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Wie wir wissen, was wir sagen wollen

Adele Goldberg, Linguistin von der Princeton University, ist Einstein Visiting Fellow am Exzellenzcluster „Languages of Emotion“ der Freien Universität

06.06.2012

Die Linguistin Adele Goldberg von der US-amerikanischen Princeton University ist Einstein Visiting Fellow am Exzellenzcluster „Languages of Emotion“ der Freien Universität.

Die Linguistin Adele Goldberg von der US-amerikanischen Princeton University ist Einstein Visiting Fellow am Exzellenzcluster „Languages of Emotion“ der Freien Universität.
Bildquelle: Privat

Bonbons lutschen zu Forschungszwecken – das dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Studie der amerikanischen Linguistin Adele Goldberg. Die Professorin von der Princeton University arbeitet seit Ende 2010 als Einstein Visiting Fellow am Exzellenzcluster „Languages of Emotion“. Die Studie, in der es um die Frage geht, ob sinnliche Erfahrungen – wie der Geschmack eines Bonbons – unsere Einschätzung von Emotionen beeinflusst, gehört zu den Forschungsprojekten, die Goldberg mit ihrer Arbeitsgruppe in Berlin und Princeton durchführt.

Die Versuchsteilnehmer auf beiden Seiten des Atlantiks lutschen süße oder saure Drops. Dabei werden ihnen Bilder mit verschiedenen Gesichtsausdrücken gezeigt, die die Probanden beschreiben sollten. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen: Im Deutschen wird „sauer“ als Metapher für „wütend“ verwendet, das englische „sour“ hingegen beschreibt einen negativ oder pessimistisch eingestellten Menschen. Die Gesichter, die sie sehen, sind aber nicht eindeutig wütend oder negativ – daher stellt sich die Frage, ob die deutschen Studienteilnehmer das gezeigte Gesicht eher als wütend bezeichnen, wenn sie vorher ein saures Bonbon gelutscht haben?

„Für solche cross-linguistischen Studien ist es großartig, deutsche und englische Muttersprachler untersuchen zu können“, sagt Adele Goldberg. Das ist nicht der einzige Grund, weshalb Adele Goldberg gerne mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Clusters „Languages of Emotion“ kooperiert. Der 2007 im Zusammenhang mit der Exzellenzinitiative gegründete Forschungsverbund versammelt Wissenschaftler aus mehr als 20 Disziplinen: „Eine lebendige und intellektuell anregende Atmosphäre“, sagt Goldberg, die regelmäßig zwischen Princeton und Berlin pendelt. Auch von den Möglichkeiten für neurowissenschaftliche Forschung, die das D.I.N.E. (Dahlem Institute for Neuroimaging of Emotion) bietet – die Labore, die zum Cluster „Languages of Emotion“ gehören – ist sie begeistert.

Adele Goldberg ist eine der wichtigsten Vertreterinnen der sogenannten Konstruktionsgrammatik, eines linguistischen Ansatzes, der davon ausgeht, dass Sprache mit anderen kognitiven Prozessen, also dem Denken oder der Wahrnehmung, eng verknüpft ist. Deshalb werden im Bonbon-Experiment auch sinnliche Erfahrung – der Geschmack – mit Sprache („sauer“/“sour“) und der Wahrnehmung eines Emotionsausdrucks verknüpft. 1995, mit 32 Jahren, publizierte sie ihr erstes Buch, „Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure“, zu ihrem Ansatz, dem sie seitdem in empirischen, psycholinguistischen Untersuchungen nachgeht.

In ihrer Theorie geht Goldberg davon aus, dass Kinder beim Spracherwerb zunächst ganze Konstruktionen lernen – Phrasen, Redewendungen oder grammatikalische Konstruktionen, die in ganz bestimmten Situationen immer wieder verwendet werden. Wichtig für ihre Forschung ist immer der Sprach- und Kulturvergleich, denn gerade Redewendungen, Metaphern oder grammatikalische Konstruktionen unterscheiden sich stark. Und wie ließe sich besser vergleichen als mit einer Arbeitsgruppe, die in Ländern mit zwei unterschiedlichen Sprachen arbeitet.

In ihrer bisherigen Forschung seien Emotionen kein Schwerpunkt gewesen, sagt Adele Goldberg. „Aber ich denke, dass Emotionen in der Kognitionsforschung der nächsten Jahre eine wichtige Rolle spielen werden. Das zeigen zum Beispiel unsere Studien zu Emotionsmetaphern: Der Kontext kann die Wahl der Metapher auf subtile Art und Weise beeinflussen.“ Wie sich das Bonbonlutschen also auf die Wahrnehmung von Emotionsmimik auswirkt – die Ergebnisse dieser Studie versprechen Überraschungen.