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Vertonte Stille

Wie der Klang des Weltraums durch Science-Fiction-Filme immer wieder neu interpretiert wurde.

13.12.2012

Landung auf dem Planeten Altair IV: In dem 1956 erschienen Science-Fiction Film "Forbidden Planet" wurde erstmals ein ausschließlich elektronischer Soundtrack verwendet.

Landung auf dem Planeten Altair IV: In dem 1956 erschienen Science-Fiction Film "Forbidden Planet" wurde erstmals ein ausschließlich elektronischer Soundtrack verwendet.
Bildquelle: www.doctormacro.com

Posaunen, Tuben, Hörner, Fagotte, Trompeten. Dann Paukenschläge. Aus der Dunkelheit des Weltraums wird die Silhouette der Erde sichtbar. Ihr oberer Halbkreis schimmert hell, erleuchtet von der dahinter aufgehenden Sonne. Die Paukenschläge werden leiser, der Klang der Instrumente fügt sich zu Richard Strauss' Sinfonie „Also sprach Zarathustra“. Mit dem 1896 uraufgeführten Orchesterstück beginnt Stanley Kubricks Science-Fiction-Film „2001 – Odyssee im Weltraum“. Die sinfonische Dichtung ist das wiederkehrende Motiv in dem 1968 erschienenen Film, in dem es um die großen Fragen vom Ursprung des Lebens und der Existenz anderer Welten und außerirdischer Wesen geht.

Schon lange vor Kubricks Science-Fiction-Meilenstein wurden Weltraum-Expeditionen filmisch dargestellt. Inspiriert durch visionäre Ingenieure und Weltraumenthusiasten ließen Filmemacher bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Raketen und Raumschiffe zu unserem nächsten Himmelskörper, dem Mond, und in ferne Galaxien abheben. „Die visuellen Klischees über den Weltraum sind seitdem viel weiter verbreitet als ihre klanglichen Pendants“, sagt William R. Macauley. Der Historiker ist Mitglied der Emmy-NoetherNachwuchsgruppe „Die Zukunft in den Sternen“ am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin und forscht zur Ästhetik der Weltraumerkundung.

Jeden Abend, wenn die Sonne auf der einen Seite der Erde aus dem menschlichen Blickfeld verschwindet und wir in den dunklen Sternenhimmel schauen, bekommen wir einen Eindruck davon, wie es im All aussieht. Vornehmlich schwarz. Aber wie es klingt, wenn eine Rakete durchs Weltall fliegt, können wir mit unseren eigenen Erfahrungen nicht vergleichen. Durch das Science-Fiction-Genre sind wir trotzdem mit vielen Tönen, Geräuschen und Musikkompositionen vertraut, die ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Weltall in jedem von uns auslösen.

In Kubricks Film „2001“ beispielsweise werden Weltraum-Szenen mit orchestraler Musik unterlegt. Die Musik wird so zu einem den bewegten Bildern ebenbürtigen erzählerischen Mittel. Mal bewegt sich eine Raumstation freudig-tänzerisch zum Takt des Walzers „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss. Später im Film wird die Forschungsreise des Raumschiffs „Discovery“ in Richtung Jupiter von einem Ballettstück des sowjetisch-armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan begleitet.

