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König Herodes

Ein Herrscher zwischen Religion und Politik

08.12.2009

König Herodes: Ein Herrscher zwischen Religion und Politik.

König Herodes: Ein Herrscher zwischen Religion und Politik.
Bildquelle: KHI / Freie Universität Berlin

Der Kindermord von Betlehem, dargestellt im Taufbecken des Doms zu Hildesheim. Die Zahlen der getöteten Kinder schwanken zwischen 14000 und 144000.

Der Kindermord von Betlehem, dargestellt im Taufbecken des Doms zu Hildesheim. Die Zahlen der getöteten Kinder schwanken zwischen 14000 und 144000.
Bildquelle: KHI / Freie Universität Berlin

Durch Gottes Hilfe entging der kleine Moses dem Verbrechen, so wie jetzt Jesus dem Kindermord zu Bethlehem. Die Auffindung des Moses, Eustache Le Sueur (1617-1655).

Durch Gottes Hilfe entging der kleine Moses dem Verbrechen, so wie jetzt Jesus dem Kindermord zu Bethlehem. Die Auffindung des Moses, Eustache Le Sueur (1617-1655).
Bildquelle: KHI / Freie Universität Berlin

Ein Festungspalast circa acht Kilometer südlich von Jerusalem, wo jüngst der Forscher Ehud Netzer wohl das Grab des Herodes entdeckte.

Ein Festungspalast circa acht Kilometer südlich von Jerusalem, wo jüngst der Forscher Ehud Netzer wohl das Grab des Herodes entdeckte.
Bildquelle: KHI / Freie Universität Berlin

Herodes erneuerte den jüdischen Tempel in Jerusalem sehr prachtvoll. (Rekonstruktion des herodianischen Tempels im Israel-Museum in Jerusalem).

Herodes erneuerte den jüdischen Tempel in Jerusalem sehr prachtvoll. (Rekonstruktion des herodianischen Tempels im Israel-Museum in Jerusalem).
Bildquelle: Berthold Werner

Herodes schmückte sich auch mit Städten wie Athen, auch wenn sie nichts mit dem Judentum zu tun hatten – sicher nicht lediglich als Ausdruck einer polytheistischen Gesinnung, sondern als Steigerung seiner Autorität in der hellenistischen Welt.

Herodes schmückte sich auch mit Städten wie Athen, auch wenn sie nichts mit dem Judentum zu tun hatten – sicher nicht lediglich als Ausdruck einer polytheistischen Gesinnung, sondern als Steigerung seiner Autorität in der hellenistischen Welt.
Bildquelle: Instituts für Klassische Archäologie/Freie Universität Berlin

Herodes hatte nichts dagegen, wenn er in griechischen Städten als „Freund der Römer“ oder „Freund des Kaisers“ bezeichnet wurde.

Herodes hatte nichts dagegen, wenn er in griechischen Städten als „Freund der Römer“ oder „Freund des Kaisers“ bezeichnet wurde.
Bildquelle: KHI / Freie Universität Berlin

Die Stadt Caesarea ist ein Prunkstück herodianischer Baupolitik. Die Stadt wurde zu einer der modernsten Hafenstädte des Imperium Romanum ausgebaut.

Die Stadt Caesarea ist ein Prunkstück herodianischer Baupolitik. Die Stadt wurde zu einer der modernsten Hafenstädte des Imperium Romanum ausgebaut.
Bildquelle: Instituts für Klassische Archäologie/Freie Universität Berlin

