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Die soziale Konstruktion von Geschlecht – Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische Fragen

Hanna Meißner – 2008

Die Annahme, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, kann in weiten Teilen der Frauen- und Geschlechterforschung als eine Art Minimalkonsens gelten. Weitaus weniger Einigkeit herrscht allerdings über die Frage, wie die Konstruktionsprozesse theoretisch zu verstehen sind und wie weitgehend diese Annahme ist – bezieht sie sich auf die sozialen Folgen der Zweigeschlechtlichkeit oder stellt sie die Natürlichkeit dieser Differenz selber in Frage? In diesem Artikel wird daher zunächst die Konstruktionsthese selber diskutiert, indem die Zuspitzungen, die diese in verschiedenen Strängen der feministischen Debatten erfahren hat, nachvollzogen werden. Damit soll die These begründet werden, dass sich die Annahme der Konstruktion auf die Kategorie selbst bezieht: Die biologisch begründete Zweigeschlechtlichkeit ist ein spezifisches Kulturphänomen, das nicht auf natürliche Letztbegründungen zurückgeführt werden kann. In einem zweiten Schritt werden wichtige theoretische Herausforderungen vorgestellt, die sich daraus ergeben. Geschlecht wird als paradoxe Kategorie begriffen: Sie ist für die Analyse gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse notwendig; zugleich besteht die Gefahr, durch den Bezug auf diese Kategorie das vorauszusetzen und zu bestätigen, was eigentlich Gegenstand der Analyse ist, nämlich die Geschlechterdifferenz. Damit verbunden stellt sich die Frage, ob der Fokus auf die Herstellungsprozesse von Geschlecht dazu führt, dass strukturelle Ungleichheiten in den gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen aus dem Blick geraten. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen werden in einem dritten Schritt zwei Konzeptionen (doing gender und Performativität) vorgestellt, die aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven die Prozesse erklären, in denen Geschlecht hergestellt wird. Dabei geht es zum einen darum, deren je besonderen Erkenntnismöglichkeiten darzustellen. Zum anderen wird gefragt, wie sich diese Ansätze auf gesellschaftliche Strukturen beziehen.

Titel
Die soziale Konstruktion von Geschlecht – Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische Fragen
Verfasser
Hanna Meißner
Datum
2008-06
Art
Text
Über die Autorin

 

Hanna Meißner ist Diplomsoziologin.

Sie hat Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie und Niederlandistik an der Freien Universität Berlin und der Université de Toulouse-Le Mirail studiert.

Von 1999-2006 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am soziologischen Institut der Freien Universität Berlin im der Abteilung Sozialstruktur und theoretische Grundlagen.

Derzeit ist sie als freiberufliche Wissenschaftlerin tätig und promoviert sie zu analytischen Konzeptionen von Subjektivität, Handlungsfähigkeit und Kritik bei Judith Butler, Michel Foucault und Karl Marx.

Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Gesellschaftstheorie, feministische Theorie, Arbeits- und Industriesoziologie, Fragen zu Diversität und Intersektionalität.

 

 

Andere Veröffentlichungen

 

Rezension zu Urte Helduser u.a. (Hg.): under construction? Konstruktivistische Perspektiven in feministischer Theorie und Forschungspraxis; In: Femina Politica 2/2005

Zu den gesellschaftlich-historischen Bedingungen der sozialen Konstruktion von Geschlecht. In: Olaf Gerlach u.a. (Hg.): Mit Marx ins 21. Jahrhundert? Zur Aktualität der Kritik der Politischen Ökonomie. Hamburg 2003: VSA-Verlag

(mit Anja Fahrenholz) Welche Macht wollen Frauen? Reflexive Karriereorientierungen von weiblichen Führungskräften in der Landesbank Berlin. In Regina Maria Dackweiler, Ursula Hornung (Hg.): Frauen-Macht-Geld. Münster 2003: Westfälisches Dampfboot

(mit Anja Fahrenholz) Betriebliche Gleichstellungspolitik. Wie männliche Strukturen als Karrierebremse wirken. In: Mitbestimmung 01+02/2003

(mit Claudia Gather) ”Rente krieg´ ich eigentlich keine.” Frau Meyer und Frau Fischer, zwei Putzfrauen in der Schattenwirtschaft. In: Günter Burkart, Jürgen Wolf (Hg.): Lebenszeiten. Erkundungen zur Soziologie der Generationen, Opladen 2002: Leske und Budrich

(mit Claudia Gather) Informelle Arbeitsverhältnisse in privaten Haushalten – Eine Lücke in der Arbeitssoziologie. In: Claudia Gather, Birgit Geissler, Maria S. Rerrich (Hg.): Weltmarkt Privathaushalt. Bezahlte Haushaltsarbeit im globalen Wandel. Münster 2002: Westfälisches Dampfboot

(mit Christoph Kimmerle) 'Doing Sex - Doing Society' - zum Geschlechtskörper als sinnlichem Scharnier zwischen Gesellschaft und Subjekt¸ Rezension zu Villa (2000): Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper. In: Querelles-Net 1/2000, http://www.querelles-net.de/2000-1/kimm.html

(mit Alexandra Manske) „Und wer wollte, wer möchte, wer will, hat seine Chance auch gehabt.“ Ehemalige Ostberliner Zweigstellenleiterinnen im betrieblichen Umstrukturierungsprozeß der Landesbank Berlin. In: Hüning/Nickel/Völker (Hg.): Transformation - Unternehmensreorganisation - Geschlechterforschung, Opladen 1999: Leske und Budrich.

"Beruf habe ich geschafft, Kind habe ich geschafft, Ehe habe ich nicht geschafft." Berufliche und familiale Orientierungen in Lebensentwürfen ehemaliger Zweigstellenleiterinnen. In: ZiF Bulletin Nr. 16, 1998 (124 - 140)

 

Links

 

http://www.querelles-net.de (Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung)

http://sun3.lib.uci.edu/~scctr/Wellek/butler (Biobliographie zu Judith Butler)

http://differenzen.univie.ac.at (Website des Forschungsprojekts "Produktive Differenzen. Geschlechterforschung als transdisziplinäre Beobachtung und Performanz von Differenz")

http://plato.stanford.edu/entries/feminism-self (Handbuchartikel zu feministischen Debatten um die Komplexe Personenstatus, Identität, Körper und Handlungsfähigkeit)