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Helme gegen Herzklopfen

Welche Gefühle wie erlebt, gelernt und ausgedrückt werden, kann sich von Kultur zu Kultur unterscheiden.

10.06.2013

Ob Freude, Ärger, Scham oder Angst – Menschen überall auf der Welt empfinden starke Emotionen. Doch wie Gefühle gezeigt werden und wer wem gegenüber welche Emotion zum Ausdruck bringen kann und darf, unterscheidet sich je nach Kulturkreis. In Daiden in Papua-Neuguinea werden beispielsweise durch den Umgang mit Essen positive und negative Gefühle ausgedrückt. Die Ethnie der Bara auf Madagaskar unterscheidet 18 verschiedene Formen von Ärger, und es hängt sehr stark vom sozialen Kontext und der jeweiligen Stellung in der Hierarchie der Gruppe ab, wie dieses Gefühl ausgelebt werden kann. Diese Strukturen lernen die Bara von Kindesbeinen an.

Sie wachsen in einer Kultur der Emotionen auf, die ihr Empfinden prägt und in der sie auch lernen, die Gefühle der anderen zu verstehen und mit ihnen umzugehen.

Bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität berichten Ethnologinnen und Ethnologen des Arbeitsbereichs „Anthropologie der Emotionen“ in kurzen Vorträgen aus Feldforschungsprojekten weltweit, die sich mit dem Emotionsverständnis unterschiedlicher Kulturen beschäftigen.

Die Vorträge beginnen von 17.00 bis 22.00 Uhr jeweils zur vollen Stunde und zeigen unter anderem, wie stark kulturelle Modelle das Erleben von Emotionen prägen. Die Tao in Taiwan etwa haben große Angst vor bösartigen Geistwesen, die die Menschen ihrer Seele berauben wollen. Heftiges Erschrecken oder Herzklopfen werden dort mit dem drohenden Austritt der Seele aus dem Körper in Verbindung gebracht.

Und wie sieht es mit unserem westlichen Emotionsverständnis aus? Welche Vorstellungen und Modelle prägen das Gefühlsleben in Deutschland? Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht der Wissenschaften sind eingeladen, eigene Emotionen in typischen Alltagssituationen anonym zu beschreiben.

Die Sozial- und Kulturanthropologie ist nur eine der Disziplinen, die sich an der Freien Universität mit der Erforschung von Emotionen befassen. Auch Psychologen, Soziologen, Gehirnforscher, Literaturwissenschaftler und Philosophen des Exzellenzclusters „Languages of Emotion“ beschäftigen sich mit Gefühlen. Die unterschiedlichen Ansätze und Fragestellungen der einzelnen Fachgebiete werden in der Cocktailbar „Mixed Emotions“ vorgestellt und diskutiert. Hinter dem Tresen steht ein Wissenschaftler, der die Drinks je nach Gefühlslage des Besuchers mixt. Geöffnet ist die Bar von 16.00 Uhr an.

Wer Glück hat, kann in der Cocktailbar sogar einem als Affen verkleideten Menschen begegnen. Wissenschaftler des Arbeitsbereichs „Evolutionäre Psychologie“ berichten von Forschungsprojekten weltweit zu Emotionen und zum Kommunikationsverhalten von Gorillas, Schimpansen und Co. Wer mag, kann Beschäftigungsgegenstände für Affen im Zoo basteln.

Um Gefühle geht es in zwei Dokumentationsfilmen, die während der Langen Nacht gezeigt und diskutiert werden. Ein Film der Psychologin Isabel Dziobek stellt einfühlsam dar, wie vier Menschen mit Asperger-Autismus ihren Alltag in New York meistern. Beginn ist jeweils um 16.00 und 17.15 Uhr. Die Emotionalisierung der Religion ist Gegenstand eines weiteren Film- und Forschungsprojekts, das um 21.00 Uhr gezeigt wird: Zwei Filmemacher haben Soziologen bei der Feldforschung begleitet und bei dem Besuch von Papst Benedikt XVI. im Berliner Olympiastadion 2011 über die Schulter geschaut. Alle Angebote zu Emotionen in Sprache, Kultur und Gesellschaft finden in verschiedenen Räumen in der Dahlemer „Rostlaube“, Habelschwerdter Allee 45, statt.