Jeder Christ assoziiert den Namen des jüdischen Königs Herodes mit seinem Glauben. Denn das Evangelium des Matthäus erzählt: Herodes „geriet in heftigen Zorn, sandte hin und ließ in Bethlehem und seiner ganzen Umgebung alle Knaben im Alter von zwei Jahren und darunter töten, der Zeit entsprechend, nach der er die Weisen ausgeforscht hatte“ (Mt 2,16). Damit sei, so Matthäus weiter, das Wort des Propheten Jeremias (Jr 31,15) erfüllt worden, nach dem Rachel um ihre Kinder weine. Mit dieser Bluttat verfolgte Herodes das Ziel, den „neugeborenen König der Juden“ zu beseitigen. Bekanntlich gelang ihm das nicht – und hier offenbart sich der christologische Kern der Geschichte: Matthäus konnte damit rechnen, dass seine jüdischen Leser mit der Thora vertraut waren, und hier lesen wir im 2. Buch Moses (1,15–22), dass der Pharao befohlen habe, alle Knaben der Hebräer zu töten und in den Fluss zu werfen. Durch Gottes Hilfe entging der kleine Moses dem Verbrechen, so wie jetzt Jesus dem Kindermord zu Bethlehem. Die jüdischen Leser des Matthäus sollten nicht zögern, Gottes erneute Rettungstat als Beleg für die Messianität Jesu anzuerkennen – das war die Botschaft des Matthäus.

Mit dem historischen Herodes hatte diese Geschichte jedoch nichts zu tun, oder doch, gerade mit ihm. Nicht, dass er den Kindermord tatsächlich angeordnet hatte: Zum einen starb Herodes bereits im Jahr 4 vor Christus, was nicht mit dem überlieferten Geburtsjahr Jesu übereinstimmt; aber hier verlegen die Historiker bereitwillig Jesu Geburt vor – unter anderem dieser Legende wegen. Was schwerer wiegt, ist, dass unser Chronist des Herodes, der jüdische Historiker Flavius Josephus (37 bis circa 100 nach Christus), nichts davon weiß, ja mehr noch, dass sich auch in anderen Kulturen solche Kindermordgeschichten als wiederkehrendes Motiv finden, um die Bedeutung des geretteten Kindes gebührend hervorzuheben. Als Beispiele genannt seien Herakles, Ödipus, Romulus, der Perserkönig Kyros, der hellenistische König Pyrrhos und – zeitgenössisch fast – Kaiser Augustus, dessen vorausgesagte Monarchie ausgerechnet der römische Senat mit einem Tötungsbeschluss habe verhindern wollen (Suet. Aug. 94).

Herodes ist die Inkarnation des Bösen

Historisch war die Geschichte also nicht, auch wenn spätere christliche Traditionen meinten, sogar die Zahl der ermordeten Kinder ermitteln zu können. Die Zahlen schwanken zwischen 14000 und 144000. Trotzdem suchte sich Matthäus nicht unbedacht die Gestalt des Herodes aus, um zum Glauben an die Göttlichkeit Jesu hinzuführen. Denn die kollektive jüdische Erinnerung bildete den König als die Inkarnation des Bösen schlechthin ab, er war ein Herrscher, dem alles zuzutrauen war, und kein Jude der Zeit hätte wohl gefragt, ob denn Matthäus’ Berichte überhaupt „wahr“ seien. Bei einem solchen König war das nicht unwahrscheinlich und demzufolge auch durchaus vorstellbar. Ein König des Glaubens war Herodes für die Juden also nicht, aber vielleicht ein gläubiger Jude? Herodes nimmt zweifellos eine zentrale Stellung im jüdischen und christlichen Glauben und in der römischen Politik ein. Doch wie stand er selbst zur Religion? Herodes wurde 73 vor Christus in dem seit etwa zwei Generationen jüdischen Idumäa geboren, das südlich von Judäa lag und wie dieses von der jüdischen Dynastie der Hasmonäer regiert wurde. Unter dieser Dynastie machte sein Vater Antipater Karriere, seine Mutter Kypros war eine nabatäische Adlige. Aber die Unabhängigkeit des jüdischen Reiches sollte nicht mehr lange währen, und wer klug und ehrgeizig genug war, erkannte die Zeichen der Zeit. Herodes war kaum zehn Jahre alt, als der römische Feldherr Pompeius im Jahr 63 vor Christus Jerusalem eroberte, den Tempel dort entweihte und eine neue Ordnung errichtete. Diesen Wechsel unterstützte zunächst Antipater, der 43 vor Christus ermordet wurde, dann sein Sohn Herodes, der 40 vor Christus von den Römern zum König ernannt wurde: Sie trugen nicht nur diesen, sondern alle Machtwechsel mit, die durch die gleichzeitigen römischen Bürgerkriege bedingt waren, und sie dienten allen – ob Pompeius, ob Caesar, ob dessen Mörder, ob Antonius oder schließlich Augustus.