Der eigentlich im Weltall vorherrschenden Lautlosigkeit – denn in einem Vakuum sind Töne für den Menschen nicht wahrnehmbar – setzt Kubrick immer wieder orchestrale Kompositionen entgegen und sorgt dafür, dass der Zuschauer gleichzeitig zum aktiven Zuhörer wird. „Kubrick lässt wiederum an anderen Stellen des Films eine minutenlange realistische Stille herrschen und folgt damit einer wissenschaftlich akkuraten, dennoch dramatisierenden Darstellung der Geräuschlosigkeit im All“, sagt Macauley. Da wir gewohnt sind, in der Stille zumindest entfernte Geräusche wahrzunehmen, wirkt die völlige Lautlosigkeit ungewohnt und verstörend – auch weil wir durch Geräusche im Raum erst in der Lage sind, uns zu orientieren. „Wir haben es beim Weltall mit einem Medium zu tun, durch das man reisen, aber durch das man nicht verbal kommunizieren kann. Dieser Gegensatz erzeugt eine Spannung“, sagt Macauley. Ende November organisierte die Forschergruppe einen Workshop zum Klang des Weltalls, der Anthropologen, Historiker, Soziologen sowie Musik-, Kommunikations- und Literaturwissenschaftler aus verschiedenen Ländern an der Freien Universität zusammenführte. Es wurde darüber diskutiert, welche Rolle Technik, Wissenschaft und Kunst dabei spielten, den Weltraum und seine Erforschung zwischen den 1940er und 1980er Jahren klanglich erfahrbar zu machen. „Die zentrale Frage lautete: Wie wurden Klänge und Geräusche sowohl in Tatsachenberichten als auch in Filmen und anderen Unterhaltungsformaten während der Nachkriegszeit in Westeuropa und in den USA verwendet und wahrgenommen“, sagt Macauley. Experten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zeigten beispielhaft, wie die Weltraumerkundung mit Klängen und Geräuschen akustisch erfahrbar gemacht wurde. Während bei Kubrick orchestrale Musik und absolute Stille das Weltall klanglich widerspiegeln, spielte in den Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre elektronisch erzeugte Musik eine wichtige Rolle. „Elektronische Klänge gelten seit jeher als futuristisch und wurden oft mit dem Thema Weltall in Verbindung gebracht“, sagt Macauley. Das Weltall erhält durch musikalische Kompositionen eine „akustische Visitenkarte“, wie der Musikwissenschaftler James Wierzbicki von der University of Sydney schreibt. Diese akustische Kennung war meist technologisch, also künstlich inspiriert. Ein Vorbild für viele Science-Fiction-Filmmusiken war der Soundtrack von Bebe und Louis Barron zum 1956 erschienenen Film „Alarm im Weltall“ (im Original „Forbidden Planet“). Der Film hatte in vielerlei Hinsicht Pioniercharakter. „Es war einer der ersten Filme, dessen Musik ausschließlich mithilfe elektronischer Instrumente erzeugt wurde“, sagt Macauley. „Elektronische Tonalitäten“ nannten die Barrons ihren Sound, der eine radikale Abkehr vom klassischen Hollywood-Soundtrack war. Die offizielle Anerkennung für ihre künstlerische Leistung blieb ihnen vielleicht auch deshalb verwehrt. Ihr Elektro-Sound galt in Hollywood nicht als Musik, weshalb sie keine Chance hatten, als Komponisten für den Oscar nominiert zu werden. In anderen Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre wie „Das Ding aus einer anderen Welt“ und „Gefahr aus dem Weltall“ erlangte ein besonderes elektronisches Instrument Bedeutung: das „Theremin“, benannt nach seinem Erfinder Lew Termen. Ein brotkastenförmiges Instrument, das berührungslos, nur durch den Abstand der Hände zu zwei Antennen, gespielt wird. Oft wurde damit ein anhaltend sonorer Ton erzeugt, der eine beunruhigende Wirkung entfaltete.

In den darauf folgenden Jahrzehnten wurde der Synthesizer-Sound populär. Neue musikalische Techniken fanden schnell im Science-Fiction-Genre Verwendung und verbanden weitere klangliche Formen mit dem Weltraum – „auch wenn man weder damals noch heute von dem typischen Weltraum-Sound sprechen kann“, wie Macauley betont. Im letzten Teil von Kubricks „Odyssee im Weltraum“ dominiert wieder die Musik. Keine Dialoge. Bilder von Tod und Wiedergeburt. Dazu noch einmal das Strauss’sche Werk „Also sprach Zarathustra“: Posaunen, Tuben, Hörner, Fagotte, Trompeten, Flöten, Oboen, Trommeln – und Paukenschläge. Vertraute Klänge, die doch vor jedem Auge ein anderes Weltraumbild entstehen lassen.