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Gedopt oder Steak gegessen

Die Pharmazie-Professorin Maria Kristina Parr erforscht den Nachweis des Muskelaufbaumittels Clenbuterol bei Sportlern.

10.06.2013

Im Kampf gegen Doping im Hochleistungssport stehen den Kontrolleuren immer bessere Tests zur Verfügung. Doch manchmal reicht der Nachweis eines Stoffes nicht, um einen Missbrauch eindeutig nachzuweisen. Eine Forschungsgruppe am Institut für Pharmazie der Freien Universität entwickelt mit finanzieller Förderung der Welt-Antidoping-Agentur einen Test, der nachweisen soll, ob ein Sportler mit dem Muskelaufbaumittel Clenbuterol gedopt hat oder ob der Wirkstoff durch verunreinigte Nahrung in seinen Körper gelangt ist.

Alberto Contador und Dimitrij Ovtcharov haben eine Gemeinsamkeit. Und das, obwohl sie als Sportler kaum unterschiedlicher sein könnten: Der eine, aufgewachsen in der Nähe von Madrid, seit 2003 Radprofi, gefeierter Sieger der drei bedeutendsten Landesrundfahrten Tour de France, Giro d'Italia und Vuelta a España, millionenschwerer Weltstar – der andere als Spätaussiedler mit den Eltern von Kiew nach Deutschland gekommen, seit 2005 Bundesligaspieler im Tischtennis, Weltspitze in einer Sportart, die in der deutschen Öffentlichkeit allenfalls während der Olympischen Spiele wahrgenommen wird und ansonsten ein Schattendasein fristet.

Hier klicken!Doch beide sind vor dem Sportgericht wegen Dopings angeklagt – und sie haben die gleiche Verteidigungsstrategie: Alberto Contador erwischten die Kontrolleure 2010 während der Tour de France. Sie wiesen bei ihm Spuren von Clenbuterol nach, einem Asthma-Mittel, das zudem die Fettverbrennung steigert und beim Muskelaufbau hilft. Dimitrij Ovtcharov wurde im gleichen Jahr positiv getestet, als er mit der deutschen Nationalmannschaft von einer China-Reise zurückkehrte. Beide Sportler verteidigten sich damit, dass sie wohl mit dem Dopingmittel verunreinigtes Fleisch gegessen haben müssten.

Wegen seiner Wirkung auf das Muskelwachstum wird Clenbuterol nämlich – in der Europäischen Union illegal – zum Teil in der Tiermast eingesetzt. Doch während Ovtcharov freigesprochen wurde, weil er glaubhaft machen konnte, dass er in China belastetes Fleisch gegessen hatte, und weil durch eine Haarprobe nachgewiesen wurde, dass er das Mittel nicht über einen längeren Zeitraum zu sich genommen hatte, traf es Contador hart: Er verlor rückwirkend alle Siege seit der Tour de France 2010 und wurde für zwei Jahre gesperrt.

Eindeutig beweisen lässt sich bislang weder Ovtcharovs Unschuld noch ein wissentlicher Dopingverstoß von Contador – ein für alle Seiten unbefriedigender Zustand.

Maria Kristina Parr, Professorin für pharmazeutische Chemie am Institut für Pharmazie der Freien Universität, entwickelt mit ihrem Team derzeit einen Test, der zukünftig dopende Leistungssportler zuverlässig des Clenbuterol-Missbrauchs überführen könnte. „Es ist ein hochwirksames Medikament, das in geringen Mengen dosiert wird. Deshalb müssen die Nachweissysteme sehr empfindlich sein“, sagt die Lebensmittelchemikerin. 20 Pikogramm – also 20 Billionstel Gramm – in einem Milliliter Urin reichen schon für den Nachweis. „Das ist so, als ob man in einem olympischen Schwimmbecken von 50 mal 25 Metern und zwei Metern Tiefe einen Würfelzucker auflösen, ein Schnapsglas voll entnehmen und den Inhalt des Glases dann noch einmal in zwei Liter Wasser verdünnen würde“, sagt Parr.

