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Man spricht (kein) Deutsch

Forscher debattieren über den Bedeutungsverlust des Deutschen als Wissenschaftssprache.

25.02.2013

In English, please: In vielen Disziplinen publizieren und kommunizieren Wissenschaftler heute nicht mehr in ihrer Muttersprache.

In English, please: In vielen Disziplinen publizieren und kommunizieren Wissenschaftler heute nicht mehr in ihrer Muttersprache.
Bildquelle: iStockphoto/AZemdega http://www.istockphoto.com/stock-photo-10006337-stack-of-books.php?st=553900a

Deutsch ist die Publikationssprache der Wissenschaften. Wollen Forscher aus den USA oder Großbritannien an den Diskussionen ihres Fachs teilhaben, müssen sie zumindest des geschriebenen Deutschen mächtig sein. Das war die Situation im 19. Jahrhundert. Heute sieht das ganz anders aus: Deutsch als Publikationssprache verliert in vielen Wissenschaften stetig an Einfluss.

 Längst ist das Englische die internationale Verkehrssprache, mit der man sich in Wissenschaftlerkreisen und über Ländergrenzen hinweg verständigt. Doch die Ausbreitung des Englischen geht noch weiter. Mittlerweile hält die Sprache auch innerhalb Deutschlands Einzug, in die Forschung und in die Lehre: So veröffentlichen inländische wissenschaftliche Zeitschriften ihre Beiträge verstärkt in der Fremdsprache.Immer mehr Studiengänge werden auf Englisch umgestellt.

Diese Entwicklung wird zunehmend bemängelt. Kritiker sehen unter anderem die Sprachvielfalt bedroht. Eine Sprache verarme, wenn sie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht mehr aktiv gesprochen und geschrieben werde, lautet ein Einwand. Sie verliere eigene fachliche Begrifflichkeiten – Begriffe, die nicht zuletzt auch dafür wichtig seien, der Gesellschaft wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln.

2011 setzte sich die Hochschulrektorenkonferenz – das Gremium, zu dem sich 276 staatliche und staatlich anerkannte Universitäten und Hochschulen in Deutschland zusammengeschlossen haben – in einer Empfehlung zur Sprachenpolitik an deutschen Hochschulen für die Pflege der eigenen Sprache ein. Die Hochschulen seien gefordert, eine Sprachenpolitik zu formulieren, die sowohl zum Erhalt des Deutschen als Wissenschaftssprache beitrage als auch den qualifizierten Erwerb und Einsatz anderer Sprachen fördere. Und auch der Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache (ADAWIS) fordert unter anderem, dass die universitäre Lehre in der Regel auf Deutsch stattfinden müsse.

Gemeinsam mit der Freien Universität Berlin lud der Arbeitskreis kürzlich in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zu einer Podiumsdiskussion ein. Vertreter unterschiedlicher Disziplinen debattierten über den Status des Deutschen als Wissenschaftssprache. Im Zentrum der Diskussion stand die Lehre. Die finde in Deutschland zunehmend auf Englisch statt, kritisierte Professor Ralph Mocikat, Immunologe und Vorsitzender des ADAWIS.

Die Qualität der Lehre leide unter der Einheitssprache, weil dadurch auch die Lehrinhalte reduziert würden. „Außerdem muss man auch in den Naturwissenschaften auf deutsche Quellen zurückgreifen, die in englischsprachigen Studiengängen ausgeblendet werden“, sagte er. Zudem seien viele ausländische Studenten keine englischen Muttersprachler und könnten ein Studium mit englischsprachigen Lehrveranstaltungen nicht erfolgreich absolvieren.

Erika Fischer-Lichte, von 1996 bis 2011 Professorin für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, sieht in der Einheitssprache Englisch eine Verarmung der Geisteswissenschaften. In jeder Sprache gebe es einzelne Begriffe, für die es in der anderen Sprache keine klare Entsprechung gebe. Außerdem existierten in manchen Sprachen einzelne Begriffe nicht und mit ihnen nicht die entsprechenden Problemfelder. „Wir nutzen doch nicht Sprache, um Ergebnisse zu formulieren, die wir anderswo gewonnen haben“, sagte Fischer-Lichte. „Unser Analyseinstrument ist die Sprache.“ Geisteswissenschaften müssten in jeder Sprache betrieben werden können und entsprechende Terminologien ausbilden.

Ein wenig anderer Meinung war Günter M. Ziegler, Professor für Mathematik an der Freien Universität. In der Mathematik und den Naturwissenschaften gehe nichts verloren, wenn die Fachkommunikation auf Englisch betrieben werde. „In der Mathematik wird auf Englisch publiziert und gelehrt. Und hier reicht auch das einfache Englisch.“ Dementsprechend sieht Ziegler wenig Handlungsbedarf. Zumindest in diesem Punkt waren sich die Teilnehmer an diesem Abend einig: Einen Eingriff von politischer Seite lehnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab.

In seinem Fazit der Podiumsdiskussion sagte der Präsident der Freien Universität Berlin und Literaturwissenschaftler, Professor Peter-André Alt, dass der Verlust des Deutschen als Wissenschaftssprache nicht wünschenswert sei: „Die Vielfalt und Nuanciertheit des individuellen Ausdrucks ist auch dort zu erhalten, wo es um scheinbar exklusive Forschung geht. Nur so kann Wissenschaft durch die Klarheit ihrer Aussagen breit wirken und eine ihrer vorzüglichsten Aufgaben erfüllen: die, ein Vorbild zu sein für genaues Denken.“