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Autofahren wie James Bond

Informatiker der Freien Universität steuern Pkw mithilfe eines iPhone

04.11.2009

Informatikprofessor Raúl Rojas von der Freien Universität hat mit seinem Forscherteam einen Pkw entwickelt, den man führerlos über ein iPhone navigieren kann

Informatikprofessor Raúl Rojas von der Freien Universität hat mit seinem Forscherteam einen Pkw entwickelt, den man führerlos über ein iPhone navigieren kann
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Kein Geisterauto, sondern Zukunftsmusik: Der Informatiker Professor Raúl Rojas von der Freien Universität Berlin hat mit seinem Forscherteam einen Pkw entwickelt, den man führerlos über ein Mobiltelefon navigieren kann. Der Wissenschaftler hat auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof das System getestet und gezeigt, wie modernes Autofahren in Zukunft aussehen könnte.

In dem James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ sieht man, wie der britische Geheimagent 007 in einem Hamburger Hotel, von Angreifern umzingelt, im Parkhaus des Gebäudes in eine Falle gerät. Es bleibt dem Agenten angesichts der Überzahl der Gegner nichts anderes übrig, als sein Multifunktions-Handy zu zücken, per Display und Fernsteuerung ein Fluchtauto zu rufen, hineinzuspringen und es vom Rücksitz aus, wie von Geisterhand, aus dem Hotel zu navigieren. Gerettet!

Was 1997 beim Dreh des Filmes wie eine kühne Utopie gewirkt haben muss, ist heute Realität. Der Informatiker Professor Raúl Rojas hat mit seinen Mitarbeitern der Forschungsgruppe „Künstliche Intelligenz“ vom Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität eine Software entwickelt, mit der man per iPhone einen Personenkraftwagen fernsteuern kann – ganz wie bei James Bond. Auf der Website des Projekts, das den Titel „Spirit of Berlin“ trägt, lässt sich das Ergebnis über ein Youtube-Video bestaunen. Der Chrysler-Van, der von den Mitarbeitern zur führerlosen Steuerung umfunktioniert wurde, fährt ohne Insassen über das Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof. In einigen Metern Entfernung steht ein Mitarbeiter der Freien Universität mit einem iPhone in der Hand, über dessen Display er den Pkw von rechts nach links steuert. Und das auch noch unfallfrei.

Die Programmierung der Handy-Software war gar nicht so schwierig

„Als ich die Idee dazu hatte, sagten meine Mitarbeiter, ich sei verrückt. Dann stellte sich aber heraus, dass wir nur ein paar Tage benötigen würden, um die Software zu programmieren.“ Grundlage für das Gelingen des Experiments sei ohnehin der führerlose Chrysler-Van gewesen, an dem Professor Rojas mit seinen Studenten und Doktoranden seit zwei Jahren bastelt. Das Auto verfügt über eine automatische Gas-, Brems- und Lenktechnik, die autonomes Fahren ermöglicht. Man muss lediglich einen Zielpunkt angeben, zu dem man gefahren werden möchte. Den Rest erledigt das Auto.

Die iPhone-Software, die über appirion, eine Firmenneugründung von Studenten der Freien Universität vertrieben wird, sollte nur eine kleine Ergänzung sein, ein „show-case“, wie der Informatiker sagt. „99 Prozent der Arbeit stecken eigentlich im Fahrzeug. Wir haben einen Pkw entwickelt, mit dem man führerlos von A nach B fahren kann. Die Programmierung der Handy-Software war dann im Vergleich nicht mehr so schwierig.“

Das führerlose Auto soll eine Antwort auf die Frage geben, wie umweltfreundliches Fahren in Zukunft aussehen könnte. Denn wenn nur noch Autos, wie sie Professor Rojas entwickelt hat, auf den Straßen unterwegs wären, wäre der private Pkw überflüssig. „Mit einem führerlosen Car-Sharing-System könnte man auf zwei Drittel aller Autos verzichten. Man könnte dann, wenn man ein Auto braucht, eines rufen und mit mehreren Mitfahrern zum Zielpunkt fahren.“ Das würde einen geringeren CO2-Austoß und einen effizienteren Energie-Verbrauch bedeuten.

Über 400.000 mal auf Youtube angeklickt

Mit der iPhone-Software will Professor Rojas jetzt auf das Potenzial seiner neuen Technik aufmerksam machen. Mit Erfolg. Denn die Begeisterung in der Öffentlichkeit hat selbst den Wissenschaftler überrascht. „Das Youtube-Video, das unser iPhone-Projekt vorstellt, wurde bereits über 400.000 mal angeklickt. Damit ist es das meist gesehene Wissenschaftsvideo im Monat Oktober in Deutschland, Schweden, Russland und anderen Ländern“, freut sich der Informatiker.

Ob dieser Erfolg auf den James-Bond-Effekt zurückzuführen sei? „Ich weiß es nicht“, sagt Professor Rojas und muss schmunzeln. „Ob Sie es glauben oder nicht: Ich habe den Film nie gesehen.“