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Gegen Gewalt gegen Frauen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind jährlich circa vier Millionen Frauen in der BRD körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt. Gewalt bedeutet ein zentrales Gesundheitsrisiko für Frauen, gesundheitliche Auswirkungen zeigen sich in körperlichen Verletzungen, (psycho)somatischen Beschwerden und psychischen Erkrankungen. Bei der Aufdeckung von Gewalt und der weiteren Unterstützung für misshandelte Frauen können Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte eine entscheidende Rolle spielen, dennoch wird häufig nicht erkannt, dass gesundheitliche Beschwerden durch Gewalt verursacht sind und eine adäquate Hilfe unterbleibt.

Um das Thema Gewalt gegen Frauen innerhalb der Gesundheitsversorgung zu enttabuisieren, wurde im September 1999 das S.I.G.N.A.L. – Interventionsprojekt gegen Gewalt an Frauen in der Ersten Hilfe/Notaufnahme des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (UKBF) eingerichtet. Das bundesweit einmalige Projekt zielt darauf ab, dass Behandelnde und Pflegende sensibilisiert werden, um häusliche Gewalt als mögliche Ursache von Verletzungen und Beschwerden zu erkennen und Patientinnen eine problemadäquate, weiterführende Unterstützung anbieten zu können. Neben der medizinischen Versorgung erhalten Frauen Informationen über Zufluchtsmöglichkeiten sowie eine umfassende gerichtsverwertbare Dokumentation vorliegender Verletzungen und Beschwerden.

Das Projekt entstand als Kooperationsmodell aus dem Antigewaltbereich (Frauenzimmer/Gut-Training) mit den Frauenbeauftragten des UKBF und mit der Unterstützung der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Finanziell wurde das Projekt bislang ausschließlich durch den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) unterstützt, so dass Fortbildungen für die Beschäftigten durchgeführt werden konnten. Seit 2001 unterstützte der ASB die Bezahlung der Koordinatorin mit zehn Wochenstunden bis einschließlich Juni 2002.

Mit Beginn des Projekts begannen zweitägige Schulungen des Krankenpflegepersonals. Fortbildungsveranstaltungen für das ärztliche Personal konnten zu einem späteren Zeitpunkt etabliert werden. Bis heute sind etwa 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Krankenpflegebereich geschult worden, circa 180 Ärzte und Ärztinnen nahmen an den Fortbildungsveranstaltungen teil.

Das Projekt wird durch eine Projektsteuerungsgruppe geleitet, der die Weiterentwicklung und Umsetzung des S.I.G.N.A.L. – Konzeptes, die Organisation und Planung des Projektverlaufes, Öffentlichkeitsarbeit, Organisation der Fortbildungen sowie die Informationsvermittlung an alle involvierten Mitarbeiterinnen obliegt. Regelmäßig finden Treffen der Steuerungsgruppe mit Mitarbeiterinnen der Ersten Hilfe/Notaufnahme statt, um über neue Entwicklungen zu informieren, in der Praxis auftretende Probleme zu besprechen und Lösungen zu erarbeiten.

Seit 2000 wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Die Begleitforschung wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über den Zeitraum von drei Jahren finanziert. Aus der anfänglichen Projektgruppe, an der auch klinikexterne Personen beteiligt waren, entstand Ende 2000 eine übergreifende S.I.G.N.A.L.-Arbeitsgruppe, die sich 2002 als eingetragener Verein etablierte. Ziel des Vereins ist der Aufbau einer berlinweiten Koordinations-und Anlaufstelle zur Implementierung von Interventionsprojekten gegen Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung.

Zukünftig will das Projekt berufsgruppen- und abteilungsübergreifende Fallbesprechungen anbieten. Dieses Angebot, das das Projekt unter anderem mit dem Preisgeld des Margherita-von-Brentano-Preises finanziert, dient nicht nur der Vertiefung des Wissens, sondern fördert auch die Vernetzung und interdisziplinäre Kommunikation zwischen verschiedenen Berufsgruppen. Weiterentwickelt werden sollen die Vernetzungen mit anderen Instituten der Freien Universität Berlin sowie kommunalen Beratungs- und Zufluchtseinrichtungen.

Neben gewaltbetroffenen Patientinnen äußern zunehmend mehr ärztliche und pflegerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den dringenden Wunsch nach einer klinikinternen sozialen und psychologischen Beratungsstelle. Hier wäre der Aufbau einer eigenen Beratungseinrichtung mit einer vollen Koordinationsstelle eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Angeboten.

Die Laudatio hielt Prof. Dr. Rudolf Tauber (Prodekan für Forschung am Fachbereich Humanmedizin).