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Priwét aus St. Petersburg!

Post aus Russland! Lilia Becker reist auf den Spuren der Sowjetunion nach St. Petersburg und bezieht eine Wohnung am Prachtboulevard der Stadt

16.10.2019

Lilia Becker schickt nun regelmäßig Post aus der russische Hafenstadt an der Ostsee.

Lilia Becker schickt nun regelmäßig Post aus der russische Hafenstadt an der Ostsee.
Bildquelle: Elena Nustrini

Ein holzverkleidetes Abteil, das sanfte Wiegen eines Sowjetzuges und in der Hand ein heißer Instantkaffee: Sankt Petersburg begrüßte mich freundlich nach einer Nachtfahrt von Moskau. Ich hatte schon eine längere Reise hinter mir. Aus Berlin ging es zuerst nach Georgien. Russland und die gemeinsame sowjetische Vergangenheit sind dort nicht nur architektonisch und sprachlich präsent. Seit dem Kaukasuskrieg 2008 gibt es immer wieder Proteste gegen den „Okkupisten“ – ein häufig gehörtes Wort in dieser Region. Moskau entschied sich diesen Sommer für ein Direktflugverbot zwischen den beiden Ländern. So musste auch ich über das angrenzende Armenien nach Moskau reisen – für mich eine Stadt der Superlative. Die Häuser scheinbar stets eine Etage höher und die Straßen eine Spur breiter als die vorhergehenden.

Die Unterführungen bilden ganze Städte, in denen man von der Maniküre über Läden für den Wocheneinkauf und Bars so ziemlich alles findet und fast genauso viele Menschen antrifft wie überirdisch. Die Stadt wirkt hektisch, das Zentrum ist von Touristen und Geschäftsleuten geprägt. Da war ich ganz froh zu sehen, dass „Piter“, wie St. Petersburg von den Einwohnern genannt wird, in vielem zurückhaltender wirkt. Die Häuser mit ihren unzähligen Hinterhöfen in der Altstadt sind vom italienischen Klassizismus geprägt – über ihnen bilden die Stromleitungen ein wirres Netz. Es erstaunt mich, dass kleine Läden und selbst Restaurants häufig rund um die Uhr geöffnet haben. Das ist bequem und ermüdend zugleich – Sonntagsruhe Fehlanzeige.

Nach einer Woche in einer Airbnb-Unterkunft, konnte ich mit einer Kommilitonin unweit des Newski-Prospekts, dem Prachtboulevard der Stadt, eine Wohnung beziehen. Unsere Vermieterin ist eine ältere Dame, die früher mal Kunstinteressierte durch die Eremitage geführt hat. Den Vertrag haben wir an einem Abend kurz vor Mitternacht in ihrer Küche bei Tee und Keksen unterschrieben.

Für die Recherche meiner Masterarbeit werde ich die Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich für die Aufarbeitung des Stalinismus einsetzt, aufsuchen. Ich bin gespannt und frage mich, ob ich in den nächsten Tagen Zugang zum Archiv erhalten.

Weitere Informationen

Lilia Becker schickt uns „Post aus…St. Petersburg“! Sie ist eine von elf Autorinnen und Autoren, die von ihren Auslandsstudienaufenthalten für campus.leben berichten. Die Post von Lilia Becker finden Sie hier auch in englischer Sprache.