HU53444
Vorlesung
The Land without Music? Englische Musikgeschichte im 20. und 21. Jahrhundert
Arne Stollberg
Kommentar
„Das Land ohne Musik“ – so wurde England 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, von dem deutschen Publizisten Oscar Adolf Hermann Schmitz tituliert, der damit freilich nur ein gängiges, seit dem frühen 19. Jahrhundert immer wieder zur Sprache gebrachtes Vorurteil aufgriff. Nach dem Tod Henry Purcells 1695, so der allgemeine Tenor, sei England in die musikgeschichtliche Bedeutungslosigkeit versunken und habe sein Opern- und Konzertleben unter die Herrschaft von „Ausländern“ gestellt, nämlich erst die italienische Oper (Händel) und dann die deutsche Instrumentalmusik (Mendelssohn) das Zepter ergreifen lassen. Ausgehend von diesem fragwürdigen, aber wirkungsmächtigen Geschichtsbild entwickelte sich am Ende des 19. Jahrhunderts eine Gegenbewegung in Form der „English Musical Renaissance“, deren explizites Ziel es war, das viktorianische England – Zentrum des weltumspannenden „British Empire“ – musikalisch wieder auf Augenhöhe mit den Nationen des europäischen Kontinents zu bringen. Hier wird die Vorlesung ansetzen und sowohl die spezifischen (institutionellen, gesellschaftlichen und ideologischen) Rahmenbedingungen der „English Musical Renaissance“ als auch die konkreten Werke ihrer Protagonisten in den Blick nehmen, also Partituren von Ralph Vaughan Williams, Gustav Holst und anderen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf zwei Phänomene gerichtet werden, die – miteinander in Zusammenhang stehend – für weite Teile der englischen Musik am Beginn des 20. Jahrhunderts charakteristisch waren: einerseits die Beschäftigung mit dem Volkslied als Grundlage einer „nationalen“ Tonsprache, andererseits der zur Verklärung des ländlichen Idylls neigende Pastoralismus, greifbar in Werken wie Vaughan Williams’ Pastoral Symphony von 1922 – nach Peter Warlocks ironischer Formulierung: „a little too much like a cow looking over a gate“ – bis hin zu Benjamin Brittens 1949 uraufgeführter Spring Symphony. Auch das wenig bekannte Opernschaffen englischer Komponisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts soll in diesem Zusammenhang anhand einzelner Beispiele näher beleuchtet werden. Mit Edward Elgar gewann die englische Musik wieder internationale Geltung, wobei gerade dieser Komponist nicht auf imperialistische „Pomp and Circumstance“ und die unverwüstliche Melodie des „Land of Hope and Glory“ reduziert werden darf. Schließlich ging der Stern von Benjamin Britten auf, der sich anfangs vehement gegen die Vorherrschaft der „Pastoral School“ zur Wehr setzte, zeitweise sogar in die USA flüchtete, dann aber – nach der Uraufführung seiner Oper Peter Grimes (1945) – für drei Jahrzehnte zur unbestrittenen Zentralfigur des Musiklebens auf den britischen Inseln avancierte. Ihm und seinem Kollegen Michael Tippett werden weitere Stationen der Überblicksvorlesung gewidmet sein, um zuletzt in die unmittelbare Gegenwart vorzustoßen, zu Komponisten wie Harrison Birtwistle oder Thomas Adès, die – bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Stile und Idiome – doch etwas repräsentieren, das es als genuin englischen Beitrag zur vielgestaltigen Musikgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts zu würdigen gilt. Schließen
Literaturhinweise
Music in Britain. The Twentieth Century, hrsg. von Stephen Banfield, Oxford 1995 (The Blackwell History of Music in Britain 6)
Andrew Blake, The Land without Music. Music, Culture and Society in Twentieth-Century Britain, Manchester und New York 1997
Erik Dremel, Pastorale Träume. Die Idealisierung von Natur in der englischen Musik 1900–1950, Köln u. a. 2005
Guido Heldt, Das Nationale als Problem in der englischen Musik des frühen 20. Jahrhunderts. Tondichtungen von Granville
Bantock, Ralph Vaughan Williams, Edward Elgar, George Butterworth, Gerald Finzi und Gustav Holst, Hamburg 2007 (Schriften) Schließen
16 Termine
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