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Uni im Sparmodus

Vom Energiesparen bis zur eigenen Stabstelle: An der Freien Universität ist Nachhaltigkeit ein übergreifendes Integrationsthema

02.12.2015

Heute laufen alle Themen und Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements an der Freien Universität Berlin bei der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie zusammen, die direkt dem Präsidium der Freien Universität zugeordnet ist. Dabei waren die Anfänge bescheiden. Über den Aufstieg eines Zukunftsthemas.

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: Stabsstellenleiter Andreas Wanke (links) und der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, im Botanischen Garten der Hochschule, dem drittgrößten seiner Art weltweit.

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: Stabsstellenleiter Andreas Wanke (links) und der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, im Botanischen Garten der Hochschule, dem drittgrößten seiner Art weltweit.
Bildquelle: Michael Fahrig

Da war zunächst diese Zahl: 141 Millionen Kilowattstunden. So viel Energie verbrauchte die Freie Universität im Jahr 2000. Damit zog die Universität mit dem Verbrauch einer mittleren Stadt gleich. Die Heiz- und Stromrechnung von damals fiel ebenfalls stattlich aus: Rund 7,9 Millionen Euro wurden für Fernwärme, Erdgas, Heizöl und Strom ausgegeben, Tendenz steigend. Die Universität erkannte den Handlungsbedarf und ernannte einen Energiebeauftragten. „2001 haben wir damit begonnen, ein systematisches Energiemanagement aufzubauen“, sagt Andreas Wanke, heute Koordinator der Stabstelle für Nachhaltigkeit und Energie. Zuvor hatte er zehn Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften gearbeitet und sich dabei auf betriebliches Energie- und Umweltmanagement spezialisiert.

Doch die Freie Universität Berlin mit ihren mehr als 200 Gebäuden stellte auch für den Experten eine Herausforderung dar. Bei der Prüfung des Energiebedarfs zeigten sich große Unterschiede. Allerdings nicht nur zwischen Alt- und Neubauten sowie Labor- und Bürogebäuden, sondern auch innerhalb derselben Gebäudetypen. Je nach Alter der Gebäude, deren Dämmstandards, dem Zustand der Anlagentechnik, der Qualität der Betriebsführung und dem Verhalten der Gebäudenutzer ergaben sich sehr unterschiedliche Ansatzpunkte zur Verbesserung der Energieeffizienz.

Wer sparen will, muss erstmal Geld ausgeben

Bei der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten stellte sich schnell heraus, dass mehr Sparsamkeit zunächst auch mehr Ausgaben nötig machen würde. Etwa für moderne Heizungs- oder effiziente Lüftungstechnik, die Dämmung von Dächern oder für energiesparende Beleuchtung. Außerdem mussten sich alle an der Universität – vom Studierenden bis zum Professor – an die eigene Nase fassen, um das Thema Energiesparen nachhaltig umzusetzen. Offenstehende oder gekippte Fenster, Rechner im Dauerbetrieb, Kopierer ohne Powermanagement oder voll aufgedrehte Thermostatventile vermiesten die Energiebilanz: „Wir haben bei der Überprüfung festgestellt, dass es da noch Optimierungspotenzial gab“, erinnert sich Wanke. In den Altbauten trieb eine veraltete Ausstattung die Energiekosten in die Höhe – etwa schlecht regulierte Heizungs- und Warmwasseranlagen. Ein verzichtbarer Luxus, der heute auf dem Campus nur noch selten zu finden ist. Ein Mammut-Projekt für den Energiebeauftragen und die Technische Abteilung der Freien Universität: Dem ersten Energieeffizienzprogramm folgten fünf weitere, mit denen die Universität immer mehr Gebäude umwelttechnisch auf den neuesten Stand brachte.

Die Zukunft lebenswert gestalten: Wie die Freie Universität das Leitbild der Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre verankert

Die Zukunft lebenswert gestalten: Wie die Freie Universität das Leitbild der Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre verankert
Bildquelle: Felix Rückert

Die Freie Universität wird für ihr vorbildliches Energiemanagement ausgezeichnet

„Wir haben recht schnell gelernt, dass eine Person für das Energie- und Umweltmanagement der Universität zu wenig ist.“ Die Ein-Mann-Einrichtung wuchs zunächst um studentische Mitarbeiter, dann um weitere Stellen. Antrieb gab die Anerkennung für das bereits Geleistete: 2003 wurde die Freie Universität für ihr erstes Energieeffizienzprogramm von der Berliner Initiative „KlimaSchutzPartner“ als öffentliche Einrichtung mit vorbildlichem Energiemanagement ausgezeichnet. 2004 schlug die Universität den Weg ein zur Zertifizierung nach der internationalen Umweltmanagement- Norm ISO 14001. Sie legt weltweit anerkannte Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem fest. Diese Jahre nennt Wanke heute im Rückblick die „technische Ära“ des Energie und Umweltmanagements an der Freien Universität.

