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Seminar
(S) Die Instrumentalisierung der Vergangenheit für politische Ideologien
Thomas Gertzen
Kommentar
Schon J. W. v. Goethe wusste: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln.“ Die Vergangenheit – auch und insbesondere die weit zurückliegenden Epochen der klassischen Antike oder der ‚Länder der Bibel‘ haben seit Beginn altertumswissenschaftlicher Forschung einen Bezugsrahmen für zeitgenössische gesellschaftliche Diskurse gebildet. Bis zum heutigen Tag dauert diese archäologisch-kulturwissenschaftliche Selbstbespiegelung an, weil Altertumswissenschaften immer in einen gesellschaftlichen und zeitgeistigen Kontext eingebettet sind. Die gezielte Indienstnahme der Vergangenheit – nicht als Referenzraum oder Betrachtungsgegenstand, sondern vielmehr als Projektionsfläche für politische Ideologien – stellt in diesem Zusammenhang ein gesondert zu betrachtendes Phänomen dar, welches allerdings mitnichten auf nur auf einige Perioden von – speziell der deutschen – Geschichte beschränkt ist und sich in allen altertumswissenschaftlichen Fächern und über ihre gesamte Wissenschaftsgeschichte nachweisen lässt.
Dabei kann sich die Auseinandersetzung mit dieser grundlegenden Problematik nicht auf die Identifizierung und Eliminierung bestimmter Begriffs- und Denkkategorien beschränken. – Das ‚N…-Wort‘ zu streichen beseitigt eben nicht das womöglich dahinterstehende rassistische Weltbild, welches seinerseits aber nicht in jedem Fall als diesem Sprachgebrauch zugrundeliegend vorausgesetzt werden kann und historisch eingeordnet werden muss. Andererseits gilt es zahlreiche, dem heutigen Leser womöglich unverdächtig erscheinende Formulierungen, z.B. als Ausdruck eines völkischen Weltbildes erkennen zu lernen.
Setzen sich Altertumswissenschaftler nicht mit der eigenen Forschungsgeschichte und deren wissensgeschichtlichen Hintergründen auseinander, ist ihnen der sinnmachende Gebrauch älterer Literatur ebenso verlegt, wie eine sinnstiftende eigene Forschungstätigkeit. Das Seminar will für diese Aspekte sensibilisieren und eine grundlegende Orientierung bieten.
Das Seminar findet begleitend zu der Ringvorlesung „Antike im Zerrspiegel politischer Ideologien“ (jeden Dienstag, 18 h c.t., beginnend am 15.04.2025) statt. Die regelmäßige Teilnahme an beiden Veranstaltungen wird dringend empfohlen, da das Seminar sich unmittelbar auf Inhalte der Ringvorlesung bezieht.
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Literaturhinweise
Christ, K., Hellas: Griechische Geschichte und deutsche Geschichtswissenschaft, München 1999.
Gertzen, T., „Der König, mein Bruder…“. ‚Framing‘, Selbstbespiegelung und Selbstvergewisserung in der Historiographiegeschichte altorientalistischer Fächer, Berlin 2024.
Rebenich, St., Die Deutschen und ihre Antike: Eine wechselvolle Beziehung, Stuttgart 2021.
Spengler, O., Der Untergang des Abendlandes, Bd. 1: Gestalt und Wirklichkeit, München 1920, 1–71.
Spengler, O., Der Untergang des Abendlandes, Bd. 2: Welthistorische Perspektiven, 189–224.
Walter, U., Antike – Über den Tag hinaus, Göttingen 2017.
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14 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Mi, 16.04.2025 10:00 - 12:00
Mi, 23.04.2025 10:00 - 12:00
Mi, 30.04.2025 10:00 - 12:00
Mi, 07.05.2025 10:00 - 12:00
Mi, 14.05.2025 10:00 - 12:00
Mi, 21.05.2025 10:00 - 12:00
Mi, 28.05.2025 10:00 - 12:00
Mi, 04.06.2025 10:00 - 12:00
Mi, 11.06.2025 10:00 - 12:00
Mi, 18.06.2025 10:00 - 12:00
Mi, 25.06.2025 10:00 - 12:00
Mi, 02.07.2025 10:00 - 12:00
Mi, 09.07.2025 10:00 - 12:00
Mi, 16.07.2025 10:00 - 12:00