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Hautkrebs aus dem Labor

Doktorand Christian Zoschke arbeitet an einem Ersatzverfahren für Tierversuche

27.08.2014

Im Labor gezüchtete Haut. An ihr können Medikamente getestet werden.

Im Labor gezüchtete Haut. An ihr können Medikamente getestet werden.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Christian Zoschke promoviert am Graduiertenkolleg „Innovationen in der 3R-Forschung“. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Christian Zoschke promoviert am Graduiertenkolleg „Innovationen in der 3R-Forschung“. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Tierversuche reduzieren, verbessern und ersetzen: Das sind die Ziele des neuen Berlin-Brandenburger Forschungsverbundes „BB3R“. Die Initiatoren des kürzlich an der Freien Universität Berlin eröffneten Projekts streben die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen sowie von tierschonenden Arbeitstechniken an. Dabei steht „BB“ für die Region Berlin-Brandenburg, das Kürzel „3R“ für die Reduzierung (reduction), die Verbesserung (refinement) und den Ersatz (replacement) von Tierversuchen. Im Rahmen des am Forschungsverbund angesiedelten Graduiertenkollegs promoviert derzeit Christian Zoschke.

Dass er einen kleinen Beitrag leisten kann, sowohl Mensch als auch Tier zu helfen, ist für Christian Zoschke Motivation, auch bei bestem Sommerwetter täglich im Labor zu stehen. Außerdem hat der 26jährige Doktorand jeden Tag mit den gefährlichen Folgen einer zu hohen Sonneneinstrahlung zu tun: Im Rahmen seines Promotionsprojektes am Institut für Pharmakologie der Freien Universität Berlin arbeitet er daran, Hautkrebs im Labor zu züchten.

Sein Ziel ist es, ein Modell zu entwickeln, an dem Wirkstoffe gegen die lebensbedrohende Krankheit getestet werden können, und das der Natur so ähnlich ist, dass Tierversuche überflüssig werden. Bisher setzen Wissenschaftler Nacktmäuse starker UV-Strahlung aus, um bei ihnen Hautkrebs auszulösen und anschließend an den Tieren die Wirksamkeit von Krebsmedikamenten zu prüfen.

Jährlich erkranken 150.000 Menschen in Deutschland an weißem Hautkrebs

Zoschke entwickelt ein Modell des weißen Hautkrebses, des sogenannten kutanen Plattenepithelkarzinoms, das als Grundlage für Arzneimitteltests dienen soll. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 150.000 Menschen an diesem Krebs erkranken. Das Schönheitsideal von gebräunter Haut ist ein Grund für das vermehrte Auftreten der Krankheit. Die Diagnose des Krebses ist nicht einfach, und trotz erster erfolgreicher Therapieversuche kehrt er meist zurück.

Haut züchten

Basis für das Krebs-Modell im Labormaßstab sind etwa zwei Quadratzentimeter große Hautstücke, die aus Überresten von Operationen stammen. Die Hautstücke zerlegt Christian Zoschke mithilfe von Enzymen erst in die verschiedenen Hautschichten, um daraus dann einzelne Zellen zu isolieren. Diese Hautzellen wiederum vermehren der Wissenschaftler und sein Team und bilden daraus spezielle Zellverbände, sogenannte Konstrukte. Sie bestehen aus gesunden Zellen der Epidermis (Keratinozyten) und der Lederhaut (Fibroblasten) sowie aus malignen Zellen (Tumorzellen) von Tumoren, die bei Patienten entfernt wurden.

„Wir nennen das eine organähnliche Kultur, wobei jedes Konstrukt circa zwei Zentimeter im Durchmesser misst“, erläutert Zoschke. „Eine Krebserkrankung wie das Platten-Epithelkarzinom, das sich beim Menschen über Jahrzehnte hinweg entwickelt, entsteht im Labor innerhalb weniger Wochen“. Das liegt daran, dass die Modelle unter optimalen Bedingungen gezüchtet werden, also in Brutschränken bei Körpertemperatur und unter Zugabe eines komplexen Wachstumsmediums. Im Querschnitt unter mehrfacher mikroskopischer Vergrößerung kann der Wissenschaftler das Ergebnis am Computerbildschirm sehen.

