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Série de palestras “A História como arma” (livestream)

06.11.2019 | 12:15 - 13:45

Palestra do Prof. Dr. Egon Flaig: “Mémoire contra Histoire. Reflexões sobre a cultura memorial na Hélade arcaica e clássica (Mémoire gegen Histoire. Überlegungen zur Memorialkultur im archaischen und klassischen Hellas)”

– Todas as palestras da série serão em alemão. –

Mittwoch 6. November 2019, 16:15 Uhr (MEZ) l 12:15 Uhr (Zeitzone Brasília

Die Wertideen jeder Kultur – sogar die Menschenrechte – können nur wertvoll bleiben, wenn das kulturelle Gedächtnis uns sagt, warum sie nicht verloren gehen dürfen. Doch just diese orientierende Funktion des kulturellen Gedächtnisses widerspricht tendenziell dem Wahrheitsanspruch der Historie als Wissenschaft.

Der Votrag beschäftigt sich mit dem von Nietzsche erkannten, von Maurice Halbwachs, Alfred Heuß und Pierre Nora herausgearbeiteten scharfen Gegensatz zwischen der histoire (Wissenschaft) und der mémoire (kulturelles Gedächtnis, Eingedenken). Auf einem konkreten Beispiel zeigt der Votrag auf, wie die athenische Demokratie schon Ende des 6. Jhs. v. Chr. sich einen Gründungsmythos schuf, der historisch falsch war, aber dennoch das offizielle Gedächtnis der Polis bestimmte. Denn nicht der Volksaufstand gegen einen oligarchischen Staatsstreich 507 v. Chr. wurde erinnert, sondern die fragwürdige Tat der Tyrannentöter von 514 v. Chr. Diese „Verdrängung“ war, wie Ernest Renan sagte, heilsam für die Kohäsion der Bürgerschaft. Entgegen der Lehre der Psychoanalyse sind Vergessen und Verdrängen keine pathogenen Vorgänge, sondern für Kollektive geradezu überlebenswichtig.

Die athenische Bürgerschaft wusste im ‚kommunikativen Gedächtnis‘ sehr wohl, daß der Gründungsmythos nicht stimmte, „glaubte“ diesem aber bei Festen und Ritualen des politischen Eingedenkens. Doch einige Geschichtsschreiber widersetzten sich dem offiziellen Gedächtnis, bezeichneten es als falsch und tradierten die tatsächlichen Geschehnisse. In der griechischen Kultur entstand somit eine auf objektive Wahrheit bezogene autonomisierte histoire, die sich vom offiziellen Gedächtnis im politischen Raum scharf absonderte. Den Maßstäben dieser griechischen Historie verdankt sich unsere historische Wissenschaft. Diese Maßstäbe sind also prekär und können verloren gehen. Der abschließende Teil des Vortrages geht auf die Gefahren ein, die der Geschichte als Wissenschaft heute drohen.

Link zum Livestream

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Ringvorlesung „Geschichte als Waffe“. Wintersemester 2019/2020

Seit dem Beginn des Umgangs mit Geschichte ist diese immer wieder genutzt worden, um bestimmte – in der Regel politische – Ziele zu erreichen. Die Spannbreite der Indienstnahmen reicht von offenkundigen Fälschungen über die Konstruktion und Verbreitung von Mythen und Verschwörungstheorien. Alle diese Formen der Instrumentalisierung haben den Objektivitäts- und Wahrheitsanspruch dementiert, der im 19. Jahrhundert für die Entstehung der Geschichtswissenschaft konstitutiv war. Fälschungen, Mythen und Verschwörungstheorien beruhen stets auf der Absicht, zu täuschen. Damit behandelt die Ringvorlesung eine viel versprechende wissenschaftliche Fragestellung, die zugleich ein aktuelles politisches Problem berührt. Fälschungen, Mythologisierungen und Verschwörungstheorien können eine erhebliche politische und gesellschaftliche Verunsicherung und Destabilisierung hervorrufen, wie Hannah Arendt schon 1974 erkannte: „Wenn jeder dich immerzu anlügt, dann ist die Folge nicht, dass du die Lügen glaubst, sondern vielmehr, dass keiner mehr irgendetwas glaubt.“

Konzeption: Prof. Dr. Ernst Baltrusch, Prof. Dr. Arnd Bauerkämper

Die Ringvorlesung wird vom Friedrich-Meinecke-Institut für Geschichtswissenschaft in Kooperation mit dem GasthörerCard-Programm der Freien Universität Berlin durchgeführt.

Weitere Informationen und alle Titel der vergangenen Termine finden Sie hier und hier.