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Adenauers Rücktritt

oder die Gründung der Bundesliga

Fußball kann politische Veränderungen antizipieren

Fußball kann politische Veränderungen antizipieren

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Fußballspiele können oft als Kommentare zur politischen Lage der Zeit verstanden werden; in einigen Fällen antizipieren sie sogar Veränderungen, die sich in der Politik erst später zeigen. Diese Antizipation politischer Entwicklungen auf der Fußballbühne lässt sich an der Geschichte der Bundesliga seit ihrer Gründung im Jahr 1963 exemplifizieren: Ihr Beginn fällt in etwa mit Adenauers Rücktritt zusammen – die Alten müssen sich zurückziehen, die Jungen kommen.

In den ersten Jahren der sozialliberalen Koalition, der Zeit der Ostpolitik, der großen Reformprojekte kommt es zu einem Aufbruch im Fußball, der nach dem Gewinn des Weltmeistertitels 1974, dem Jahr des Rücktritts Willy Brandts, zu Ende geht. In der folgenden Zeit ist der Fußball der Bundesliga nicht mehr als ein freudloser Kommentar jener „bleiernen Zeit“, die die Periode der Regierung Schmidt kennzeichnet. Zu Beginn der Ära Kohl wird ein erfolgsorientierter Zweckfußball gespielt, wenig mitreißend, von Ausnahmen abgesehen auf Sicherheit bedacht.

Die vom Ereignis der Maueröffnung 1989 ausgelöste Euphorie findet im Fußball mit dem dritten Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 eine Fortsetzung auf dem grünen Rasen. Einen der größten Erfolge des deutschen Fußballs in der Folgezeit erringt Borussia Dortmund aus dem sozialdemokratisch regierten Ruhrgebiet mit dem Gewinn der Champions League 1997; man kann ihn als symbolische Antizipation des Endes der Kanzlerschaft von Helmut Kohl lesen. Während der Regierungszeit Schröders gewinnt das Bundesland Bayern immer mehr an Gewicht; zeitgleich erobert sich Bayern München eine unbestrittene Vorherrschaft in der Bundesliga, die der Verein im Jahr 2001 mit dem Finalsieg in der Champions League sogar auf den europäischen Fußball ausdehnt. Und was ist vom Weltcup 2006 in einer Zeit zu erwarten, in der die Deutschen weitaus besser in der ökonomischen Verwertung des Fußballs sind als in dessen Ausübung?

Inzwischen interessieren sich die Veranstalter des Weltturniers kaum noch für politische Symbolik. An ihre Stelle ist die Fremdenverkehrswerbung gerückt: Deutschland als großzügiger Sponsor, der sein Geld verpulvert, um aller Welt zu zeigen, die man Fußball in ein Kulturfestival verwandelt. Mit dem Spiel hat dies kaum noch etwas zu tun; eher geht es darum, die Gunst des Feuilletons und der Gattinnen von Topmanagern zu gewinnen. Man ahnt die – inzwischen von der Geschichte überholte – Taktik für die ursprünglich auf den Herbst 2006 angesetzte Bundestagswahl: Die Sympathien der „neuen Mitte“, Schröders umworbene Zielgruppe, die sich als reiner Mythos herausgestellt hat, sollte durch ein bombastisches kulturelles Spektakel gewonnen werden. In einer Zeit, in der die Bundesrepublik in der internationalen Politik eine wichtige Rolle zu spielen gedenkt, fällt dem Organisationskomitee gerade noch die Aufgabe zu, das Sportereignis mit einem gewaltigen Budget propagandistisch möglichst einträglich zu machen.

Gunter Gebauer