An der Freien Universität wird seit den achtziger Jahren zu Ersatzmethoden für Tierversuche geforscht

Christian Zoschke fertigt seine Doktorarbeit im Forschungsbereich von Monika Schäfer-Korting an. Die Professorin für Pharmakologie an der Freien Universität Berlin forscht an der Entwicklung von Alternativen für Tierversuche. Bereits seit den achtziger Jahren arbeiten sie und ihr Team erfolgreich an der Nachbildung menschlicher Haut im Labor – als Modell für verschiedene Erkrankungen wie Infektionen aber auch genetisch bedingte Hautleiden.

Christian Zoschkes Modell ist das erste seiner Art für das kutane Plattenepithelkarzinom. Momentan arbeitet er an der Optimierung des Modells. Mit diversen Methoden zeigt er, dass das Tumormodell der Situation einer natürlichen Krebserkrankung beim Menschen sehr nahekommt – und darüber hinaus, wie Testsubstanzen in diesem Modell wirken. „Die Kombination der dabei eingesetzten verschiedenen biotechnischen Methoden ist neu und einzigartig“, sagt Zoschke. Dennoch hat der Nachwuchswissenschaftler mit seiner Arbeit ein Problem noch nicht gelöst: „Es bleibt ein isoliertes Modell, das mit keinem lebenden Organismus verbunden ist“, räumt er ein.

Nächster Schritt: Hautmodell mit Organismusmodell verbinden

„Über die Konsequenzen, die ein zu testender Wirkstoff für den menschlichen Körper insgesamt hat, können wir damit noch nichts sagen.“ Denn bei der lokalen Behandlung des Plattenepithelkarzinoms könne ein Arzneistoff schon in geringen Mengen in andere Organe gelangen, sagt Zoschke. An der Technischen Universität Berlin gebe es bereits eine Arbeitsgruppe, die mehrere Organe miniaturisiert nachbaue und durch eine Art Kreislauf verbinde. Eine andere Gruppe an der Freien Universität Berlin und der Charité, der gemeinsamen Universitätsmedizin von Freier Universität und Humboldt-Universität, arbeite mithilfe von Computermodellen an der Vorhersage, wie Arzneistoffe sich im Körper verteilen und abgebaut werden, berichtet der Wissenschaftler: „Die Kombination dieser Ansätze erscheint vielversprechend, um die derzeit noch erforderlichen Tierversuche zu reduzieren.“

Weitere Informationen

Berlin-Brandenburger Forschungsplattform BB3R

„BB“ steht für die Region Berlin-Brandenburg, das Kürzel „3R“ für die Reduzierung (reduction), die Verbesserung (refinement) und den Ersatz (replacement) von Tierversuchen. An der Plattform sind neben der Freien Universität Berlin die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Technische Universität Berlin und die Universität Potsdam beteiligt. Außerdem das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch sowie das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin.

Zum Verbundprojekt gehört auch das Graduiertenkolleg „Innovationen in der 3R-Forschung“. Dort haben Doktoranden im Rahmen ihrer Promotion die Chance, sich systematisch und umfassend auf dem Gebiet der tierschonenden Forschung ausbilden zu lassen und selbst wissenschaftlich zum Thema zu arbeiten. Gefördert wird das Projekt „BB3R“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Neue Vortragsreihe Tierschutz in der medizinischen Forschung

Kooperation zwischen Freier Universität, Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin.

Themenschwerpunkt 2014: Forschung zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems

Zeit und Ort

  • Mittwoch, 24. September 2014, 19 bis 20.30 Uhr
  • Freie Universität Berlin, Blütensaal im Botanischen Museums, 2. OG, Königin-Luise-Straße 6-8, 14195 Berlin