Springe direkt zu Inhalt

„Ein Fensterchen auf die Sprache öffnen“

Der Linguist Professor Geert Booij ist Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung und Gastwissenschaftler an der Freien Universität Berlin

23.03.2011

Geert Booij ist Linguistik-Professor an der niederländischen Universität Leiden. Er hat grundlegende Arbeiten zur Morphologie und Phonologie verfasst, etwa „The Morphology of Dutch“ oder „Construction Morphology“.

Geert Booij ist Linguistik-Professor an der niederländischen Universität Leiden. Er hat grundlegende Arbeiten zur Morphologie und Phonologie verfasst, etwa „The Morphology of Dutch“ oder „Construction Morphology“.
Bildquelle: Jennifer Lohr

„Am Anfang war das Wort.“ Das Bibelzitat ließe sich getrost auf den niederländischen Sprachforscher Geert Booij anwenden, denn bei ihm dreht sich alles um Wörter. Der Wissenschaftler der Universität Leiden wurde über die Grenzen der linguistischen community hinaus für seine grundlegenden Arbeiten zur Morphologie und Phonologie international bekannt. Booij ist Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung und für ein halbes Jahr an der Freien Universität.

„Ich freue mich sehr, an meiner Heimatuniversität eine Art Botschafter Deutschlands sein zu können“, sagt Booij über seine enge Verbindung zum Nachbarland und dessen Sprache. Beides hat ihn nun an die Freie Universität geführt. Gemeinsam mit Professor Matthias Hüning vom Institut für Niederländische Philologie wird er an einem Forschungsvorhaben zu Konstruktionsgrammatik und diachroner Morphologie arbeiten. Im Zentrum der Untersuchungen stehen dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede der niederländischen und deutschen Sprache. Die Ergebnisse sollen auch Anreiz für die Entwicklung neuer Sprachlernstrategien liefern.

Wissenschaft im Dialog

„Das Knüpfen internationaler Kontakte ist für die Forschung von großer Wichtigkeit“, sagt Booij. Durch „gemeinsames Brainstorming“ und die tatsächliche Zusammenkunft der Wissenschaftler könne der wissenschaftliche Diskurs in einem Maße intensiviert werden, wie es sich durch den schriftlichen Austausch allein niemals erreichen ließe. Dabei sei der enge Kontakt zwischen Wissenschaftlern verschiedener Länder besonders dann wichtig, wenn der Diskurs über die Sprache selbst gehe: „Sprechen über Sprache funktioniert immer noch am besten im persönlichen Gespräch.“

Sprache zwischen Kultur und System

So ähnlich das Deutsche dem Niederländischen auch ist, so verschieden sind beide Sprachen. „Es interessiert mich herauszufinden, welche funktionalen und kulturellen Aspekte dazu führen, dass ähnliche Möglichkeiten innerhalb zweier Sprachsysteme je nach Land unterschiedlich genutzt werden“, sagt Booij. So gebe es etwa in beiden Sprachen ein Suffix -in, um die weibliche Form anzudeuten, doch würde dieses im Niederländischen kaum noch verwendet. Ganz allgemein wäre das Niederländische im Hinblick auf die Verwendung weiblicher Formen weniger „politisch korrekt" als das Deutsche: „Wir sagen im Niederländischen ‚Studenten’, aber niemals wie im Deutschen ‚Studentinnen und Studenten'."

Derartige Divergenzen trotz ähnlicher Sprachstrukturen müssen Booij zufolge auf zwei Ebenen betrachtet und analysiert werden. Es sei die „Mischung aus biologischen und kulturellen Aspekten“, die „Bilanz von Natur und Kultur“, die schließlich das spezifische Gesicht einer Sprache ausmachten.

Niederländisch – für den Deutschen so niedlich

„Öffne doch bitte einmal das Fensterchen!“ An dieser Aufforderung, die für einen Deutschen möglicherweise merkwürdig klinge, fände ein niederländischer Muttersprachler nichts Komisches: Das Diminutiv – die Verkleinerungsform – wird im Niederländischen häufig benutzt und ist eines der vielen Beispiele dafür, wie stark die gesprochene Sprache durch die Kultur eines Landes geprägt wird.

Sprachen lernen, Kultur verstehen

Vokabeln lassen sich pauken, der kulturspezifische Anteil einer Sprache jedoch muss erlebt werden, damit eine Fremdsprache auch im konkreten Gespräch authentisch angewendet werden kann. „Auch hier möchte ich in dem geplanten Projekt ansetzen“, sagt Booij. Es sei interessant zu testen, welche Ergebnisse des Deutsch-Niederländischen Vergleichs nicht nur für die Sprachtheorie und die Entwicklung von Grammatikmodellen, sondern womöglich auch für die Weiterentwicklung von Sprachlernstrategien nutzbar würden. .

Alle Sprachen eng beieinander

Ein Vorteil, den der Aufenthalt an der Freien Universität für ein solches Projekt biete, sei die hohe Präsenz der europäischen Sprachen am geisteswissenschaftlichen Fachbereich der Universität. Auch der eingeführte Masterstudiengang „Sprachen Europas“ zeuge von der Notwendigkeit, die sprachvergleichende Forschung noch stärker zu fördern, sagt Geert Booij: „Es wird Freude machen, diese günstige Struktur für das Projekt zu nutzen."