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Vom Werden des Wollschafs bis zur Wasserversorgung antiker Städte

Im Exzellenzcluster „Topoi“ wird zu Raum und Wissen im Altertum und deren Bezügen zur Gegenwart geforscht

18.04.2011

Im Pergamonmuseum wurde "Topoi" im November 2008 feierlich eröffnet. Im Juni nächsten Jahres sollen hier in einer Ausstellung Forschungsergebnisse präsentiert werden. Das Bild zeigt das Museum in einer Aufnahme vor 1945.

Im Pergamonmuseum wurde "Topoi" im November 2008 feierlich eröffnet. Im Juni nächsten Jahres sollen hier in einer Ausstellung Forschungsergebnisse präsentiert werden. Das Bild zeigt das Museum in einer Aufnahme vor 1945.
Bildquelle: SMB-ZA, V/Fotosammlung 2.2/4903

Von Sonja Martens

Es hat watteweiches Fell, große Kulleraugen und liegt gemächlich auf einer grünen Wiese: Man muss es einfach lieb haben, dieses menschenfreundliche, pflanzenfressende Schaf. Vermutlich hatte irgendein Mensch einfach mal das Bedürfnis, ein solches Schaf ganz fest zu drücken und wurde dabei auf die Weichheit und die Wärme des Schafspelzes aufmerksam. Bis zum ersten Wollpullover war der Weg nicht mehr weit. So könnte es gewesen sein. Wie aber wurde das Schaf tatsächlich vom Haustier und Fleischlieferanten zur Grundlage unserer Kleidung, zum Wollschaf? Dies ist nur eine von vielfältigen Fragen, die im Exzellenzcluster „Topoi“ der Freien Universität und der Humboldt-Universität sowie ihren Partnereinrichtungen behandelt werden.

In dem Forschungsverbund arbeiten seit Jahresende 2007 auch Wissenschaftler der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Archäologischen Instituts, des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Forscher verschiedener Fachrichtungen von Archäologie bis Philosophie untersuchen Wissen und Räume des Altertums zwischen 5000 v. Chr. und 500 n. Chr. Die Vorstellung des Raums ist dabei abstrakt: kein Zimmer mit vier Wänden, sondern alles, was in der Vorstellung oder in der Realität räumlich ist oder gedacht werden kann. „Das können Himmel und Hölle sein, geografische, soziale und politische Räume, ein menschlicher Körper – der Raum dient als analytische Kategorie“, erklärt Michael Meyer, Sprecher des Exzellenzclusters und Professor für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität.

Im Fall des Schafs als Wolllieferant untersuchen Archäologen etwa die Gegenstände, die zur Verarbeitung der Wolle benutzt wurden. Geografen erforschen, wie die Haltung von Schafherden Landschaften veränderte. Biologen erstellen genetische Analysen aus Knochenmaterial des Schafs, und Altphilologen beleuchten die Darstellung von Schafen in Texten und Bildern. So kann das Bild vom ersten Auftreten des Wollschafs zwischen dem 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. in Vorderasien und Europa und die Ausbreitung dieser Neuheit im Raum präzisiert werden.

Etwa 220 Wissenschaftler sind in dem Forschungsverbund vertreten, darunter Mathematiker, Philosophen, Wissenshistoriker, Geografen, Philologen, Linguisten, Theologen und einige mehr. „Uns interessiert nicht nur, welche Räume und welches Wissen über Räume im Altertum existierten, sondern auch, wie dieses Wissen in die Gegenwart gewirkt hat“, sagt Meyer. Raum und Wissen sind miteinander verknüpft, wenn es etwa um die Wasserversorgung antiker Städte im Sudan geht; hier sind historisches und geografisches Wissen zum Klima gefragt. Raum und Wissen treffen auch in einer Töpferei aufeinander, denn neue Techniken verbreiteten sich im Raum, die besten Tonlagerstätten mussten in der Landschaft gesucht und gefunden werden, und schließlich zeigte die Verbreitung der Töpfereiprodukte alte Handelsnetze und ökonomische Strukturen.

Die Wissenschaftler arbeiten in fünf Themenblöcken: Es geht um den Menschen und seine Einflüsse auf den Naturraum, um soziale und politische Konstruktion von Räumen – etwa durch Gruppenbildungen, Verträge oder Grenzziehungen. Weitere Komplexe sind die Darstellung von Räumen in Texten und Bildern, Raum und Wissen in der Philosophie und Wissensgeschichte sowie die Transformation antiker Räume und Wissensbestände bis in die Gegenwart. „Das Besondere an unserem Cluster ist, dass wohl erstmals in den Altertumswissenschaften Forscher aus den unterschiedlichsten Fächern mit dem gleichen Blickwinkel und dem gleichen Erkenntnisinteresse auf ein Thema schauen“, sagt Meyer. Die Ergebnisse einzelner Gruppen werden auf Tagungen und Workshops zusammengetragen. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir Wissenschaftler untereinander alle sehr dicht vernetzt sind, wir haben bereits neue Ideen für die zweite Runde des Clusters nach 2012 gesammelt und arbeiten an einem Verlängerungsantrag.“ Noch in diesem Jahr soll das „Berliner Antikekolleg“ gegründet werden als Dach für die gemeinsamen Forschungsprojekte der fünf Berliner Institutionen und die Graduiertenausbildung. Im Juni 2012 wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse in einer Ausstellung des Berliner Pergamonmuseums präsentieren, im selben Monat wird über die Fortsetzung des Clusters entschieden.

Im Internet:
www.fu-berlin.de/sites/inu/clusters/topoi