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„Karriere steuerbar machen“

Herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler werden an der Freien Universität in den unterschiedlichen Laufbahn-Phasen gefördert

Nachwuchsförderung als Gemeinschaftsaufgabe: Die Freie Universität setzt sich dafür ein, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Raum für ihre Forschung zu bieten – um so den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Nachwuchsförderung als Gemeinschaftsaufgabe: Die Freie Universität setzt sich dafür ein, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Raum für ihre Forschung zu bieten – um so den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Es sei „außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten“, sich den „Bedingungen der akademischen Laufbahn auszusetzen“, schrieb der Soziologe Max Weber 1919 in seinem Aufsatz „Wissenschaft als Beruf“. In einer ähnlichen Lage befindet sich der wissenschaftliche Nachwuchs heute: Der Weg zwischen Promotion und Professur ist trotz großen Engagements von Unwägbarkeiten geprägt. Wie kann es gelingen, sehr guten Nachwuchskräften klarere Perspektiven zu bieten und ihnen Raum zu geben, ihre Forschung voranzutreiben? Ein Gespräch mit Universitätspräsident Professor Peter-André Alt über Nachwuchsförderung an der Freien Universität Berlin.

Herr Alt, die schwierige Situation des akademischen Nachwuchses wurde in letzter Zeit unter anderem vom Wissenschaftsrat beklagt. Was tut die Freie Universität, um wissenschaftliche Karrieren planbarer, transparenter und verlässlicher zu machen?

Die Phase, in der junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht wissen, ob sie auf Dauer im Wissenschaftssystem verbleiben können, ist länger als in anderen Berufen. Aber wir können als Institution durchaus etwas tun. Es ist der Kerngedanke des Karrierewege-Modells, das im Zentrum des in der Exzellenzinitiative erfolgreichen Zukunftskonzepts der Freien Universität Berlin steht, die Planbarkeit in akademischen Laufbahnen zu erhöhen und akademische Karrieren steuerbar zu machen. Ich denke, dass wir hier schon einige Erfolge erzielt haben.

Was ist das Besondere am Karrierewege- Modell der Freien Universität?

Unser System ist sehr differenziert und nuanciert. In seiner Gesamtheit überspannt es die gesamte Strecke von der Doktorandenförderung bis zur Berufung. Es ist aber – und das ist wichtig – kein System, in dem es einen Automatismus für eine Berufung gibt. Der „Track“, also die Spur, auf die man in einer Karriere kommt, kann verschiedene Richtungen nehmen. UnserModell ist flexibel und besteht aus vielen Bausteinen für die verschiedenen Phasen einer akademischen Karriere vor einer Dauerposition. Wir fördern – und das ist der zweite wichtige Punkt – die Übergänge, die Zwischenphasen für diejenigen, die sich in der vorherigen Phase sehr gut bewährt haben. Diese jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dann Zeit zur Vorbereitung neuer Projekte. Wir ermöglichen ihnen den Verbleib im Wissenschaftssystem und versuchen, sie vor Phasen großer Unsicherheit zu bewahren.

Welche Sorgen hören Sie – auch als Wissenschaftler und Hochschullehrer – von jungen Kollegen oder Mitarbeitern?

Das Thema befristeter Stellen und die Unsicherheit, wie es weitergeht, hat auch an der Freien Universität große Bedeutung. Darüber hinaus haben sich die Aufgaben für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den letzten Jahren stark verändert, und es sind neue hinzugekommen: Verwaltung und Forschungsmanagement, Einwerbung von Drittmitteln, aber auch das Fördern von Nachwuchs, um nur einige zu nennen. Als Assistent in den achtziger Jahren war mir klar, dass ich gelegentlich Gutachten für meinen Chef schreiben und Vorlesungen halten muss. Aber die Habilitation war das entscheidende Ziel, dem ich mich 14 Stunden am Tag gewidmet habe. Heute sind die Aufgabenfelder vielfältiger, und die Zerstreuung ist größer. Die Universität ist nicht mehr eine Oase von „Einsamkeit und Freiheit“, sie entspricht nicht mehr dem Humboldtschen Forschungsideal. Sie ist ein Ort des unruhigen, betriebsamen Arbeitens geworden. Das hat positive Auswirkungen, birgt aber auch Risiken.

Eine Übergangsförderung im Rahmen des Karrierewege-Modells ist zum Beispiel ein 24-monatiges Postdoktorandenprogramm gleich im Anschluss an die Promotion. Zwei Jahre sind schnell vorbei. Was kommt danach?

Wir haben festgestellt, dass es besser ist, wenn man nicht direkt nach der Promotion eine Juniorprofessur antritt und dadurch eine beachtliche Lehrverpflichtung eingeht. In der Postdoktoranden-Zeit, direkt nach Abschluss der Dissertation, ist es wichtig, dass man forschen, frei arbeiten kann! Diese zwei Jahre sind eine gute Startphase für alle, die sich entschlossen haben, in der Wissenschaft zu bleiben, und eine gute Voraussetzung dafür, erfolgreich als Juniorprofessor oder -professorin zu beginnen. Es ist aber auch eine Orientierungsphase, denn wir wollen mit unserem Modell verschiedene Karrierewege ebnen. Denkbare Schritte sind der Übergang ins Wissenschaftsmanagement, in den Wissenschaftsjournalismus oder eine Tätigkeit in der Industrie. Der Ausstieg aus dem Wissenschaftssystem muss allerdings in solchen Fällen rechtzeitig gelingen.