Herodes war mehr als drei Jahrzehnte an der Macht

So gestützt, konnte Herodes lange regieren, mehr als drei Jahrzehnte (40 bis 4 vor Christus) – in einem Reich, das so groß war wie das biblische Reich Davids und Salomons. Um sich auch nach innen zu legitimieren, schließlich war er für viele nur „Halbjude“ (semiiudaios bei Flavius Iosephus) aus dem rückständigen Idumäa, heiratete er im Jahr 37 vor Christus Mariamne, die Enkelin des letzten hasmonäischen Königs und Hohepriesters Hyrkan II. Die Beziehung zu ihr verlief stürmisch, dennoch ließ er sie im Jahr 29 vor Christus hinrichten; die Episode ist einer der beliebtesten Stoffe der Weltliteratur – Voltaire und Friedrich Hebbel schrieben grandiose Dramen über diese unglückliche Liebe. Die Söhne aus dieser Verbindung ließ Herodes später ebenfalls hinrichten. Kein Wunder also, dass ihm der „Kindermord von Bethlehem“ zugetraut wurde. Er selbst starb 4 vor Christus an einer Magenkrankheit, die prachtvolle Leichenprozession ist ausführlich bei Flavius Josephus nachzulesen (Altertümer 17,196–9; Jüdischer Krieg 1,670–673). Sie führte zum Herodeion, einem Festungspalast circa acht Kilometer südlich von Jerusalem, wo jüngst der Forscher Ehud Netzer wohl das Grab des Herodes entdeckt hat.

Welchem Glauben folgte Herodes?

Welchem Glauben also, welcher Religion hing dieser König an? Der jüdischen? Diese bestand zu jener Zeit aus der plakativen Dreiheit Jahwe, Tempel, Thora. Der Glaube an einen einzigen Gott, der nur im Tempel zu Jerusalem kultisch verehrt werden durfte, und die Befolgung des mosaischen Gesetzes waren entscheidend für die Zugehörigkeit zum Judentum. Mindestens seit zwei Generationen war nun die Familie des Herodes „judaisiert“: Aber was bedeutete das? Befolgte Herodes die jüdischen Gesetze, die Thora? Sicher ist, dass Herodes viel unternahm, um seinen Untertanen seine jüdische Herkunft plausibel zu machen, damit er sich als ihr König rechtfertigen konnte. Sein „Hofhistoriker“ Nikolaus von Damaskus gab daher an, dass Herodes von den ersten Familien der babylonischen Diaspora-Juden abstammte. Diese Behauptung war allerdings wenig glaubwürdig, weshalb Herodes sich mit anderen Mitteln als „jüdisch“ zu erweisen suchte. Josephus (Altertümer 15,373 – 379) erzählt eine Geschichte, die der König wohl selbst verbreitet haben dürfte. Ein Angehöriger jener asketischen Sekte der Essener, die uns auch in den berühmten Qumran-Funden begegnet, nämlich ein Mann namens Manaemus, habe dem Knaben Herodes schon in der Schule prophezeit: Du wirst einmal König der Juden. Dabei habe er das Kind, so Josephus weiter, auch belehrt, Ehrerbietung gegenüber Gott zur Grundlage seines politischen Wirkens zu machen. Herodes sah es wohl selbst so: Seine Kenntnisse der jüdischen Religion waren in der Tat gewaltig, und die Essener, eine Gruppe ohne politische Ambitionen, hat er immer geschützt. Darüber hinaus respektierte er die jüdischen Gesetze, trat selbst in Kriegszeiten für die gewissenhafte Darbietung der Opfer ein, bekämpfte jede Schändung des Tempels, hielt das Bilderverbot in Jerusalem ein und verweigerte dem nabatäischen Fürsten Syllaios, seine Schwester zur Ehe zu geben. Dieser war nicht nur kein Jude, sondern verweigerte überdies den Übertritt zum Judentum.

