenschaftlern der Freien Universität forscht, hilft dabei. Es handelt sich um die Annäherung an die Mutazila, eine einflussreiche, aber untergegangene Schule des Islams, die den Koran rationalistisch interpretierte, sich also an der menschlichen Vernunft orientierte.

Die größte Herausforderung bestehe darin, Originalquellen zu finden und zu erschließen. Die verstaubten Manuskripte mit Koranexegesen seien überall auf der Welt verstreut. Doch dies mache seine Arbeit auch spannend, sagt der Wissenschaftler, denn Verstehen komme nicht von ungefähr. So hat sich Suleiman Ali Mourad ursprünglich für moderne und zeitgenössische Politik des Nahen Ostens interessiert. Er habe aber schnell gemerkt, dass diese nur mit Wissen über die Geschichte der Region, die dort ansässigen Religionen und die Anfänge verbreiteter Ideen zu verstehen ist, sagt er.

Deshalb hat Mourad Geschichte des Nahen Ostens an der American University in Beirut studiert und wurde anschließend an der Yale University in den USA in dem Fach Arabische und Islamische Studien promoviert.