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Ruf nach mehr Gerechtigkeit

10.04.2014

Ungleiche Chancen: Die wachsende Zahl von Favelas an den Rändern der Hochglanz-Citys zeigt die Kluft zwischen Arm und Reich.

Ungleiche Chancen: Die wachsende Zahl von Favelas an den Rändern der Hochglanz-Citys zeigt die Kluft zwischen Arm und Reich.
Bildquelle: Cifotart; Fotolia.com

Internationales Forschernetzwerk untersucht Ungleichheiten in Lateinamerika aus globaler Perspektive

Immer wieder Proteste: Seit rund einem Jahr gehen die Menschen in Brasilien auf die Straßen, um ihren Unmut zu äußern. Es ist vor allem die soziale Ungerechtigkeit, die sie antreibt: Die Lebensqualität in den Städten hat sich verschlechtert, hinzu kommen Probleme mit der Gesundheitsversorgung und im Bildungswesen. Wie diese Ungleichheiten in Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern durch globale Zusammenhänge beeinflusst werden, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin seit 2009 im Rahmen des Netzwerkes desiguALdades.net. Das Besondere: Involviert sind Forscher aus Deutschland ebenso wie Wissenschaftler aus den jeweiligen lateinamerikanischen Nationen; insgesamt rund 60 Experten aus Politologie, Ethnologie, Ökonomie, Geografie, Rechtswissenschaft und Soziologie.

„Brasilien hat große Bedeutung für das Netzwerk“, sagt einer seiner Sprecher, Professor Sérgio Costa von der Freien Universität. Brasilianische Forscher steuerten nicht nur den Großteil an wissenschaftlichen Arbeiten im lateinamerikanischen Raum bei. Interessant sei das Land auch deshalb, weil die dortigen extremen Ungleichheiten besonders von globalen Verflechtungen geprägt sind. Historisch betrachtet gingen diese auf Kolonialismus und Sklaverei zurück, und seien heute nur im Zusammenhang mit der Tatsache zu begreifen, dass Brasilien als Exporteur von Rohstoffen und Agrarprodukten in die Weltwirtschaft eingebunden ist, wie Costa erklärt.

Seitdem Start des Netzwerkes 2009 haben an der Freien Universität bereits mehr als 20 Nachwuchswissenschaftler und erfahrene Forscher zu brasilienbezogenen Themen geforscht. „Gastwissenschaftler kommen von verschiedenen brasilianischen Universitäten zu uns, vor allem aus den Städten São Paulo und Rio de Janeiro“, erläutert Costa. Sie alle arbeiten im interdisziplinären Austausch an ihren Fragestellungen: Etwa untersuchen sie, warum der brasilianischen Regierung mit ihrem Plan zur Armutsbekämpfung bislang nur ein kurzfristiger Erfolg gelungen ist, aber keine dauerhafte soziale Umverteilung. Oder inwiefern sich die Steuerpolitik auf die Ungleichheit auswirkt.

Andere Forscher beschäftigen sich mit Agrarthemen wie Gentechnik in der Nahrung und Landkonflikten. Überhaupt ist die lateinamerikanische Abhängigkeit von Naturressourcen eine entscheidende Dimension, die über das Netzwerk stärker in die Ungleichheitsforschung eingebracht worden sei, sagt die Netzwerksprecherin Barbara Göbel. Sie ist seitens des Ibero-Amerikanischen Instituts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in das Netzwerk eingebunden.

In den aktuellen Protesten, da sind sich viele der beteiligten Wissenschaftler einig, liegt für die lokale Bevölkerung die Chance, ihren Wunsch nach mehr Gerechtigkeit endlich auch ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu rufen.