Herodes setzte sich auch für jüdische Belange ein

 Herodes setzte sich in seiner Funktion als König weiterhin für die Belange der Juden in aller Welt ein. So reiste er mit Marcus Agrippa, Freund und zweiter Mann hinter dem römischen Kaiser Augustus, durch das östliche Imperium und konnte manche Privilegien für die jüdischen Gemeinden in den Städten des Reiches erwirken. Dafür ließ er sich bei seiner Rückkehr zu Hause in Jerusalem gebührend feiern.
Noch höher wurde selbst von den frommen Juden eine andere Tat gerühmt, deren letzte verbliebene Spuren wir noch heute sehen können: die Erneuerung und prachtvolle Ausstattung des jüdischen Tempels in Jerusalem, von dem der Talmud sagt: „Wer den Tempelbau des Herodes nicht gesehen hat, der hat seiner Lebtage keinen schönen Bau gesehen“ (Babylonischer Talmud, Bawa batra 4 a; Sukkot 51 b). Flavius Josephus hat diesen im Jahre 20 vor Christus begonnenen Bau in aller Ausführlichkeit beschrieben (Altertümer 15,380–425). Herodes war bemüht, als frommer Mann aufzutreten, und aus diesem Grunde sollte der Tempel unter priesterlicher Kontrolle buchstäblich nach allen religiösen Vorschriften restauriert werden. Aber alle diese Anstrengungen des Herodes verhinderten nicht, dass ihm mehrfach die Übertretung der jüdischen Gesetze vorgehalten wurde. Er war nicht von priesterlichem Geschlecht, maßte sich aber dennoch an, das höchste religiöse Amt des Judentums, das des Hohepriesters, willkürlich zu besetzen.

Ohnehin hatte er noch unter seinem Vater schon als Statthalter von Galiläa bewiesen, dass ihm, wenn es seine politischen Pläne verlangten, religiöse oder gesetzliche Hindernisse gleichgültig waren. Von ihm als „Terroristen“ betrachtete Gegner, die insbesondere den syrischen Nachbarn Galiläas sehr zusetzten, ließ er hinrichten, ohne davon den dafür zuständigen Jerusalemer Hohen Rat (Synhedrion) überhaupt zu unterrichten. Unter größtem, schließlich auch väterlichem Druck, folgte er schließlich der Vorladung des Synhedrions, nur um sich dem drohenden Schuldspruch gleich wieder zu entziehen. Religiöse Skrupel hatte er also keine. Später ließ er in Jerusalem sogar Theater und Amphitheater bauen, veranstaltete Spiele und Tierhetzen – was viele Juden allerdings als Abkehr von den väterlichen Sitten beklagten (Josephus, Altertümer 15,267 – 279). Demgegenüber wog es schon fast gering, dass er einzelne jüdische Vorschriften (Ex 22,1 f.) missachtete, wie den Verkauf überführter jüdischer Straftäter als Sklaven, sogar an Nichtjuden außerhalb Israels (Altertümer 16,1 – 5) – obwohl die Thora das ausdrücklich untersagt. Diese Liste von Übertretungen der jüdischen Gesetze ließe sich fortsetzen. Dies zeigt aber: Herodes war kein frommer Jude, versuchte sich allerdings als solcher in Jerusalem darzustellen. Er aß nicht koscher, er opferte, wenn er außer Landes war, fremden Göttern, und er hielt sich persönlich nicht an die Reinheitsgebote.

