15422 Seminar

Adornos Kritik des Aktivismus

Dennis Wutzke

Kommentar

Das Lehren und Schreiben Theodor W. Adornos war wichtige geistige Inspiration für viele unter jenen Studierenden, die in den 1960er Jahren in Westdeutschland protestierten. Seine an Marx und Freud anschließende radikale Gesellschaftskritik, die Attacken auf „Kulturindustrie“ und allzu konformistische Wissenschaft, die autoritätskritischen Folgerungen, die er sowohl als Forscher wie als öffentlicher Intellektueller aus dem Nationalsozialismus zog – es waren weit mehr als „Stichworte“, mit denen er eine studentische Linke motivierte, die spätestens seit 1966 immer mehr zur politischen Aktion, zur Praxis überging; auch hier an der FU. Doch schon recht früh, mit einer späten Eskalation in Adornos letzten Lebensjahren 1968/69 entfremdeten sich die Protestierenden und ihr „Lehrer“. Am Ende wurden Adornos Vorlesungen gesprengt, das Frankfurter Institut für Sozialforschung besetzt. Und Adorno rief lieber die Polizei anstatt sich – wie lautstark gefordert – den Demonstrationen, Happenings und Sit-ins anzuschließen. Seine Schüler schimpften auf den allzu resignierten, allzu bürgerlichen, der kämpferischen Aktion stets distanziert bis ablehnend gegenüberstehenden Professor, der sich so gar nicht gemeinmachen wollte mit der sich aufschaukelnden Protestkultur – ganz anders als der im amerikanischen Exil verbliebene Freund Herbert Marcuse. Diese äußere Entwicklung bot Anlass für eine Reihe von Texten Adornos, die ältere Gedanken neu pointierten: zum Verhältnis von Theorie und Praxis, zum Verhältnis von Kritik und Politik, zu den Pathologien von Engagement, Propaganda und dem sogenannten Ticketdenken. Wer diese Texte heute liest, merkt bald, dass die meist nachträglich über den Konflikt zwischen Adorno und den Studenten gelegten Zauberlehrling- oder Vatermord-Motive zur Deutung nicht hinreichen: Es waren nicht einfach die Geister, die Adorno selbst gerufen hatte, die ihm nun auf der Nase bzw. im Institut herumtanzten. Nein, gerade in der „radikalen“ Aktion, die sich an sich selbst berauscht, sah er einen Geist, den er nicht erst neuerdings für zutiefst reflexionsfern und unkritisch, für politisch gefährlich hielt – auch und gerade in seinem linksemanzipatorischen Kleid. Die Kritik am studentischen Aktivismus (Adorno nannte ihn „Aktionismus“ oder auch „Praktizismus“) war also kein neues oder gar bloß habituelles Entsetzen des alten Gelehrten angesichts mancher Übertreibungen der jungen Rebellen. Sie setzte an Motiven an, die bis in die frühen 1940er Jahre zurückreichen. Und dennoch sympathisierte Adorno bis zuletzt zumindest mit den Intentionen der Studierenden, ja auch mit bestimmten Aktionen: Dass es für das Aufbegehren allemal Grund gab, stritt er nie ab. Adorno war Balancedenker, ein Philosoph der offenen Widersprüche – an diesem Problem ist er es in nahezu schmerzhaftem Ausmaß. Im Seminar wollen wird die Argumente, die hinter der Distanz Adornos zum Aktivismus stehen, rekonstruieren, verstehen, auch scharf kritisieren. Wir werden versuchen, sie in sein Werk und in den seit Marx aufgespannten Problemkosmos von „Theorie und Praxis“ einzuordnen. In einem Exkurs werden wir Adornos Denken über „Praxis“ kontrastieren mit dem Herbert Marcuses. Und wir versuchen, uns die geistige Situation jener aufgeregten Jahre begreiflich zu machen – evtl. auch mit Einladung eines OSI-Zeitzeugen. Die Bezüge zu unserer Gegenwart und zu den Fragen an heutigen Aktivismus liegen auf der Hand – so sehr, dass wir sie nicht erzwingen müssen, sondern zunächst ganz historisierend ansetzen können, um doch auch für Heutiges etwas zu erfahren. Schließen

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