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Geschichte des Gebäudes Ehrenbergstraße 26/28

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts litt das von Prof. Dr. Gustav Kraatz gestiftete "Deutsche Entomologische National-Museum" zunehmend unter Raumnot. Die Räumlichkeiten in der Moabiter Thomasiusstraße reichten insbesondere für die umfangreichen Insektensammlungen nicht aus. So wurde auf Veranlassung des Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Walther Horn entschieden, den Architekten Heinrich Straumer mit einem Neubau in Dahlem zu beauftragen.

In der Entwurfsphase kann wohl von einer Mitwirkung von Straumers Partner Heinrich Hermann ausgegangen werden, hauptverantwortlich war aber sicher Straumer, der auch in einem Artikel der Deutschen Bauzeitung vom Dezember 1911 über das Haus als alleiniger Architekt genannt wird. Er entwarf ein für einen Museumsbau der Wilhelminischen Zeit bemerkenswert zurückhaltendes Gebäude aus handgestrichenen Rathenower Ziegeln, dem der Turm in der Achse der beiden Flügel, die Arkadenloggia und der Vorhof dennoch durchaus repräsentative Züge verleihen.

Dabei stand in Hinblick auf die Gestaltung bereits der Gedanke der Internationalität Pate, wenn auch unter anderen Prämissen als heute in der Nutzung als International House der Freien Universität. So hieß es in dem Artikel in der Deutschen Bauzeitung: "Eine innere Berechtigung für die gewählte Architektur entsprang aus dem Wunsch, Anklänge zu finden an seefahrendes Volk nordischer oder holländischer Art. Die Entomologie ist es ja auch, die in interessanter Weise die frühere Verbindung der Erdteile unter einander beweist; sie ist eine der internationalen Wissenschaften."

Das aus naturroten, handgestrichenen Rathenower Ziegeln erbaute Haus ist für ein repräsentatives Gebäude der Wilhelminischen Ära bemerkenswert schlicht gehalten.

Das aus naturroten, handgestrichenen Rathenower Ziegeln erbaute Haus ist für ein repräsentatives Gebäude der Wilhelminischen Ära bemerkenswert schlicht gehalten.
Bildquelle: Deutsche Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, S. 892.

Die Gartenansicht des Gebäudes nach der Fertigstellung.

Die Gartenansicht des Gebäudes nach der Fertigstellung.
Bildquelle: Deutsche Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, S. 893.

Entwurfszeichnungen. Deutlich erkennbar der usprünglich geplante zweite Flügel, der letztlich nie realisiert wurde.

Entwurfszeichnungen. Deutlich erkennbar der usprünglich geplante zweite Flügel, der letztlich nie realisiert wurde.
Bildquelle: Deutsche Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, S. 895.

Links das benachbarte Direktorenwohnhaus, das sich heute in Privatbesitz befindet.

Links das benachbarte Direktorenwohnhaus, das sich heute in Privatbesitz befindet.
Bildquelle: Deutsche Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, S. 896.

Logo und Bibliothek des Deutschen Entomologischen Museums.

Logo und Bibliothek des Deutschen Entomologischen Museums.
Bildquelle: Förderverein des Deutschen Entomologischen Instituts e. V.

Der usprüngliche Zustand von Eingang und Eingangsbereich.

Der usprüngliche Zustand von Eingang und Eingangsbereich.
Bildquelle: Deutsche Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, S. 897.

Denkmalgerechte Sanierung: Eingangsbereich und Treppenhaus heute.

Denkmalgerechte Sanierung: Eingangsbereich und Treppenhaus heute.
Bildquelle: Benjamin Langer

Der Stil des Gebäudes mit seinen großflächigen roten Ziegelsteinflächen, zu denen die weißen Sprossenfenster einen deutlichen Kontrast bilden, lehnte sich an den englischen Landhausbau an. Belebt werden die Wandflächen u. a. durch die dekorative Verwendung der Ziegelfugen, die an der Fassade Muster bilden. Sowohl diese Muster als auch die beinahe parabelförmigen Arkadenbögen verweisen bereits auf die Formensprache expressionistischer Architektur.

Eröffnet wurde das Museum unter dem Namen "Deutsches Entomologisches Museum" am 26. Oktober 1912. Im Erdgeschoss befanden sich neben dem Sitzungssaal der "Deutschen Entomologischen Gesellschaft" Lagerräume, in den oberen Etagen ein Bibliothekssaal, Ausstellungsräume und Mitarbeiterbüros. Im Erdgeschoss des linken Flügels, das heute noch einen separaten Eingang aufweist, waren Hausmeisterwohnung und Heizungsraum untergebracht. Ein ursprünglich geplanter zweiter Flügel wurde nie ausgeführt.

1922 ging das Museum als "Entomologisches Institut" in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG) auf. Während des Zweiten Weltkriegs mussten die Bestände nach Schloss Blüchershof im Kreis Waren/Müritz ausgelagert werden. Erst 1950 kehrten sie nach Berlin zurück, allerdings nach Friedrichshagen im sowjetischen Sektor der Stadt. Das Stammhaus in Dahlem wurde ab 1950 von der Max-Planck-Gesellschaft, der Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, genutzt.

1953 zog das Institut für Genetik der wenige Jahre zuvor gegründeten Freien Universität in das Gebäude und teilte es sich fortan mit dem Max-Planck-Institut für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie. 1970 ging das Haus dann ganz an die Freie Universität über, es beherbergte nun das Institut für Biochemie und Molekularbiologie. Die Innenräume wurden in diesen Jahrzehnten mehrfach umgestaltet. Ein nach dem Zweiten Weltkrieg angebauter Lagerraum wurde 1987 erneuert und um einige Meter versetzt, so dass er zu einem freistehenden Anbau mit Verbindungsgang zum Hauptgebäude wurde.

Nach zehn Jahren der Nutzung durch das Ostasiatische Seminar der Freien Universität wurde das Gebäude 2015 umfassend saniert und der Abteilung Internationales unterstellt. Seither fungiert es als "International House" der Freien Universität, der frühere Lagerraum im Anbau ist nun ein moderner Seminarraum. In die Räumlichkeiten der ursprünglichen Hausmeisterwohnung im Erdgeschoss zog die Abteilung für E-Publishing und Open Access des Centers für digitale Systeme (CEDIS).

Weitere Informationen zur Geschichte des Gebäudes Ehrenbergstraße 26/28 finden sich in Rotraud Ahrens u. a.: Villen, Rost- und Silberlauben. Baugeschichtliche Spaziergänge über den Campus der Freien Universität. Berlin 1993, S. 30, sowie Martina Schilling (Hg.): Freie Universität Berlin. Ein Architekturführer zu den Hochschulbauten. Salenstein 2011, S. 24–27. Zum ursprünglichen Bau siehe den Artikel über das Haus in der Deutschen Bauzeitung, XLV. Jahrgang 1911, Nr. 103/104, online einsehbar auch im Digitalen Repositorium der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Zur Geschichte während der Nutzung als Deutsches Entomologisches Museum und Institut siehe auch die Webpräsenz des Fördervereins des Deutschen Entomologischen Instituts e. V.

Benjamin Langer