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DHC Lecture with Evgeny Kazartsev

Evgeny Kazartsev

Evgeny Kazartsev

Evgeny Kazartsev
(National Research University - Higher School of Economics, St. Petersburg)
Zur Entstehung und Entwicklung des jambischen Verses in der europäischen Dichtung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert

Gegen Ende des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts vollzog sich eine grundsätzliche Reform der europäischen Dichtung. Ihr Ergebnis war der Übergang zur damals progressivsten Versifikation, die auf dem syllabotonischen, und zwar namentlich dem jambischen Versmaßmodell gründete. Diese neue Versifikation spielte eine entscheidende Rolle für die weitere Literaturentwicklung nicht nur in Deutschland, England und den Niederlanden, sondern auch in den nord- und osteuropäischen Ländern. Die neue Versifikation wurde damals als Produkt der Spätrenaissance wahrgenommen und übte einen wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung der europäischen Literatur aus, indem sie über mehrere Epochen hinweg in mehreren Ländern eine der Hauptformen der Dichtung war. Jamben wurden nicht nur von Dichtern wie William Shakespeare, Jost van den Vondel, Daniel Heinsius, Martin Opitz, Andreas Gryphius, sondern auch von solchen des 18. und 19. Jahrhunderts, wie Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Georg Gordon Noel Byron, Carl Michael Bellman, Alexander Puschkin, Michail Lermontov, Adam Mickiewicz und Taras Schewchenko verwendet. In manchen osteuropäischen Ländern entstand Syllabotonik erst im 20. Jahrhundert. Bei der Entlehnung eines Versifikationssystems aus einer literarischen Tradition in die andere lassen sich sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede in seiner Realisierung beobachten. In diesem Vortrag wird versucht, diese Ähnlichkeiten und Unterschiede zu beschreiben und zu analysieren.