Joachim-Tiburtius Preis 1999
Zwei Preise für FU-Nachwuchswissenschaftler
Nr. 222/1999 vom 19.11.1999
Der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Peter Radunski, verleiht am 24. November in der Heilig-Geist-Kapelle der Humboldt-Universität den Joachim-Tiburtius-Preis 1999 des Landes Berlin. Mit dem nach dem früheren Wissenschaftssenator Joachim Tiburtius benannten Preis werden alljährlich herausragende Dissertationen und Diplomarbeiten ausgezeichnet. Zwei der drei Anerkennungspreise für herausragende Dissertationen gehen in diesem Jahr an junge Wissenschaftler/innen der Freien Universität Berlin.
Die Volkswirtin Kristine Kern hat am Beispiel der US-amerikanischen Umweltpolitik untersucht, wie sich politische Regelungen, die auf lokaler Ebene getroffen werden, auf benachbarte Regierungseinheiten ausbreiten beziehungsweise von der zentralen Regierung übernommen werden. Für einen gut funktionierenen Politiktransfer komme übergeordneten Vermittlungsinstanzen eine herausragende Bedeutung zu, lautet ein Fazit ihrer Studien.
In der Vorreiterrolle, die Kalifornien in den USA in Bezug auf viele umweltpolitische Standards spielte, fand die Volkswirtin einen reichen Fundus für ihre Recherche. Die Festlegung der Kfz-Emmissionswerte etwa waren in einem "zyklischen Prozess" mehrmals verschärft worden, wobei Kalifornien die Entscheidung zur erneuten Verschärfung vorab jeweils in Einzelregie traf.
Kristine Kern hat für den Transfer politischer Regelungen einen begrifflich-theoretischen Rahmen formuliert, der eine Anwendung ihrer Untersuchungen auf föderalistische Einheiten wie die EU, die OECD, auf das UN-System sowie auf vielfältige Netzwerke und Wissensgemeinschaften erlaubt. "Die Diffusion von Politikinnovationen in Mehrebenensystemen – Politikintegration und –innovation" heißt der Titel ihrer preisgekrönten Dissertation.
Gegenstand der ausgezeichneten Dissertation des Sinologen Klaus Mühlhahn ist die Apartheid-Politik der Deutschen in ihrer chinesischen "Musterkolonie" Kiautschou, die sie nach der Besetzung im Jahre 1897 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges beherrscht haben. Mühlhahn stellt klar, daß die deutschen Besatzer zur Durchsetzung ihrer Ziele auch nicht vor Massakern an der chinesischen Bevölkerung zurückgeschreckt sind.
Ausdrücklich im "Kleinen und Alltäglichen" hat der Sinologe die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen in China und den deutschen Herren aufzuspüren versucht, um Folgen und Wirkungen des Kolonialismus aufzeigen zu können. Das Thema seiner Arbeit lautet: "Herrschaft und Widerstand in der 'Musterkolonie' Kiautschou. Interaktionen zwischen China und Deutschland, 1897-1914".
Mühlhahn führt aus, daß sich der Widerstand der Chinesen insbesondere auf die Forderung nach verbindlichen Menschenrechten berief. Der Chinaforscher sieht darin den Beginn einer bis heute anhaltenden Kontroverse zwischen Ost und West, die um unterschiedliche Auslegungen des Menschenrechtsbegriffes kreist. Während von westlicher Seite der Aspekt juristisch einklagbarer Einzelrechte betont werde, sehen die Chinesen in umfassenderer Weise darin das Recht, ein menschliches Leben in Würde zu führen. "Daß im Westen politische Rechte zwar konstitutionell verankert seien, viele Menschen aber aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen nicht in der Lage sind, Gebrauch von ihren garantierten Rechten zu machen", werde von chinesischer Seite oft kritisiert.
Weitere Informationen
Kristine Kern (Tel.: (030) 25491-282) und Klaus Mühlhahn (Tel.: (030) 838-3598).