Juniorprofessuren sind befristet – was passiert, wenn dann keine Dauerstelle, keine Professur auf Lebenszeit im eigenen Fach verfügbar ist?

Wir haben deshalb – als weitere Brückenstufe – befristete W2-Professuren eingeführt, mit denen man Zeit und Möglichkeiten gewinnt. Wir sehen das Erfordernis, herausragenden Nachwuchskräften eine Perspektive zu bieten, und wir brauchen ihre Expertise bei großen Verbundprojekten. Wir haben aus den auf fünf Jahre befristeten Stellen vielfach Dauerberufungen gemacht. Wir fragen deshalb auch schon vorher, ob im jeweiligen Fach genug Spielraum besteht, eine solche Berufung perspektivisch zu realisieren. Allerdings: Wer eine solche Stelle an einer sehr guten Universität wie der unseren hat, kommt häufig auch an einem anderen Ort vorwärts. Die Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren der Freien Universität sind zu 90 Prozent auf Dauerstellen berufen worden oder in andere attraktive langfristige Positionen gelangt, häufig schon während der Juniorprofessur, und nur knapp 20 Prozent davon in Dahlem. Dass viele junge Wissenschaftler anderenorts erfolgreich waren, ist ein Zeichen dafür, dass Juniorprofessuren und befristete Professuren an der Freien Universität ein gutes Sprungbrett für die Karriere sind.

Wie kann man den Erfolg des Karrierewege- Modells messen?

Das erste Kriterium ist das „Placement“, wie es neudeutsch heißt. Wie ist die akademische Karriere verlaufen? Und unsere Zahlen zeigen ja, dass wir bei den Juniorprofessuren eine hohe Erfolgsquote haben. Wir schauen aber auch auf die Publikationen, also darauf, dass ihre Forschung sichtbar wird und dass sie auch an den Forschungsverbünden ihrer Fächer beteiligt sind.

Apropos Kooperationen: Inwiefern zeigt sich das Selbstverständnis der Freien Universität als „Internationale Netzwerkuniversität“ auch im Karrierewege-Modell?

Wir haben die Vorstellung, dass permanent Zirkulation herrscht – auf der regionalen Ebene zwischen Universität und außeruniversitären Einrichtungen, aber auch international. Die Nachwuchsgruppen etwa, die im Rahmen des Karrierewege-Modells gefördert werden, bilden vielfach Kooperationsprojekte mit außeruniversitären Partnern wie Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft oder Max-Planck-Instituten. Mit strategischen Partneruniversitäten – die Freie Universität arbeitet auf dieser Ebene unter anderem mit der Hebrew University of Jerusalem oder der University of British Columbia in Kanada zusammen – wollen wir familienfreundliche Lösungen für Forschungsaufenthalte im Ausland finden und auch jungen Eltern ein Auslandsjahr ermöglichen – oftmals obligatorisch für einen erfolgreichen Karriereweg. Ein Auslandsaufenthalt ist bereits Bedingung für ein zweijähriges Postdoktoranden-Stipendium.

Was ist notwendig, um den Erfolg des Karrierewege-Modells langfristig abzusichern?

Bei der Nachwuchsförderung sehe ich eine Verantwortung der Universität – wir müssen dieses Modell erhalten. Aber ich sehe auch eine Verantwortung des Wissenschaftsstandorts Deutschland und damit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrats. Die Exzellenzinitiative muss fortgesetzt werden. Dies ist schon deswegen notwendig, weil die Universitäten im Rahmen dieses Wettbewerbs – vor allem in der dritten Förderlinie, den Zukunftskonzepten – Gemeinschaftsaufgaben übernommen haben. Nachwuchsförderung ist so eine Gemeinschaftsaufgabe. Doktoranden und Postdoktoranden bilden wir nicht aus institutionellem Egoismus aus – wir wissen ja, dass sie zum allergrößten Teil in andere Wissenschaftseinrichtungen gehen. Wir qualifizieren sie, weil wir den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken wollen und müssen.

„Wissenschaft als Beruf“ – wie attraktiv ist das heute noch für den akademischen Nachwuchs?

Der Beruf des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin bindet enorme Zeitmengen, verlangt sehr großes Engagement und ist deshalb auch nicht immer mit anderen Interessen und Pflichten vereinbar. Das allerdings war schon früher so. In einer Gesellschaft, in der die Thematik Work-Life-Balance eine zunehmend wichtige Rolle spielt, ist Wissenschaft ein schwer integrierbares Modell: viel „Work“, wenig „Life“. Das funktioniert nur, wenn man die Arbeit mit Spaß und Leidenschaft tut, von seiner Tätigkeit überzeugt ist, sie so begeistert macht, dass man gar nicht merkt, dass man arbeitet. Das ist Voraussetzung für die Entscheidung, Wissenschaft als Beruf zu ergreifen.