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Revolution auf dem Lehrplan

19.02.2014

In einem deutsch-ägyptischen Seminar lernen Studierende aus Berlin und Kairo gemeinsam.

In einem deutsch-ägyptischen Seminar lernen Studierende aus Berlin und Kairo gemeinsam.
Bildquelle: privat

Neue Forschungsideen und Lehrinhalte entwickeln, neue Lehrformen erproben: das ist das Ziel zweier Kooperationsprojekte

Bei einer Taxifahrt in Kairo, erzählt Carola Richter, sei sie schon einmal nach ihrer Facebook-Seite gefragt worden. Solche Erlebnisse zeigten, wie stark die Medien in der arabischen Welt im Umbruch sind. Wer sich in Ägypten politisch informieren will, zapfe so viele Informationsquellen wie nötig an, auch private Seiten in Internet-Netzwerken, sagt die Professorin für Internationale Kommunikation an der Freien Universität: „Wegen der starken Polarisierung der Printmedien haben die sozialen Medien eine wichtige Funktion.“

Und obwohl gerade ungeheuer viel über dieses Thema publiziert werde, so Carola Richter, fänden Wissen und Erfahrungen der Menschen vor Ort oftmals keinen Eingang in die Forschung. Mit einem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Projekt, das im März startet, will sie das ändern und gemeinsammit Fachkollegen aus den wichtigsten Instituten für Kommunikationswissenschaft in sieben arabischen Ländern erstmals westliche und arabische Perspektiven in dieser Disziplin zusammenbringen. Langfristig soll auf diese Weise ein dauerhaftes Forscher-Netzwerk entstehen.

Ein zweites Ziel des Projektes ist, neue Medien stärker im Unterricht einzusetzen. In Sozialwissenschaften wird schon länger darüber nachgedacht, wie man Lehrpläne aktualisieren könnte: Seit knapp zwei Jahren entwickeln und erproben Wissenschaftler aus insgesamt fünf Ländern sowie Studenten aus Deutschland und Ägypten nicht nur neue Lehrinhalte, sondern auch neue Lehrformen. Das Projekt wird von Cilja Harders, Professorin für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, und Ola ElKhawaga, Wirtschaftsprofessorin an der Universität Kairo, geleitet.

Beteiligt sind außerdem Wissenschaftler aus Jordanien, Tunesien und Libyen. Ein solches Projekt, das Wissenschaftler und Studenten einbinde sowie neue Themen und didaktische Fragen einbeziehe, den deutsch ägyptischen und den innerarabischen Austausch fördere, sei wegen dieser Vielschichtigkeit „eine tolle Chance“, sagt Cilja Harders. „Ohne die Revolution hätte es das nicht gegeben.“ Ein deutsch-ägyptisches Seminar und reger Wissenschaftler-Austausch helfe „eigene Denkmuster zu reflektiere und die eigene Prägung – sei es durch die politische Lage oder den wissenschaftlichen Mainstream im Herkunftsland – zu hinterfragen“, sagt Janine Budich, die das Projekt als Koordinatorin begleitet.

Manchmal werfen politische Ereignisse allerdings die Programmplanung über den Haufen: Eine für Oktober vergangenen Jahres geplante Konferenz musste wegen der unsicheren Lage von Kairo nach Tunesien verlegt werden. Trotz aller Flexibilität, die in Umbruchszeiten notwendig ist – ein greifbares Ergebnis hat das Projekt bereits: Vom kommenden Sommersemester an wird im Rahmen eines politikwissenschaftlichen Master-Programms an der Universität Kairo ein Kurs zum Thema „Europa und die Transformationen in der arabischen Region“ angeboten.