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Fairplay in der Hitze

Wissenschaftler demonstrieren im Bundesinnenministerium Antigewalt-Training

21.08.2012

Soziale Kompetenzen spielerisch fördern: Mit dem Programm "fairplayer.sport" sollen Kinder einen gerechten und anständigen Umgang miteinander erlernen.

Soziale Kompetenzen spielerisch fördern: Mit dem Programm "fairplayer.sport" sollen Kinder einen gerechten und anständigen Umgang miteinander erlernen.
Bildquelle: David Bedürftig

Grundschüler demonstrieren im Innenhof des Bundesinneministeriums die Übungen des Programms "fairplayer.sport".

Grundschüler demonstrieren im Innenhof des Bundesinneministeriums die Übungen des Programms "fairplayer.sport".
Bildquelle: Stephan Warncke

Am heißesten Tag des Jahres spendeten die hohen Häuserfronten des Bundesinnenministeriums (BMI) nur bedingt Schatten. Professor Herbert Scheithauer, Entwicklungspsychologe an der Freien Universität Berlin, sein Mitarbeiter Markus Hess und eine Gruppe von Kindern zeigten sich davon unbeeindruckt: Bei 35 Grad Celsius verwandelten sie anlässlich des Tages der Offenen Tür im BMI die Holzbühne in der Mitte des Hofs in eine Sportarena. Hier führten sie vor, wie faires Verhalten eingeübt werden kann.

Im Berliner Sportverein „PLAY!YA e.V.“ wird das Programm der Freien Universität bereits umgesetzt. Artig, aber etwas ungeduldig, warteten neun Grundschülerinnen und -schüler des Vereins die Eröffnungsworte im BMI ab, bis sie endlich die Übungen vorführen durften. Dafür bildeten sie Paare, bei denen jeweils einem der Kinder die Augen verbunden wurden. Dann gingt es los: Das Kind mit verbundenen Augen dribbelte mit dem Ball über die Bühne, während das sehende es führte. Dabei darf der Ball nicht von der Bühne fallen, und auch Zusammenstöße sollten vermieden werden. Später balancierte immer eines der Kinder mit kleinen Schritten auf einer Linie und ließ sich dann zur Seite fallen, wo die anderen Schüler zum Auffangen bereit standen. „Durch diese Übungen wird Vertrauen im Team aufgebaut, was für faires Verhalten unabdingbar ist“, erklärt „fairplayer.sport“-Trainer Markus Hess.

"Bewegungsorientiert zu lernen, gefällt Kindern am besten"

Das Programm „fairplayer.sport“ wurde von Psychologen und Sportwissenschaftlern der Freien Universität Berlin ausgearbeitet und evaluiert und von der Jacobs Foundation gefördert. „Wir sehen Sport als Möglichkeit, fairen Umgang systematisch zu erlernen“, sagt Herbert Scheithauer über sein Teamprojekt. „Dafür haben wir das Trainingsprogramm entwickelt, das in Sportvereinen umgesetzt wird.“ Ziel sei es, soziale Kompetenzen spielerisch zu fördern. Praxis und Bewegung würden hier groß geschrieben, denn „mit Sport erreicht man Kinder und Jugendliche am einfachsten".

Zunächst gehe es darum, auf dem Sportplatz durch „fairplayer.sport“ gerechten und anständigen Umgang miteinander einzuüben. Aber auch darüber hinaus strebt das Programm an, Kinder und Jugendliche positiv zu beeinflussen, damit sie gewaltfreie Lösungen in Konfliktsituationen finden. Erfreuliche Resultate habe das Projekt schon in mehreren Berliner Fußballvereinen hervorgebracht. Bewegungsorientiert zu lernen, gefalle Kindern am besten, sagen die Wissenschaftler.

Weltmeisterliche Unterstützung

Mittendrin im Geschehen war auch Steffi Nerius, die Goldmedaillengewinnerin im Speerwurf bei der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin und nationale Fairplay-Botschafterin. Fairplay ist für sie „sehr wichtig, besonders bei körperbetonten Sportarten“. Als Trainerin mehrerer aktueller Paralympics-Teilnehmer weiß die Sportlerin, wie wichtig Toleranz ist: „Es ist super, dass in jungen Jahren bereits mit Fairplay-Training begonnen wird, da lernt man am meisten.“

Empathie, Verantwortung, Fairness: Herbert Scheithauer will den Sport nutzen, um soziale, emotionale und moralische Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu fördern und zu stärken. Eine wichtige Aufgabe komme dabei den Trainern zu. So hofft der Entwicklungspsychologe, dass die Sportverbände in Deutschland das evaluierte „fairplayer.sport“-Programm bald in die Trainerausbildungen aufnehmen. Gemeinsam mit dem „fairplayer.manual“, einem Training das an Schulen vor allem im Kampf gegen Mobbing zum Einsatz kommt, wurde es 2011 mit dem Europäischen Preis für Kriminalprävention ausgezeichnet.

Unentbehrlich für den Anwendungserfolg seien die Motivation und der Wille der Heranwachsenden. Und so lobte Scheithauer zum Abschluss dieses heißen Sommertags die Kinder: „Danke, dass ihr heute hier und nicht im Schwimmbad wart.“