Es folgten Jahre, in denen Umwelt und Energiefragen immer mehr Raum an der Universität einnahmen. Außerdem wurde damit begonnen, in allen Fachbereichen Umweltteams zu gründen. „Sie wurden nach und nach zur sozialen Basis des Ganzen“, sagt Wanke. Vor dem Hintergrund der Vernetzungstätigkeit war der Schritt zum Thema Nachhaltigkeit dann ein plausibler. „Wir hatten damals schon gesagt, dass Technik alleine nicht reicht“; sagt Wanke.

Es folgte die Gründung der Nachhaltigkeitsinitiative „SUSTAIN IT“. Studierende und das Forschungszentrum für Umweltpolitik wollten mit „SUSTAIN IT“ eine offene Dialog- und Aktionsplattform für alle schaffen, die die Freie Universität mit eigenen Ideen und Projekten nachhaltig gestalten wollen. Warum es hier wie bei allen Nachhaltigkeitsthemen auf Teamwork ankommt, ist für Andreas Wanke naheliegend: „Nachhaltigkeit liegt als Thema und Projekt erstmal immer quer – es ist neu, wird zunächst nicht systematisch bearbeitet, und es passt als Querschnittsaufgabe oft nicht in die normalen Entscheidungswege einer Universität.“

Gleichzeitig betrifft es jedoch alle Bereiche einer Hochschule – von der Lehre bis zur Forschung über das Campusmanagement und darüber hinaus. Wenn es darum geht, Hochschulangehörige verschiedener Bereiche und Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen, gehe es nicht ohne Teamarbeit, sagt Wanke. Diese soll in Zukunft noch stärker ausgebaut werden. Schon jetzt kümmerten sich Mitarbeiter der Freien Universität um einzelne Projektaufgaben. Etwa die Idee, Drucker zu zentralisieren, so dass nicht mehr jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ein Gerät am Schreibtisch stehen hat, und trotzdem ohne große Einschränkungen an die Ausdrucke kommt. „Wir erhoffen uns von einer verstärkten Projektarbeit, dass die Teams noch lebendiger und aktiver werden und mehr Leute an der Entwicklung nachhaltiger Prozesse einbezogen werden.“

Das Ziel ist eine klimaneutrale Universität

Als große übergreifende Integrationsthemen hat die Freie Universität Nachhaltigkeit und Energie längst erkannt. Und mit der neuen Stabsstelle im Präsidium gut sichtbar verankert. Pläne, wohin sich das Thema in Zukunft entwickeln könnte, hat Andreas Wanke schon: „Wir wollen beispielsweise einen Masterplan „Klimaneutrale Freie Universität“ erstellen und unser Energiemonitoring zu einem Kommunikationsinstrument ausbauen.“ Ein weiteres Projekt wären die „Living Labs“, also „Lebendige Labore“. Dahinter steckt die Idee, die Universität selbst stärker zum Forschungsgegenstand von Veränderungsprozessen zu machen. „Auf diese Weise könnte man Nachhaltigkeitsprozesse und Ziele auch erst einmal testen, ebenso wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit.“

Außerdem soll der internationale Erfahrungsaustausch ausgebaut werden. Dabei helfen soll die „University Alliance for Sustainability“. Unter diesem Dach will die Freie Universität Berlin gemeinsam mit ihren vier strategischen Partneruniversitäten aus Israel, Kanada, Russland und China den Austausch zum Thema Nachhaltigkeit institutionalisieren. Damit solle ein gemeinsamer Lernprozess in Gang gesetzt werden, sagt Andreas Wanke. „Wir wollen in dieser Zusammenarbeit noch dazulernen und gemeinsame Projekte anstoßen. Vielleicht können aber auch andere Universitäten von unseren Erfahrungen profitieren.“