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"Gender Mainstreaming" Stromaufwärts, Stromabwärts, ein sich verlaufender Nebenkanal?

Laut Pressedienst der Freien Universität Berlin wurde mir der Margherita-von-Brentano-Preis zuerkannt, weil ich mich in verschiedener Weise um das Thema Frauen und Entwicklung sowie um die Umsetzung feministischer Impulse im Wissenschaftsbetrieb verdient gemacht und diese Themenkreise in unkonventioneller Art in der Freien Universität etabliert habe. Die Sprecherin des Frauenrates, Mechthild Leutner, erwähnte darüber hinaus, dass sich die Preisträgerin „seit Jahren an unserer Universität engagiert hat, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen“.

Die Zitate machen deutlich, da ist kein Forschungs- oder Aktionsprojekt ausgezeichnet und ermutigt worden, sondern ein Lebensweg und eine Berufspraxis herausgehoben. Und so will ich aus meiner Dankesrede zitieren:

„An dieser Universität habe ich – vor langen Jahren – studiert. In den letzten 10 Jahren habe ich viel von den Fragen, die mich aus der Praxis als entwicklungspolitische Gutachterin und Beraterin beschäftigten, in die Lehre und die Betreuung studentischer Arbeiten hineintragen dürfen. Damit waren mir Räume des Bedenkens und Befragens eröffnet, die sich im beruflichen Alltag sonst nicht leicht finden lassen. Auch hat die FU mir – über Mittel der Zentraleinrichtung Frauenstudien/Frauenforschung, des Präsidialamts und des Außenamts – wiederholt die Möglichkeit gegeben, Projekte zu realisieren, die ich als der Universität nicht fest Angehörende ohne diese Unterstützung kaum hätte in Angriff nehmen können. Und nun also dieser Preis – die Hälfte davon – der den Namen einer verehrungswürdigen Frau trägt.“

Als entwicklungspolitische Gutachterin hatte ich immer wieder mit den Anstrengungen, Geschlechterdisparitäten sichtbar zu machen, ihnen entgegenzuwirken und beides institutionell auf Dauer zu stellen – heute Gender Mainstreaming genannt – zu tun. Als Lehrbeauftragte, später als Honorarprofessorin, bot sich mir die Chance, gründlicher als dies in handlungsorientierten Apparaten möglich ist, über patriarchale Strukturen und die Formen ihrer Beharrungskraft nachzudenken. Es konnte kaum ausbleiben, dass sich solche Nachdenklichkeit auch auf die universitäre Praxis erstreckte.

Es gibt kaum eine Wissenschaftsdisziplin, zu der nicht eine feministische Perspektive entwickelt worden ist, und zwar sowohl in Bezug auf die gesellschaftliche Nutzung von Wissenschaft als auch als Kritik an dem jeweiligen Wissenschaftsdiskurs. Und doch, die Herausforderung feministischer Theorieansätze wird von der patriarchal strukturierten scientific community nicht angenommen. Selbst da, wo beredte Klage über die Grenzen der tradierten Disziplin hinaus geführt wird und innovative methodische und theoretische Neuanstrengungen gefordert werden, zählt feministische Theorie nicht zu den Ressourcen, auf die zu dem Zweck zurückgegriffen werden könnte. Es herrscht ein auffällig aktives und erstaunlich beharrliches Beschweigen und es drängt sich durchaus der Eindruck auf, dass es HERRSCHT.

In zwei Lehrprojekten, den Ringvorlesungen „Zur Rezeption feministischer Theorie im Wissenschaftsbetrieb“ und „Etablierte Wissenschaft und feministische Theorie im Dialog“ waren mein Kollege Ulrich Albrecht und ich bemüht, ermutigende Rezeptionsbeispiele zusammenzutragen und feministische Wissenschaftsansätze und solche des mainstream miteinander ins Gespräch zu bringen. Es waren vor allem diese beiden Projekte, die auch in einer breiteren Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Das Preisgeld ermöglichte mir Unterstützung bei den Nacharbeiten zu dem ‘Dialog-Projekt’. Auch zukünftig möchte ich der Frage nach den Umsetzungshemmnissen und en vorantreibenden Kräften von Gender Mainstreaming weiter nachgehen. Das tue ich zunächst einmal in meiner außeruniversitären beruflichen Tätigkeit. Die Universität ist mir der Raum, in dem ich Erfahrungen vermitteln und mit Instrumenten der Wissenschaft erhellen kann. Bei komplexeren Vorhaben, wie zum Beispiel den beiden skizzierten Lehrprojekten, ist das ohne zusätzliche personelle Unterstützung schwer möglich.

An meinem ursprünglichen Vorhaben, praktische Erfahrungen mit Gender Mainstreaming aus unterschiedlichen Politikfeldern und Politikebenen zum Zwecke der Befragung in die Universität hineinzuholen, sind mir mittlerweile Zweifel gekommen. Konferenzen von Bildungsträgern bündeln hier einiges. Für die reguläre Lehre muss ich nicht auf Sondermittel zurückgreifen.
So kann ich im Augenblick nur sagen, wie dankbar ich darüber bin, wenn ein voraussetzungsvolleres Lehr-, vielleicht auch Vernetzungsprojekt ausgereift ist, mich auf unterstützende Mittel verlassen zu können.

Die Laudatio hielt Prof. Dr. Peter Grottian (Politikwissenschaftftler).