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Mit voller Kraft für die Prävention

Ulf Landmesser übernimmt die Leitung der Klinik für Kardiologie auf dem Charité Campus Benjamin Franklin

Der langjährige Leiter der Charité-Klinik für Kardiologie und Pulmologie, Professor Heinz-Peter Schultheiß (l.), übergibt das Steuer an Professor Ulf Landmesser, der vom Universitätsspital Zürich kam.

Der langjährige Leiter der Charité-Klinik für Kardiologie und Pulmologie, Professor Heinz-Peter Schultheiß (l.), übergibt das Steuer an Professor Ulf Landmesser, der vom Universitätsspital Zürich kam.
Bildquelle: Frank Nürnberger

Zugegeben, leicht ist ihm der Wechsel nicht gefallen. Die Arbeit in Zürich, einem Hot Spot europäischer Herzmedizin, und die Nähe zu Italien, der Heimat seiner Frau, waren schon reizvoll. Dass Ulf Landmesser sich dennoch für Berlin entschieden hat und am 1. Oktober den Staffelstab – pardon, den Herzkatheter – von seinem Vorgänger Heinz-Peter Schultheiß übernommen hat, ist nicht nur dem Renommee der Charité zu verdanken. „Für Berlin sprach unter anderem die Möglichkeit, mit dem Berlin Institute of Health ganz neue Wege in der Forschung zu gehen“, sagt der 43-Jährige. „Und außerdem ist Deutschland ja meine Heimat.“

Professor Ulf Landmesser stammt aus Dresden und studierte an der Medizinischen Hochschule Hannover. Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt an der Emory-University in Atlanta kehrte er zunächst als Oberarzt nach Hannover zurück. 2007 wechselte Landmesser an das Universitätsspital nach Zürich, an dem er 2012 stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie wurde. Er ist Mitherausgeber des European Heart Journals und seit drei Jahren Gastprofessor am University College London. „Es ist eine spannende Aufgabe für mich, die Herzmedizin in Berlin weiterzuentwickeln.“ Konkret beginnt das gleich an seiner Klinik auf dem Charité Campus Benjamin Franklin. „In den kommenden Wochen und Monaten werden wir hier mit dem neuen Hybrid-OP die Basis schaffen für Behandlungen, die bisher am Standort nicht möglich waren. Zum Beispiel Herzklappeneingriffe via Katheter“, erläutert er.

Sanftere Therapien sind das Ziel

Bis dato mussten die Patienten dafür von Steglitz zum Charité Campus Mitte gefahren werden – samt Operateur. Mit minimal-invasiven Eingriffen ist die Kardiologie bereits auf einem Weg zu sanfteren Therapien. Die Behandlung der Herzkranzgefäße lasse sich aber weiter optimieren, sagt Landmesser: „Früher haben wir uns die Gefäße nur angesehen und dort, wo es eng war, mit Ballon oder sogenanntem STENT behandelt. Inzwischen wissen wir, dass es gezielter und effizienter ist, wenn man diesen Eingriff mit anderen Methoden verbindet.“ Die Optische Kohärenz-Tomografie (OCT) etwa ermögliche es dem Kardiologen, sich mithilfe eines Infrarotlicht-Verfahrens über einen speziellen Katheter ein Bild in mikroskopisch genauer Auflösung vom Zustand der Gefäßwandveränderungen am Herzen zu machen. „Aus den dabei entstehenden Schichtbildern lernen wir, welche Ablagerungen gefährlich sind, also einen Infarkt verursachen können, und welche Stellen stabil sind.“ Landmesser will deshalb an der Charité ein OCT-Labor für Deutschland nach internationalem Standard aufbauen.

Auch bei den STENTS, den feinen Gefäßstützen, die verengte Gefäße langfristig offenhalten, geht die Entwicklung weiter. Inzwischen werden statt Metall-STENTS auch Stützen aus Polymilchsäure eingesetzt und weiterentwickelt, die schnell vollständig von körpereigenen Epithelzellen überwuchert werden, dann nicht mehr an, sondern geschützt in der Gefäßwand sitzen und sich nach eineinhalb bis zwei Jahren komplett auflösen. Nur eines kann noch besser sein als ein Herzkatheter-Eingriff: Prävention, damit es gar nicht erst zum Infarkt kommt.

Mit „gutem Cholesterin“ vorbeugen?

Intensiv hat Landmesser das „gute Cholesterin“ HDL erforscht. Die Hoffnung, es bei Menschen mit erhöhtem Infarktrisiko therapeutisch einsetzen zu können, um die gefäßverengenden Plaques wieder aufzulösen, hat sich jedoch zerschlagen. „Wir fanden heraus, dass bei den Patienten das HDL bereits verändert ist und deshalb nicht mehr gefäßschützend wirkt“, erklärt Landmesser. Warum aber hat dieses Molekül seine Schutzfunktion verloren? „Schon Virchow sah durch sein Mikroskop, dass Arteriosklerose der Herzkranzgefäße eine entzündliche Erkrankung ist.“ Mit molekularbiologischen Methoden will Landmesser herausfinden, wie sich der Entzündungsprozess beeinflussen lässt, damit die Ablagerungen erst gar nicht entstehen.

Könnte ein Entzündungshemmer vor Infarkten schützen? „Im Prinzip ja. Entzündliche Prozesse sind jedoch schwierig zu therapieren, weil sie nicht nur zerstörerische, sondern auch gefäßheilende Elemente haben.“ Neue Ansätze in der Schlaganfall-Prävention gehören ebenfalls zu Landmessers Schwerpunkten. Gemeinsam mit Charité-Neurologen will er dieses Thema weiter verfolgen. „Ein Schlaganfall hat seine Ursache häufig im Herz“, erklärt der Kardiologe, „in Gerinnseln, die aus dem Herz in den Kopf wandern.“ Sie entstehen oft an den Herzohren, kleinen Ausstülpungen an den Vorhöfen der Herzkammern. „Diese Strukturen werden für die Herzfunktion eigentlich nicht benötigt. Man kann sie mit dem Katheter veröden und so ein Hauptrisiko für die Gerinnselbildung ausschließen.“

Forschung ist jedoch nur ein Teil von Landmessers Arbeit. Ihm unterstehen drei kardiologische Stationen, dazu die kardiologische Intensivstation, vier Herzkatheter-Labore, künftig ein Hybrid-OP, den sich die Kardiologie mit der Gefäßchirurgie teilt – und in diversen speziellen Ambulanz-Sprechstunden ist sein Rat ebenfalls gefragt. Das braucht viel Energie. Eine Herausforderung, die Ulf Landmesser gern annimmt. „Für mich war es genau das richtige Alter, nochmal so einen Schritt zu tun.“ Er weiß ein hoch motiviertes, gut ausgebildetes Team an seiner Seite.

Weitere Informationen

Lesen Sie auch das Poträt von Professor Heinz-Peter Schultheiß, langjähriger Leiter der Charité-Klinik für Kardiologie und Pulmologie  und Vorgänger von Professor Ulf Landmesser.