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„Sich als Akteure des Wandels begreifen“

Noch Plätze frei: Studierende entwickeln in einem Seminar der Initiative SUSTAIN IT! Projekte für die Hochschultage Nachhaltigkeit + Klimaschutz (3. bis 7. Juli 2017)

21.04.2017

Regional und saisonal: „FUUDKorb“ brachte frisches Gemüse eines örtlichen Bauernhofs zu Studierenden der Freien Universität. Das Projekt war aus einem früheren SUSTAIN IT!-Seminar hervorgegangen.

Regional und saisonal: „FUUDKorb“ brachte frisches Gemüse eines örtlichen Bauernhofs zu Studierenden der Freien Universität. Das Projekt war aus einem früheren SUSTAIN IT!-Seminar hervorgegangen.
Bildquelle: Annika Middeldorf

Nicht nur forschen, sondern etwas praktisch bewegen: Das ist das Ziel eines Projektseminars, das in diesem Sommersemester an der Freien Universität angeboten wird. Studierende der Politikwissenschaft können im Rahmen der Veranstaltung Projektideen entwickeln, um Kommilitoninnen und Kommilitonen für das Zukunftsthema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Geleitet wird das Seminar gemeinsam von Dörte Ohlhorst, promovierte Politologin und Interimsgeschäftsführerin des Forschungszentrums für Umweltpolitik, und ihrer Kollegin Karola Braun-Wanke. Die Politikwissenschaftlerin und Koordinatorin der Nachhaltigkeitsinitiative SUSTAIN IT! hat diese vor sieben Jahren mitgegründet. Campus.leben sprach mit Karola Braun-Wanke über das Seminarkonzept.

Frau Braun-Wanke, was will das Seminar vermitteln?

Zunächst soll es darum gehen, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet. Viele wissen mit dem abstrakten Begriff erstmal nicht viel anzufangen. Weil sich eine nachhaltige Lebensweise nicht von oben verordnen lässt, geht es auch immer um Partizipation, also um verschiedene Formen der Teilhabe und um Dialog. Die Studierenden sollen gemeinsam überlegen, wie sie Menschen einbeziehen können, damit Partizipation nicht nur eine hohle Phrase ist. Wir werden auch Experten und Praktiker aus der Zivilgesellschaft einladen, zum Beispiel vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen. Auf den Hochschultagen Nachhaltigkeit + Klimaschutz Anfang Juli können die Studierenden dann ihre Konzepte einem Praxistest unterziehen. Sie lernen in Kleingruppen eigene Projekte effektiv zu managen. Was wir mit dem Seminar erreichen wollen, ist eine Form des Empowerments: Dass Studierende sich selber als Akteure des Wandels begreifen. Junge Menschen haben oft einen unverstellten Blick auf Probleme. Es ist eine große Chance, wenn sie schon während ihre Studiums erfahren, dass Herausforderungen wie der Klimawandel gestaltbare Aufgaben sind.

Karola Braun Wanke, Koordinatorin der Nachhaltigkeitsinitiative SUSTAIN IT!

Karola Braun Wanke, Koordinatorin der Nachhaltigkeitsinitiative SUSTAIN IT!
Bildquelle: Susanne Wehr

"Denken mit den Händen": Mit der Design Thinking-Methode suchen Studierende nach innovativen Projektideen. Auch in diesem Semester soll die Methode zum Einsatz kommen.

"Denken mit den Händen": Mit der Design Thinking-Methode suchen Studierende nach innovativen Projektideen. Auch in diesem Semester soll die Methode zum Einsatz kommen.
Bildquelle: Karola Braun-Wanke

Um welche Projekte wird es gehen?