Herodes lässt sich "Freund der Römer" nennen

Vielleicht glaubte er an die vielen Götter der römischhellenistischen Welt? Schließlich war er römischer Bürger, hieß mit vollem Namen C. Julius Herodes, hatte nichts dagegen, wenn man ihn in griechischen Städten als „Freund der Römer“ oder „Freund des Kaisers“ ehrte. Die griechisch-römische Religion war polytheistisch und kannte nicht die monotheistischen Religionen prinzipiell innewohnende Intoleranz, die der Ägyptologe Jan Assmann „als die mosaische Unterscheidung“ bezeichnet. Die Unterschiede zwischen der griechisch-römischen Religion und dem Monotheismus hat jüngst der große französische Althistoriker Paul Veyne in einem Essay herausgestellt. Der vielleicht wichtigste wäre Herodes wohl sehr entgegengekommen: das Fehlen einer echten Beziehung zwischen Religion und Moral. Das bedeutet für den Einzelnen Freisein von Druck, von Intoleranz, von Verboten, von messianischen und politischen Implikationen; aber es birgt auch wenig Trost. Denn auch das kennzeichnete das Leben des Herodes, wenn man seine Geschichte bei Flavius Josephus verfolgt. Er war ein leidender König, und vor allem litt er an seiner eigenen Familie, der er überhart und grausam zusetzte. Trost in der Religion hat er offenbar nicht gesucht und wohl auch nicht gefunden, auch ein Hiob war er in seinen persönlichen Katastrophen nicht. Den Polytheismus hat er ebenfalls gefördert, und sein Reich war polytheistisch, was oft vergessen wird. Er war der König Judäas, aber auch Samarias und der Küstenstädte. Neben Juden waren seine Untertanen Samaritaner, Syrer, Griechen und Menschen anderer Herkunft.

Sein Königtum hatte Herodes allein Rom zu verdanken, von dessen Senat er im Jahre 40 vor Christus als König eingesetzt wurde. Rom sicherte seine Stellung nach  innen und außen, und er vergrößerte darüber hinaus sein Reich beständig. Doch die Bindung an Rom brachte nicht nur Rechte mit sich, sondern auch Pflichten. Alle gewichtigen politischen Entscheidungen mussten mit dem „großen Bruder“ abgestimmt werden, Kriege durften nicht eigenmächtig geführt werden, auch seine Wirtschaftspolitik war eingeschränkt.

Herodes hat nur "Kleingeld"

Als Geld durfte Herodes nur „Kleingeld“, also Bronzemünzen prägen, und selbst seine Nachfolgeregelung musste durch den Kaiser abgesegnet werden. Noch einschneidender war, dass die Beziehung zu Rom im Reich des Herodes nicht unsichtbar war, denn der Kaiser musste an zentralen Plätzen verehrt werden, und diesen Kaiserkult organisierte Herodes gründlich. Archäologisch und historisch wurde das in jüngster Zeit sorgfältig untersucht, die Baupolitik des Herodes als Ausdruck seiner Beziehung zu Rom und zu den Juden ist einzigartig, was die Ausmaße, die Verbreitung und die Kosten angeht. Die neben Jerusalem wichtigsten Städte wurden zu Zentren der Nahbeziehung zu Augustus und erhielten dessen Namen: „Samaria“ wurde zu „Sebaste“ – griechische Übersetzung des Augustus-Namens –, und „Stratonsturm“ wurde zu „Caesarea“, das den Namen von Augustus’ Adoptivvater trägt.

