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Geisteswissenschaften global

Der Kulturtheoretiker Homi K. Bhabha ist neuer Ehrendoktor der Freien Universität Berlin.

25.06.2012

Dank an Dahlemer Wissenschaftler: Der Literaturwissenschaftler Homi K. Bhabha erhielt die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften.

Dank an Dahlemer Wissenschaftler: Der Literaturwissenschaftler Homi K. Bhabha erhielt die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften.
Bildquelle: B. Bartelsen

Ob auf Deutsch oder Englisch: Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und der Harvard-Professor Homi K. Bhabha verstehen sich, auch wenn sie eigentlich zwei verschiedene Sprachen sprechen. Das zeigte sich jüngst bei der feierlichen Verleihung der Ehrendoktorwürde der Freien Universität an den Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker.

Als einen gern gesehenen Gast in Dahlem begrüßte Universitätspräsident Professor Peter-André Alt Homi K. Bhabha im Henry-Ford-Bau an der Garystraße: Der Wissenschaftler, der sich in seinen Publikationen unter anderem der kolonialen und postkolonialen Theorie und dem kulturellen Wandel widmet, hat hier in den vergangenen Jahren mehrere Vorträge gehalten und ist zwei Institutionen besonders verbunden: der Graduiertenschule für Nordamerikastudien und dem Forschungskolleg Interweaving Performance Cultures, in deren internationalem Beirat er jeweils vertreten ist.

Die Universität und Homi K. Bhabha passen zueinander: Peter-André Alt wie auch Professor Joachim Küpper, der Leiter des Dahlem Humanities Center (DHC), hoben die Freie Universität und den Standort Berlin als international ausgerichtete Orte hervor, an denen Kulturen aufeinandertreffen – und an denen Bhabhas Theorien anschaulich werden. Küpper begründete in seiner Laudatio die Vergabe des Titels Dr. phil. honoris causa mit einer augenzwinkernden „Beweisführung“: Untrügliche Belege für die gegenseitige Wertschätzung sah Küpper etwa auf Bhabhas Homepage erbracht – dort werde keine Institution so oft genannt wie die Freie Universität.

Professorin Doris Kolesch, Dekanin des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften, leitete Bhabhas späteren Vortrag über Geisteswissenschaften in Zeiten der Globalisierung ein, indem sie die auch heute noch gewichtige Rolle von Texten betonte: Sie verlieh Bhabha die Ehrendoktorwürde – ein Schriftdokument. Dass sie dann die Jurybegründung zwischen all den englischsprachigen Programmpunkten in deutscher Sprache verlas, war eine rhetorische Verbeugung vor Bhabhas Theorie zur Hybridität von Kulturen: Insbesondere würdigte sie seine „Verdienste um das Verständnis und die Verbesserung von Prozessen des kulturellen Austauschs“.

Bhabha wandte sich zum Dank in sehr persönlichen Worten an Professorinnen und Professoren der Freien Universität, denen er für den langjährigen fachlichen Austausch dankte. In seinem Vortrag „The Global Humanities“ referierte er Thesen seines neuen, noch unveröffentlichten Buches, in dem er die Globalisierung als relativ jungen Prozess bezeichnet, der auf einer unvollständigen Entkolonialisierung der Welt basiere. Geboren 1949 im indischen Mumbai, schilderte er auch ganz persönlich erlebte Zwiespälte: das Leben zwischen zwei Sprachen etwa oder die Schuldgefühle von Intellektuellen, die ins Ausland gegangen sind und damit den sozialen und wirtschaftlichen Aderlass Indiens beschleunigt hätten. Derartige schier unüberwindliche kulturelle Konflikte ließen ihn heute nicht an die eine globalisierte Welt glauben, sagte Bhabha. Schnelle, übereilte Globalisierungsbemühungen führten vielmehr zu weiteren Benachteiligungen für die weniger Privilegierten.

Geschwindigkeit, warnte der Kulturtheoretiker, dürfe nicht alles sein: Obwohl sich Bibliotheken auf digitale Texte stützten und Kommunikation in sozialen Netzwerken stattfinde, würden philologische Kernkompetenzen wie die fundierte Auseinandersetzung mit Texten nicht überflüssig. Im Gegenteil: In der sorgfältigen Interpretation der heutigen Datenfülle liegt für Bhabha der Schlüssel, mit dem Geisteswissenschaften einen Beitrag zum Dialog zwischen Kulturen leisten und damit moderne Gesellschaften strukturieren helfen. Immer wieder unterbrach Bhabha seine Rede durch kurze Anekdoten, immer wieder wandte er sich mit der Anrede „My friends“ an sein Publikum, das ihm schließlich stehend Beifall zollte. Wie unter Freunden endete der Abend dann auch. Beim anschließenden Empfang hatte der neue Ehrendoktor der Freien Universität noch viele Hände zu schütteln und Kolleginnen und Kollegen zu umarmen.