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Proteste, Politik, Kunst und Glaube

Experten diskutieren über „Politischen Wandel und Aufbruch“ in Russland, Asien und im Nahen Osten

10.06.2013

Spontan-Auftritt der Punkband Pussy Riot im Februar 2012 auf dem Roten Platz in Moskau: Nach der Festnahme von drei Bandmitgliedern im März kam es zu zahlreichen Debatten über Religion, Recht und Politik.

Spontan-Auftritt der Punkband Pussy Riot im Februar 2012 auf dem Roten Platz in Moskau: Nach der Festnahme von drei Bandmitgliedern im März kam es zu zahlreichen Debatten über Religion, Recht und Politik.
Bildquelle: Denis Bochkarev, Wikipedia

„Mutter Gottes, befreie uns von Putin!“, forderten die Kunst-Aktivistinnen von Pussy Riot im Februar 2012 in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale. Doch statt der Befreiung kam das Straflager: Als „Rowdytum aus religiösem Hass“ bewertete ein Gericht das Punk-Gebet der drei jungen Frauen. „Spätestens seit diesem Vorfall nimmt man auch im Ausland die problematische Verquickung von Staatsmacht und Religion in Russland wahr“, sagt Burkhard Breig. Der Jurist ist Juniorprofessor in der Abteilung Recht des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin und hat für die Lange Nacht der Wissenschaften eine Podiumsdiskussion zu „Religion – Kunst – Politik. Kontroversen um Freiheit und Unordnung in Russland“ organisiert. Veranstalter ist die interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft „Glaube und Religion“ am Osteuropa-Institut.

Von 20.15 bis 21.45 Uhr diskutieren im Konferenzsaal III des Henry-Ford- Baus, Garystraße 35, Russland- und Menschenrechtsexperten über die Rolle von Religion in Russland. Auf dem Podium sitzen unter anderem Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Pavel Chikov, Vorsitzender von „AGORA“, einer Vereinigung von Menschenrechtsanwälten in Russland, und Peter Franck, Russland-Experte der deutschen Sektion von Amnesty International. Anhand konkreter Fälle wie der Verurteilung von Pussy Riot oder des neuen Blasphemiegesetzes sollen allgemeine Fragen zur Sprache kommen. „Es geht zum Beispiel darum, welche Positionen Kunst und Religion jeweils für sich beanspruchen dürfen, oder auch um die Situation anderer Religionsgemeinschaften als der russisch-orthodoxen Kirche im heutigen Russland, zum Beispiel der Muslime“, erläutert Breig.

Pussy Riot war in den vergangenen Jahren nicht der einzige Fall, bei dem Kunstschaffende vor Gericht standen. Die Organisatoren der Ausstellungen „Achtung Religion“ und „Verbotene Kunst“ am Sacharow-Zentrum in Moskau wurden wegen „Aufwiegelung religiösen Hasses“ zu Geldstrafen verurteilt. „Im Vergleich zu Pussy Riot waren das milde Strafen“, sagt Breig. „Das Klima für Künstler ist in den vergangenen Jahren härter geworden.“

Das Thema der Podiumsdiskussion entspricht einem Forschungsschwerpunkt des Osteuropa-Instituts: Nachwuchswissenschaftler aus den Disziplinen Politikwissenschaft, Jura, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft sowie Sprach- und Kulturwissenschaft haben die Arbeitsgemeinschaft „Glaube und Religion“ gebildet, die sich seit gut einem Jahr mit dem Stellenwert von Religion in den ehemals kommunistischen Ländern des Ostblocks befasst.

Das Thema der Podiumsdiskussion hätten er und seine Kollegen aber auch deshalb gewählt, weil das Spannungsfeld von Staat, Religion und Kunst nicht nur in Bezug auf Russland im Mittelpunkt öffentlicher Debatten stehe, erläutert Breig: „Gerade die religiös motivierten Gewalttaten der vergangenen Jahre haben weltweit eine intensive Debatte um Freiheits- und Menschenrechte in Gang gesetzt.“

Die Podiumsdiskussion ist Teil des Veranstaltungsblocks „Selbstverständnis und Fremdwahrnehmung anderer Kulturen und Gesellschaften – Politischer Wandel und Aufbruch“, an dem sich auch die Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies sowie das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft beteiligen. Die Graduiertenschule zeigt im Foyer vor Raum KL 29/111 an der Habelschwerdter Allee 45 von 20.00 bis 23.00 Uhr eine Fotoausstellung über das Alltagsleben in muslimischen Gesellschaften (siehe auch Seite 7). Im selben Raum wird von 21.00 bis 22.00 Uhr der Film „Muslims in South Asia“ gezeigt, anschließend ist eine Diskussion in deutscher und englischer Sprache über die Verbindungen von Europäern und Muslimen in Südasien geplant.

Die Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft bietet im Henry-Ford-Bau, Garystraße 35-37, mehrere englischsprachige Veranstaltungen zum Thema „Die arabische Welt zwei Jahre nach der Revolution – zwischen Resignation und Aufbruch“ an. Von 19.00 bis 20.00 Uhr beleuchtet etwa der tunesische Politikwissenschaftler Professor Mohamed Kerrou im Konferenzraum II die gesellschaftlichen Entwicklungen, die in Tunesien zur Revolution führten. Im selben Raum spricht Hania Sobhy, die derzeit als Gastwissenschaftlerin an der Freien Universität forscht, von 20.00 bis 21.00 Uhr über die Rolle der Salafisten nach den Parlamentswahlen in Ägypten.