Der Ansatz der Forscherin zum Nachweis des Missbrauchs liegt deshalb nicht in der nachgewiesenen Menge des Stoffes, sondern in seiner chemischen Struktur. Es gibt Clenbuterol in zwei Formen. Masse, Zusammensetzung und chemische Summenformel beider Formen sind identisch – aber in ihrer dreidimensionalen Molekülstruktur unterscheiden sie sich. „Man kann sich das vorstellen wie eine linke und eine rechte Hand“, sagt Parr: „Beide haben fünf Finger und können zupacken, aber bei der einen Hand ist der Daumen links, bei der anderen ist er rechts.“ Und so wie bei jedem Menschen die eine Hand besser funktioniert als die andere, ist das sogenannte (R)-Clenbuterol im Körper von Mensch und Tier besser wirksam als das (S)-Clenbuterol. Beide Formen werden im Körper auch unterschiedlich verteilt und verarbeitet.

In der pharmazeutischen Anwendung werden beide Formen des Clenbuterol eins zu eins eingesetzt, weil es viel zu teuer wäre, die wirksame von der weniger wirksamen Form zu trennen. „Unsere Idee war es nun zu schauen, ob sich im Fleisch eines Tieres eine veränderte Relation zwischen (R)- und (S)-Clenbuterol nachweisen lässt“, sagt Parr. Um das herauszufinden, behandelten Wissenschaftler der Forschungsabteilung des niederländischen Lebensmittelkontrollinstituts RIKILT – der Partner in diesem Forschungsprojekt – ein Kalb mit Clenbuterol. In welcher Konzentration würden sich die beiden Wirkstoff-Formen im Fleisch des Tieres nachweisen lassen?

Um das zu messen, mussten die Wissenschaftler eigens eine Methode entwickeln, um die Formen voneinander zu trennen. Zum Einsatz kam dabei die Methode der Chromatografie. Dabei wird der zu analysierende Stoff durch eine sogenannte Trennsäule gepumpt. Am Ausgang dieses etwa 20 Zentimeter langen Stahlzylinders kommen dann die beiden Clenbuterol-Formen nacheinander voneinander getrennt heraus, und die jeweilige Menge des Stoffes kann mithilfe eines Massenspektometers ermittelt werden.

Was so einfach klingt, bedeutete für Parr und ihr Team jede Menge Arbeit: Verschiedene Flüssigkeiten und Parameter mussten getestet werden. Zwei Verfahren haben sich dabei als vielversprechend herausgestellt: die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) und die Chromatografie mit überkritischem Kohlendioxid (SFC).

Nun sollen weitere Tests zeigen, welches der beiden Verfahren das bessere ist und ob sich der Forschungsansatz zu einem zuverlässigen Dopingtest entwickeln lässt.

Ein erstes Ergebnis jedenfalls stimmt die Forscherin zuversichtlich: Im Fleisch des Tieres konnte ein Verhältnis von eins zu 0,7 zwischen unwirksamem und wirksamem Clenbuterol nachgewiesen werden. Das zeigt, dass der Körper des Tieres die beiden Formen unterschiedlich stark aufgenommen hat.

„Der nächste Schritt muss nun sein herauszufinden, wie sich das Clenbuterol als Medikament im menschlichen Körper verhält“, sagt Parr. Wird es, wie beim Kalb, im Verhältnis eins zu 0,7 vom Körper ausgeschieden, oder reagiert es anders? Und wie ist das Verhältnis der beiden Clenbuterol-Formen, wenn ein Mensch das Fleisch eines Tieres isst, das mit Clenbuterol behandelt wurde? „Wir gehen davon aus, dass sich signifikante Unterschiede zeigen werden“, sagt Parr. Damit wäre ein direkter Nachweis des Missbrauch möglich, denn der Test könnte zeigen, wie das Medikament in den Körper eines Athleten gelangt ist: als Medikament oder als Steak.