Wunderbares und Wissen
Jutta Eming
Kommentar
Die Formulierung des Aristoteles, dass Verwunderung den Anfang der Philosophie bildet und Menschen kein Wissen erworben, wenn sie sich nicht zunächst gewundert hätten, gehört zu den viel zitierten Leitsätzen über wissenschaftliche Erkenntnis in den Geisteswissenschaften. Seltener geht es um die Frage, welches Verhältnis von Verwunderung und Wissen dabei impliziert ist. Bei Aristoteles ist es umgekehrt proportional: Wenn der Gegenstand, welcher Fragen aufwirft, erforscht ist, tritt Wissen an die Stelle von Verwunderung.
Das Seminar setzt bei der Prämisse an, dass ein solches Ausschlussverhältnis für einen zentralen Bereich der Vormoderne nicht angesetzt werden kann: für das Wunderbare in literarischen Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In den bekanntesten ebenso wie in weniger bekannten Dichtungen vertreten Rhetoriken und Narrative über das wunder und über das, was wunderlîche ist, auf verschiedenen literarischen Ebenen Wissen. Monstra, Automaten und künstliche Menschen, Feen und Zauberer, Riesen und Zwerge, magische Objekte oder Sonderbezirke und Anderswelten werfen für literarische Protagonisten, Erzähler und Rezipient:innen Fragen auf, fordern ihre Wissensbestände heraus und erweitern sie zugleich. Auch die theologische Auffassung, dass die Wunder der Natur – als Wunder der Schöpfung – eine Form der Erkenntnis Gottes darstellen, wird damit produktiv verknüpft. Das Seminar verfolgt diese Vielfalt chronologisch und gattungssystematisch für zentrale literarische Texte zwischen 1200 und 1600.
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