Gerade Caesarea ist ein Prunkstück herodianischer Baupolitik, denn zwischen den heutigen Städten Haifa und Tel Aviv an der Küste gelegen, wurde Caesarea zu einer der modernsten Hafenstädte des Imperium Romanum ausgebaut. Dies war zwar auch im römischen Interesse, vor allem aber ein Beweis für die Leistungsfähigkeit des Königs. Die wichtigsten Anlagen – neben dem technisch höchst anspruchsvoll konstruierten und auch nach Augustus benannten Hafen Sebastos – sind Palast-, Tempel- , Theater- und Spielanlagen, die auf Rom, Augustus und die Vielgötterwelt bezogen sind. Diese Stadt sollte eine Modellstadt sein, auch für ein friedliches, gleichberechtigtes Zusammenleben von Juden und Nichtjuden, denn auch in Caesarea waren neben der jüdischen Gemeinde Griechen und Syrer ansässig; auf jeden Fall konnten hellenisierte Juden in Caesarea frei leben, ohne das Land Israel verlassen zu müssen. Dass es Herodes auch um ein zweites Zentrum seines Reiches neben Jerusalem ging, ist schon daran abzulesen, dass die Stadt nach seinem Tod die Hauptstadt der Provinz Judäa im Imperium Romanum wurde. Entsprechend großartig, aufwendig und prunkvoll waren die Einweihungsfeierlichkeiten im Jahr 12 vor Christus (Josephus, Altertümer 16,137–145; Jüdischer Krieg 1,415).
Darüber hinaus aber schmückte und unterstützte Herodes auch Städte und fremde Kulte, die nichts mit dem Judentum zu tun hatten, etwa Athen oder die Olympischen Spiele. Das war sicher nicht lediglich als Ausdruck einer polytheistischen Gesinnung gedacht.

Herodes unterstützte auch Athen und die Olympischen Spiele

Die Wohltaten sollten vielmehr seine Autorität steigern, ihn als jüdischen König auch in der hellenistischen Welt verankern helfen. Auch wenn er damit den jüdischen Diaspora-Gemeinden nutzen konnte, wurde ihm zu Hause vorgehalten, sich beim Kaiser und den Römern einzuschmeicheln, viel Geld für andere auszugeben, anstatt die heimischen Städte zu fördern. Für seine Beziehung zu Rom nutzten all seine kostspieligen Aufwendungen für andere schließlich nichts mehr, weil er seiner Aufgabe, für Ruhe und Ordnung innerhalb seines Reiches zu sorgen, immer weniger nachkommen konnte. Insbesondere die letzten acht Jahre seines Lebens waren hart für ihn, denn seine Phobien verbanden sich zunehmend mit familiären Problemen. Immer mehr fühlte er sich nun von seinen Söhnen hintergangen, die er nacheinander hinrichten ließ; er änderte mehrfach sein Testament und starb schließlich vereinsamt. An seinem Lebensende soll er noch, wie Josephus recht glaubwürdig berichtet, ein blutiges Fanal im Falle seines Todes angeordnet haben: Seine Schwester Salome sollte bei seinem Tod gleichzeitig alle im Stadion zu Jericho versammelten Menschen töten lassen – damit Israel auch wirklich von Klagen angefüllt werde, wenn nicht wegen seines Todes, so doch wegen der Bluttat an seinen Verwandten und Freunden.
Herodes scheiterte an dem Zwiespalt zwischen zwei Herren, den Juden und den Römern. Den Glauben allerdings hatte er lange davor schon verloren.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ernst Baltrusch:

Geboren 1956 im niedersächsischen Ostercappeln bei Osnabrück, Studium der Fächer Geschichte und Lateinische Philologie in Bonn und Göttingen von 1975 bis 1981, Promotion 1986 bei Jochen Bleicken zum Thema „Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der Römischen Republik und im frühen Prinzipat“. Von 1987 bis 1993 wissenschaftlicher Assistent an der TU Berlin bei Werner Dahlheim, 1992 Habilitation mit einer Arbeit über das griechische Völkerrecht vom 8. bis 5. Jahrhundert vor Christus. Seit 1995 Professor für Alte Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität. Mitarbeit am Exzellenzcluster Topoi, bei dem auch das Forschungsprojekt „Die herodianischen Klientelreiche und Rom“ angesiedelt ist. Daraus entstammt auch der obenstehende Artikel.