Ein gutes Beispiel ist ein Projekt von fünf Studierenden, das vor einigen Jahren im Rahmen eines anderen Seminars entstanden ist. Sie haben eine praktische Antwort auf die Krise der Lebensmittelverschwendung gefunden, mit dem Titel: „Think Globally, Act Balcony“. Die Gruppe hat aufgezeigt, wie man auch auf kleiner Fläche Kräuter und Gemüse anbauen und mit Vertikalbepflanzung gute Erträge erzielen kann. Im Botanischen Garten, wo SUSTAIN IT! eine kleine ökologische Farm betreibt, haben sie Prototypen gebaut, Workshops gegeben und vielen Menschen nähergebracht, wie man den eigenen Balkon begrünen kann.

Das jetzt anlaufende Seminar hat den Titel: „Partizipation in Theorie und Praxis: der Campus als Living Lab“. Wenn der Campus ein lebendiges Labor ist, was sind dann die Experimente?

Die Lösungen für unsere Probleme werden uns nicht auf dem Tablett präsentiert: Wie eine nachhaltige Zukunft aussehen könnte, muss erst einmal experimentell ausprobiert werden. Der „Essbare Balkon“ ist ein solches Experiment. ReUse, eine Studierendengruppe von SUSTAIN IT!, ist ein anderes Beispiel. Sie entwickelt aktuell ein Konzept, wie Haushaltsgeräte von Studierenden in Wohnheimen, die über Erasmus oder Direktaustauschprogramme an die Freie Universität kommen, nach deren Aufenthalt weiterverwendet werden können. Im Moment werden viele Geräte einfach weggeworfen, wenn die internationalen Studierenden aus Berlin wegziehen, und die ihnen nachfolgenden Studentinnen und Studenten müssen sie sich wieder neu kaufen. Die ReUse-Gruppe hat nun gemeinsam mit dem Studentenwerk einen Raum organisiert, in dem diese Dinge aufbewahrt werden können. Dieses Modell kann an der Universität erprobt werden, ist aber grundsätzlich eines für die ganze Gesellschaft.

Was macht partizipative Projekte erfolgreich?

Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, den richtigen Zugang zu finden. Wie mache ich auf ein Problem aufmerksam, ohne moralisierend zu wirken? Bei den Hochschultagen Nachhaltigkeit + Klimaschutz im vergangenen Jahr etwa haben wir eine Kunstinstallation zu dem ressourcenintensiven Einweg-Trend „Coffee To Go“ gemacht. Das war eine Herausforderung: Was die Leute am wenigsten wollen, ist entlarvt zu werden, wenn sie einen solchen Becher in der Hand halten – das bringt ja nichts. Wir haben lange überlegt, gemeinsam mit drei Berliner Künstlerinnen und Studierenden: Was wollen wir eigentlich mit unserer Aktion bewirken?

Das Ergebnis hieß „ART TO STAY – Einmal wieder Genießer*in sein. Es ging uns gerade nicht um noch einen wiederverwendbaren To Go-Becher mit tollem Design. Wir wollten vielmehr, dass man sich hinsetzt und sich für seinen Kaffee Zeit nimmt. Das ist eine Rückbesinnung: Einen Kaffee wieder als Genussmittel zu verstehen, die Kaffeepause zum Innehalten und Verweilen zu nutzen – und dann braucht man gar keinen Becher zum Mitnehmen mehr. So hat unsere Aktion gut funktioniert und wurde von rund 2000 Menschen sehr positiv aufgenommen. Mittlerweile bekommen wir Anfragen, darunter aus Verbraucherzentralen und von einigen Kommunen, die unser Kunstlabor an anderen Orten wiederholen möchten.

Die Fragen stellte Jonas Huggins.

Weitere Informationen

Das Seminar "SUSTAIN IT! Partizipation in Theorie in Praxis: Der Campus als 'Living Lab'" ist in diesem Sommersemester als Hauptseminar im Vertiefungsmodul Politische Systeme und Vergleich für Studierende der Politikwissenschaft buchbar. Es findet immer dienstags von 10-12 Uhr statt.

Wer Interesse hat, sich bei der Nachhaltigkeitsinitiative SUSATIN IT! zu beteiligen, kann eine E-Mail an sustain-it@fu-berlin.de schreiben.