Infrastruktur: Theorie und Praxis eines Kulturobjekts
Susanne Strätling
Kommentar
Obwohl Infrastrukturen in der Regel mit konkreten baulichen Anlagen, die sich oft weit in den Raum hinein erstrecken, einhergehen, bleiben sie eigentümlich abstrakt. Das liegt nicht nur daran, dass sie als „kritische Infrastruktur“ besonders geschützt werden und oft unterirdisch oder unterseeisch im Verborgenen verlaufen. Es liegt auch daran, dass die Aufgaben von Infrastrukturen so divers sind – vom Aufbau öffentlicher WLAN-Hotspots (oder historisch: mit Telefonhäuschen) über die Versorgung von Kommunen mit Kanalisationssystemen bis hin zur Zirkulation von Werten im globalen Banken- und Börsensystem. Ausrangierte Infrastrukturen der industriellen Moderne werden zudem gerne zur Behausung von Kunst- und Kultureinrichtungen zweckentfremdet und/oder zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Schaut man auf die Begriffsgeschichte der Infrastruktur, so stellt man fest, dass Infrastrukturprojekte an der Durchsetzung der Moderne mitbauen. Sie sind wesentliches Instrument der Vernetzung von Subjekten, der Übertragung von Information, der Verflechtung von Räumen, der Technisierung von Lebenswelten und der Normierung von Erfahrung. Dabei agieren sie bisweilen wie Medien, die trotz ihrer materiellen Gegebenheit die ihnen zugewiesenen Übermittlungsaufgaben möglichst geräuscharm im Hintergrund erledigen sollen.
Im Seminar beleuchten wir dieses Funktionsspektrum von Infrastrukturen in historischer und systematischer Perspektive. Dabei werden wir uns eingangs eine Übersicht über die bestehende Forschungsliteratur verschaffen und anschließend am Leitfaden von Fallbeispielen versuchen, diese Forschung in Richtung einer Kultur- und Medientheorie der Infrastruktur auszudifferenzieren. Ein thematischer Schwerpunkt des Seminars liegt auf Energieinfrastrukturen, ein regionaler Schwerpunkt auf dem Raum des östlichen Europas. Dabei geraten so unterschiedliche Infrastrukturen wie (gesprengte) Pipelines und Staudämme, (explodierte) Kernkraftwerke oder (gekappte) Kabelstränge in den Blick. Wie gehen jedoch thematisch wie räumlich – je nach Interessenslage der Teilnehmenden – über diese Schwerpunkte hinaus.
Zur Forschungsagenda des Seminars gehört auch, Feldforschung zu betreiben und Infrastrukturen in ihrer materiellen Gegebenheit in Augenschein zu inspizieren. Mitte Juni werden wir deshalb eine Exkursion zum Petrolchemischen Kombinat nach Schwedt, dem Standort eines zentralen Infrastrukturprojekts der fossilen „Deutsch-Russischen Freundschaft“ vor der „Zeitenwende“, unternehmen.
Das Seminar findet wöchentlich von 10-12 Uh statt. Die dritte LV-Stunde setzen wir für die o.g. Exkursion ein.
Für die Bescheinigung der aktiven Teilnahme übernehmen Sie die Erarbeitung und Präsentation eines selbstgewählten Fallbeispiels. Dies kann auch in Gruppenarbeit erfolgen.
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